Mehr Austritte als Sterbefälle: EKD verliert weitere 745.000 Mitglieder

Der Niedergang der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich auch 2022 fortgesetzt. Zum Jahresende zählte sie nur noch 19,1 Millionen Mitglieder.
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Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der EKD.Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa/dpa
Von 10. März 2023

Die Zahl der Mitglieder in den Gliedkirchen der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist 2022 netto um mehr als eine halbe Million gesunken. Mit 380.000 lag die Zahl der Kirchenaustritte sogar erstmals über jener der Todesfälle (365.000).

Derzeit gehören nur noch 19,1 Millionen Einwohner der Bundesrepublik Deutschland der EKD an. Nach einem Minus von 2,6 Prozentpunkten im Jahr 2021 hat sich der Rückgang im Vorjahr mit 2,9 Prozentpunkten weiter beschleunigt. Nur noch 22,7 Prozent der Bevölkerung sind damit noch Mitglieder einer evangelischen Landeskirche. Im Jahr 1961 waren es noch 51,1 Prozent.

EKD setzt nun auf „verstärktes Taufengagement“

Die Vorsitzende der EKD, Annette Kurschus, sprach von einer „bedrückenden“ Zahl. Nur 19.000 Personen traten der Kirche bei. Immerhin stieg die Zahl der Taufen im Vergleich zu 2021 um 37 Prozent auf 165.000. Im Jahr 2019, dem letzten vor der Corona-Krise, waren es noch 159.658.

Für viele sei die Frage der Mitgliedschaft nur noch eine „Kosten-Nutzen-Abwägung“, hieß es in einer Analyse des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Kurschus will dem Trend nun durch die „Schaffung passgenauer Angebote für alle Generationen und Lebensphasen“ gegensteuern. Man wolle verdeutlichen, welchen Wert die formelle Kirchenmitgliedschaft auf vielen Ebenen habe.
Außerdem will die EKD durch ein „verstärktes Taufengagement“ den steigenden Austrittszahlen entgegenwirken.

Nur noch zwei Drittel der Mitglieder glauben an Gott

Bereits im Vorjahr hatte Petra-Angela Ahrens vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD eine verbreitete „empfundene persönliche Irrelevanz“ der Kirche und ihrer Botschaft diagnostiziert. Diese sei im Regelfall der relevante Faktor für einen Kirchenaustritt.

Seit Generationen werde der evangelische Glaube zunehmend nicht mehr ernst genommen und entsprechend auch nicht an die Kinder weitergegeben. Der Effekt sei eine abnehmende Verbundenheit mit der Kirche. Daraus resultiere auch die wachsende Bereitschaft, beispielsweise die Kirchensteuer als entscheidenden Auslöser für den Austritt zu betrachten.

Einer „Spiegel“-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge glauben nur 67 Prozent der EKD-Mitglieder überhaupt an Gott – das sind 13 Prozent weniger als 2005. Unter den Katholiken waren es noch 75 Prozent, was jedoch ebenfalls einem Rückgang von zehn Prozent in 14 Jahren gleichkam.

Entwicklung in katholischer Kirche dürfte sich von jener in EKD wenig unterscheiden

Auch für die katholische Kirche stellen die Zahlen ein schlechtes Omen dar. Eine Gesamtbilanz über Austritte im Jahr 2022 gibt es dort noch nicht. Allerdings lassen erste im Dezember 2022 bekannt gewordene Meldungen aus mehreren Städten ebenfalls einen deutlichen Mitgliederschwund erkennen.

So sei die Zahl der Austritte etwa in Mainz um 44 Prozent angestiegen, auch in anderen Städten zeige sich ein deutlicher Trend. Bereits im Jahr 2021 hatten 359.338 Katholiken ihrer Kirche den Rücken gekehrt – was einen Rekord in der Geschichte der Bundesrepublik darstellt.

Die katholische Kirche verliert dabei vor allem in zwei Richtungen. Vor allem Getaufte ohne reale Kirchenbindung sehen Debatten und Enthüllungen über Missbrauchsfälle häufig als Auslöser für den Entschluss zum Austritt. Gleichzeitig sorgen Initiativen wie der „Synodale Weg“, der die Krise als Anlass für tiefgreifende Veränderungen in Organisation und Lehre der Kirche betrachtet, für eine Entfremdung traditioneller Gläubiger.

Kirche wird zur Echokammer ohne Außenwirkung

In vielen Fällen verlassen auch diese in weiterer Folge die Kirche. Die katholische Kirche wird dadurch zunehmend zu einer Echokammer der Reformer, die mit ihren weitreichenden Veränderungen immer häufiger in einen Konflikt mit dem Vatikan geraten.

Dass eine säkularisierte Sexualmoral und eine Anpassung an den weltlichen Mainstream allerdings keine Garantie für ein Ende des Bedeutungsverlustes darstellen, zeigt jedoch gerade das Beispiel der EKD. Dort sind alle Reformvorhaben, die dem „Synodalen Weg“ für die katholische Kirche vorschweben, seit Jahr und Tag umgesetzt.

(Mit Material von AFP)



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