Lügde-Prozess: Öffentlichkeit von Verlesung der Anklage ausgeschlossen
Zum Auftakt des Prozesses um den massenhaften Kindesmissbrauch im nordrhein-westfälischen Lügde hat das Landgericht Detmold am Donnerstag die Öffentlichkeit vorübergehend von der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Die Verlesung der Anklageschrift fand damit hinter verschlossenen Türen statt. Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda begründete den Ausschluss von Zuhörern und Medienvertretern mit dem schutzwürdigen Interesse der Opfer, deren Namen, Geburtsdatum und Wohnort in der Anklageschrift enthalten sind.
Das Gericht folgte damit einem Antrag von Opferanwälten. Nicht durchsetzen konnte sich vor Gericht der WDR mit dem Antrag, seine akkreditierten Berichterstatter vom Ausschluss der Öffentlichkeit auszunehmen. Diesem Antrag, dem sich im Verhandlungssaal alle akkreditierten Journalisten anschlossen, folgte das Gericht nicht.
Bei Vorliegen durchschlagender Gründe für einem Ausschluss der Öffentlichkeit stünden den Medien „grundsätzlich keine zusätzlichen Rechte“ zu, hieß es in einem von der Vorsitzenden Richterin verlesenen Kammerbeschluss. Nach Verlesung der Anklage sollte die Öffentlichkeit wiederhergestellt werden – unklar blieb jedoch zunächst für welchen Zeitraum.
Noch vor Verlesung der Anklageschrift richtete die Vorsitzende Richterin einige grundlegende Bemerkungen über das Lügder Missbrauchsverfahren an Prozessbeteiligte und Zuhörer. Die den drei Angeklagten vorgeworfenen Taten sei „zweifelsohne abscheulich“, sagte Grudda. Der lange Tatzeitraum von mehr als 20 Jahren und die große Zahl der mutmaßlichen Straftaten mache „fassungslos“.
Die Hauptverhandlung werde für alle Beteiligten eine „große Herausforderung“ sein, fügte die Richterin hinzu. Zugleich wandte sich Grudda gegen eine Vorverurteilung der Angeklagten, für die wie in jedem anderen Prozess bis auf weiteres die Unschuldsvermutung gelte. Die Detmolder Jugendschutzkammer werde das Verfahren unparteiisch und unvoreingenommen führen.
Behördenversagen nicht Thema des Prozesses
Grudda wies darauf hin, dass ein mögliches Behördenversagen im Fall des jahrelangen Kindesmissbrauchs von Lügde nicht Gegenstand des Strafprozesses gegen die drei Angeklagten sei. Auch die Frage, warum die mutmaßlichen Missbrauchstaten über einen solch langen Zeitraum unentdeckt blieben, sei nicht Thema des Prozesses.
In dem Verfahren angeklagt sind ein 56-Jähriger aus Lügde, ein 49-Jähriger aus dem niedersächsischen Stade und ein 34-Jähriger aus Steinheim im nordrhein-westfälischen Kreis Höxter. Beim Betreten des Gerichtssaales am ersten Verhandlungstag verbargen zwei der drei Angeklagten ihr Gesicht hinter Aktenordnern.
Allein dem 56-jährigen Ex-Dauercamper legt die Detmolder Staatsanwaltschaft 298 Straftaten zur Last, die er im Sommer 1998 und seit Anfang 2008 bis Ende 2018 an 23 Kindern begangen haben soll. Insgesamt sollen mehr als 40 Kinder seit 1998 auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde-Elbrinxen missbraucht worden sein. Die meisten Opfer waren zu den Tatzeiten zwischen drei und 14 Jahre alt.
In dem Prozess vor der Detmolder Jugendschutzkammer treten 27 Opfer als Nebenkläger auf. Für das Verfahren beraumte das Landgericht Detmold zunächst insgesamt zehn Verhandlungstage bis Ende August an.
Der Fall Lügde gilt als einer der größten Missbrauchsskandale der vergangen Jahrzehnte. Der jahrelange Kindesmissbrauch auf dem Campingplatz im Kreis Lippe war Ende Januar bekannt geworden. In der Folgezeit wurden eine ganze Reihe von Ermittlungspannen und Behördenfehler in dem Fall offenkundig. Unter anderem verschwand bei der Polizei Lippe Beweismaterial. Auch das Verhalten von Jugendämtern im Tatzeitraum wurde scharf kritisiert. (afp)
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