Maas und Le Drian: Russland muss „versuchte Ermordung“ von Nawalny aufklären
Die Außenminister Deutschlands und Frankreichs haben gemeinsam den Druck auf Russland im Fall des vergifteten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny erhöht. Der Angriff auf den 44-jährigen Oppositionspolitiker sei „leider kein Einzelfall“, erklärten Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian am Freitag. Russland müsse „unverzüglich den Ablauf des Vorfalls und die Verantwortlichkeiten für diese versuchte Ermordung eines Mitglieds der russischen Opposition vollständig aufklären“.
Mass und Le Drian äußerten ihre „tiefe Bestürzung“ über den Fall. Der Angriff auf Nawalny sei eine „sehr schwere Verletzung der grundlegenden Prinzipien der Demokratie und des politischen Pluralismus“, äußerten die beiden Außenminister.
Die Bundesregierung hatte am Mittwoch erklärt, Nawalny sei „zweifelsfrei“ mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden. Der bekannte Kritiker des russischen Staatschefs Wladimir Putin war am 22. August mit Vergiftungserscheinungen aus Russland nach Berlin geflogen worden, wo er seither in der Klinik Charité behandelt wird.
Der neuerliche Fall der Verwendung eines Nervengifts der Nowitschok-Gruppe sei „zutiefst schockierend“, erklärten Maas und Le Drian. Der Einsatz chemischer Waffen verstoße gegen die internationalen Normen.
Das von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelte Nervengift Nowitschok war auch bei dem Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal im März 2018 im englischen Salisbury zum Einsatz gekommen. Als Konsequenz aus dem damaligen Anschlag nahm die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) Nowitschok in ihre Liste der verbotenen Substanzen auf.
Auch Steinmeier fordert Aufklärung
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die russische Regierung zur Aufklärung im Fall Nawalny aufgefordert. „Die Ergebnisse der sorgfältigen Untersuchung bestätigen leider die schlimmsten Befürchtungen: Nawalny ist schwer vergiftet worden mit dem Ziel, ihn zum Schweigen zu bringen“, sagte Steinmeier dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben). „Die drängendsten Fragen richten sich nun an die Regierung in Moskau“.
Steinmeier sagte, es sei nun an der Bundesregierung, „in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern“ die Konsequenzen aus dem Fall zu ziehen. Klar sei jedoch, dass der Fall das deutsch-russische Verhältnis schwer belaste.
„Dass Oppositionelle und kritische Stimmen in Russland in Serie um ihre Gesundheit oder ihr Leben fürchten müssen, ist ohne Zweifel eine schwere Belastung für die Glaubwürdigkeit der russischen Führung und erschwert die Zusammenarbeit“, sagte der Bundespräsident dem RND.
„Wir wollen keine Feindschaft mit Russland oder dem russischen Volk. Aber Unrecht muss klar benannt werden“, so Steinmeier. „Und hier ist ein Verbrechen verübt worden, dessen Verantwortliche nur in Russland zu finden sein werden“.
Politiker fordern unabhängige internationale Untersuchung
Nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wächst der Druck auf Moskau, eine unabhängige internationale Untersuchung zuzulassen. Die Nato verlangte nach einer Sondersitzung außerdem, dass Russland sein Programm zum Nervengift Nowitschok gegenüber der Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OVCW) „vollständig offenlegen“ müsse.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte eine „unparteiische“ Untersuchung der Vergiftung Nawalnys. Die 30 Nato-Mitglieder hätten den „entsetzlichen Mordanschlag“ auf Nawalny „auf das Schärfste verurteilt“. Berlin habe die Verbündeten über die Ergebnisse der Untersuchungen in Deutschland informiert, die ergeben hatten, dass Nawalny einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe ausgesetzt war. Das Gift war in den 1970er Jahren durch sowjetische Wissenschaftler entwickelt worden.
Moskau weist jegliche Schuld im Fall Nawalny von sich. Die Ärzte in dem sibirischen Krankenhaus, in dem Nawalny anfangs behandelt worden war, bevor er in die Klinik Charité nach Berlin verlegt wurde, fanden nach eigenen Angaben sowie nach Angaben des Kremls kein Gift im Körper des bekannten Kritikers von Präsident Wladimir Putin. Behauptungen des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der Westen habe den Giftanschlag nur vorgetäuscht, wies Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin als „selbstverständlich unwahr“ zurück.
Der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hob zudem hervor, dass die Klärung und Konsequenzen aus dem Fall auf internationaler Ebene behandelt werden müssten, es sei kein bilaterales Problem zwischen Berlin und Moskau. Es gehe um einen „schweren Verstoß gegen den Einsatz von Chemiewaffen“. Darüber müsse mit den EU- und Nato-Partnern gesprochen werden.
Vorerst keine Sanktionen gegen Russland
Über mögliche Sanktionen gegen Russland wollte Nato-Generalsekretär Stoltenberg vorerst nicht spekulieren. Die Konsultationen zwischen den Verbündeten und auch mit anderen Organisationen gingen weiter, sagte er. Der Einsatz von Nervenkampfstoffen sei „eine eklatante Verletzung des internationalen Rechts“. Deshalb brauche es auch „eine internationale Antwort“.
125 EU-Abgeordnete forderten eine internationale Untersuchung unter Beteiligung der Vereinten Nationen und des Europarats. Sie seien „äußerst skeptisch, dass die russischen Behörden in der Lage und willens sind, den wahren Hintergrund dieses Verbrechens zu untersuchen“, schrieben die Parlamentarier an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Die EU hatte Russland bereits am Donnerstag mit Sanktionen gedroht und ebenfalls eine internationale Untersuchung gefordert.
Bei der Berliner Justiz ging ein Rechtshilfeersuchen der russischen Justiz zu dem Fall ein. Details dazu nannten die Berliner Justizbehörden nicht. In Deutschland wurde unterdessen weiter über einen Stopp der Arbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 als mögliche Sanktion gegen Russland debattiert. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach sich jedoch dagegen aus. Die Gas-Pipeline sei wichtig für die Energieversorgung Deutschlands wie ganz Europas, sagte er dem „Handelsblatt“. (dts/afp/sua)
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