Merz erklärt Scholz‘ Kanzlerschaft für beendet – Scholz warnt vor Union-„Desaster“
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Wenige Tage vor der Bundestagswahl sind Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) zum letzten Mal in einem TV-Duell aufeinander getroffen. Das einstündige Gespräch bei „Bild“ und Welt TV drehte sich am Mittwochabend vor allem um die Themen Migration, Bürgergeld und Lebensmittelpreise. Beide Kandidaten gaben sich siegesgewiss – zugleich ließen sie die Tür für eine schwarz-rote Koalition nach der Wahl offen.
Die Union stand in den Umfragen zuletzt bei um die 30 Prozent, die SPD kam auf 15 bis 16 Prozent. „Ihre Kanzlerschaft dürfte am Sonntag beendet sein“, sagte Merz daher an Scholz gerichtet. Bis Sonntag werde „kein Wunder mehr passieren“. Es sei zudem nicht selbstverständlich, dass die Union nach der Wahlniederlage von 2021 wieder da sei, wo sie jetzt sei.
Scholz setzt hingegen auf die zahlreichen noch unentschlossenen Wähler – in jüngsten Befragungen waren es rund 28 Prozent. Er sei überzeugt, dass viele Menschen am Sonntag in die Wahlkabine gingen „und sich erst dann entscheiden, wen und welche Partei sie wählen“, sagte Scholz bei dem TV-Duell. Er glaube auch, dass letztlich dann viele „die Kreuze machen bei der SPD und auch mir einen neuen Auftrag geben, die nächste Regierung zu führen“.
Migration bleibt Zankapfel im Wahlkampf
Während etwa Klimaschutz oder Außenpolitik weitgehend ausgespart wurden, nahm wie schon bei anderen Auftritten das Thema Migration viel Raum ein. Merz bekräftigte seine Haltung, die sich bereits beim Fünf-Punkte-Plan der Union im Bundestag gezeigt hatte: Er werde „nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Migrationswende“ enthalten sei. Es gebe dabei mit dem Kanzler und der aktuellen Koalition „einen Dissens um die Frage, wie viele Menschen nach Deutschland kommen dürfen“ sowie über das Thema Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen.
Scholz verteidigte sich indes gegen Kritik, es werde zu wenig abgeschoben. Es müsse dabei aber vor allem um schwere Straftäter gehen. „Jemand, der Straftaten begangen hat und deshalb abgeschoben werden kann, soll auch abgeschoben werden, und zwar in das Land, wo er herkommt“, sagte der Kanzler.
Merz will Bürgergeld reformieren – Scholz verteidigt bestehende Regeln
In der Debatte um das Bürgergeld plädierte der CDU-Politiker für eine Namensänderung und für härtere Sanktionen, wenn Arbeitsangebote abgelehnt werden. Man müsste einem Arbeitslosen „dann sagen, das und das und das Angebot bekommt er, und wenn er es nicht annimmt, dann muss man davon ausgehen, dass er an anderer Stelle seinen Lebensunterhalt verdienen kann.“
Auch Scholz sprach sich für Sanktionen aus. „Wir müssen natürlich mit harten Sanktionen dafür Sorge tragen, dass Leute, die konkret mögliche Beschäftigung ablehnen, dann auch von uns angegangen werden können“, sagte er. „Die Gesetze gibt es übrigens im Bundestag, die kann man beschließen.“
Den Vorschlag von Merz hält er dagegen nicht für umsetzbar. Um für Leistungskürzungen zu beweisen, dass jemand nicht arbeiten möchte, müsse man mehr Geld ausgeben und ihm öffentlich geförderte Jobangebote unterbreiten. Der SPD-Politiker gab zu bedenken, dass Leistungen nur begrenzt gekürzt werden können. „Wir sind ja sehr fest eingemauert durch das, was das Bundesverfassungsgericht an Leistungshöhe uns vorgeschrieben hat.“
Scholz schließt höhere Mehrwertsteuer aus – Merz bleibt vage
Beim Thema Mehrwertsteuer schließt Scholz schließt eine Erhöhung nach der Wahl klar aus. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz dagegen antwortete auf die Frage, ob er garantieren könne, dass die Mehrwertsteuer nicht steige, lediglich: „Ich möchte die Mehrwertsteuer nicht erhöhen.“
Auf die Bemerkung der Moderatoren, er schließe das also nicht aus, sagte Merz: „Wir werden doch möglicherweise auch Koalitionsverhandlungen zu führen haben.“ Er halte eine Erhöhung persönlich aber für den falschen Weg.
Die Mehrwertsteuer ist häufig ein wichtiges Thema in Bundestagswahlkämpfen. Scholz warnte, ein „Desaster“ wie im Wahlkampf 2005 dürfe sich nicht wiederholen. Damals hatte die Union angekündigt, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte anheben zu wollen. Die SPD war dagegen Sturm gelaufen. Die große Koalition aus genau diesen beiden Partnern hatte kurz darauf dann sogar eine Erhöhung um drei Prozentpunkte beschlossen.
Scholz über ein „gelungenes Leben“ – Merz über Schicksalsschläge
Mitunter wurde es auch persönlich im TV-Duell: Scholz und Merz finden beide, sie hatten Glück in der Liebe. Auf die Frage, welcher Schicksalsschlag sein Leben besonders geprägt habe, sagte Kanzler Scholz: „Mein Leben ist sehr gelungen, was mein privates Leben, was die Liebe betrifft, was meine Möglichkeit, als Anwalt zu arbeiten betrifft und auch als Politiker.“ Er habe persönlich bisher ein sehr glückliches Leben.
Merz dagegen berichtete, der frühe Tod von zweien seiner drei Geschwister habe bei der Familie tiefe Spuren hinterlassen. Seine jüngste Schwester kam demnach mit 21 Jahren bei einem Unfall ums Leben und sein jüngerer Bruder sei sehr früh an Multipler Sklerose erkrankt und gestorben, bevor er 50 wurde. Darüber rede er nicht häufig, es seien aber „Erlebnisse meiner Familie, die bis heute nachhallen“. Auf die Nachfrage der Moderatoren, ob auch er Glück in der Liebe habe, sagte Merz: „Das würde ich so sagen.“
Scholz schließt Koalitionen mit Linkspartei und BSW aus
Beide Kandidaten ließen bei aller Differenz zudem ein gewisses Grundvertrauen zueinander erkennen. Die Frage, ob er in das Flugzeug von Hobbypilot Merz steigen würde, bejahte Scholz ebenso wie Merz, der gefragt wurde, ob er in das Boot von Scholz steigen würde, dessen Hobby das Rudern ist. Zu der potenziellen gemeinsamen Bootsfahrt sagte Scholz, dabei komme es auch „auf Koordination an und dass man einander vertraut im Boot“.
Merz hatte sich in früheren Äußerungen für den Fall eines Siegs bei der Bundestagswahl bereits grundsätzlich zu Koalitionsgesprächen auch mit der SPD bereit erklärt, dies aber mit Bedingungen verbunden. Auch Scholz schloss eine schwarz-rote Koalition nicht aus, machte aber bereits deutlich, dass er unter einem Kanzler Merz nicht ins Kabinett möchte.
Klar äußerte sich Scholz hingegen zur Frage nach Koalitionen mit der Linkspartei und dem BSW – und schloss diese aus. „Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen“, sagte er. Beides seien Parteien, die die „Ukraine alleine lassen“. Den Krieg bezeichnete er ebenso wie Merz als etwas, das ihn umtreibe. (afp/dpa/dts/red)
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