Linkspartei zürnt Lafontaine nach Teilnahme an Debatte mit Sarrazin
Dicke Luft in der Linkspartei: Mehrere Genossen fordern Konsequenzen gegen den 2005 aus der SPD ausgetretenen Ex-Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine, der auf dem Umweg über die „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ (WASG) zum Mitglied der Partei „Die Linke“ geworden war. Grund für den Unmut ist die Teilnahme Lafontaines an einem gemeinsamen Podiumsgespräch mit dem vor einigen Monaten aus der SPD ausgeschlossenen Ex-Bundesbankmanagers Thilo Sarrazin.
Richtige Analyse oder statistische Taschenspielertricks?
Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, hat die Podiumsdebatte am Montagabend (28.9.) in einem Münchner Nobelhotel stattgefunden. Auch der langjährige CSU-Kommunalpolitiker Peter Gauweiler war mit von der Partie, mit dem Lafontaine bereits in der Vergangenheit mehrere öffentliche Streitgespräche ausgetragen hatte.
Politiker der Grünen und der Linkspartei übten schon bald nach Bekanntwerden der Veranstaltung scharfe Kritik an Lafontaines Teilnahme. Sarrazin hatte mit seinem 2010 veröffentlichten Buch „Deutschland schafft sich ab“, in dem er vor allem eine aus seiner Sicht verfehlte Einwanderungs- und Integrationspolitik als Motor eines Niedergangs des Landes darstellte, einen millionenfachen Verkaufserfolg erzielt.
Kritiker warfen Sarrazin vor, auf der Grundlage willkürlich interpretierter Statistikdaten Einwanderergruppen als minderwertig abzustempeln und eugenisches Gedankengut zu kultivieren. Der Harvard-Absolvent und Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler veröffentlichte ein Jahr nach Sarrazins erstem Buch eine Gegenschrift, in der er diesem vorwarf, positive Entwicklungen in der türkischen und arabischen Einwanderercommunity bewusst zu verschweigen und dazu beizutragen, Deutschland für ausländische Talente unattraktiv zu machen.
Persona non grata für die Linke
Dass Sarrazin in weiteren Buchveröffentlichungen weitere scharfe Attacken vor allem gegen muslimische Einwanderer richtete, die aus Sicht seiner Gegner eine Qualifikation als „rassistisch“ rechtfertigten, veranlasste die SPD dazu, seinen Parteiausschluss anzustreben. Nach mehreren Anläufen hatte die Partei damit im Frühjahr dieses Jahres Erfolg. Bereits seit Jahren gilt der frühere Berliner Finanzsenator jedoch in weiten Teilen der politischen Linken als persona non grata, die man nicht durch Teilnahme an öffentlichen Debatten aufwerten solle.
Was die Teilnahme Lafontaines aus Sicht seiner Kritiker noch schlimmer macht, ist, dass die Debatte am Montag hauptsächlich das Thema „Migration“ zum Thema hatte – und der Linkspolitiker sich mit Sarrazin in vielen Bereichen einer Meinung zeigte.
So soll Lafontaine die Kosten für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge auf 5.000 Euro im Monat taxiert und hinzugefügt haben, dass dies einer „deutschen Sozialrentnerin kaum zu erklären“ wäre.
Quade: „Lafontaine hat in der Linkspartei nichts verloren“
Auch soll Lafontaine „die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte“ beklagt haben, die der Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland entstehe – während hier „Lohndruck im Niedriglohnbereich und steigende Mieten in den Aufnahmeländern“ hervorgerufen würden.
Anders als Sarrazin, der mehrfach eine angebliche „Bevölkerungsexplosion“ in Afrika und im Nahen Osten beklagte, wolle Lafontaine jedoch nicht nur eine Begrenzung der Zuwanderung, sondern auch Investitionen in die Lebensqualität und die Infrastruktur in den Herkunftsländern.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei warf Lafontaine auf Twitter vor: „So etwas macht man, wenn man Die Linke zerstören möchte.“ Lafontaine habe sich „zum Maskottchen gemacht“ für Sarrazins Promotion-Tour und dessen flüchtlingsfeindliche Aussagen. Die sachsen-anhaltische Linken-Landtagspolitikerin Henriette Quade, äußerte:
„Echt, es kotzt mich an. So viele stabile Genoss*innen machen tolle und wichtige Arbeit und bekommen von Lafontaine und Co. so oft in die Fresse. Wann hört das auf und wann ziehen wir hier endlich mal Konsequenzen? Der Typ hat in einer Linken nix verloren.“
„Mittelschichten profitieren, Ärmere leiden“
Lafontaine verteidigte die Teilnahme an dem Gespräch. Das „Neue Deutschland“ zitiert ihn mit den Worten: „Wo kommen wir denn hin, wenn wir nicht mehr mit Politikern diskutieren, die völlig konträre Auffassungen haben, solange sie keine Nazis sind?“
Er sei mit Sarrazin einer Meinung, wenn es um die Diagnose gehe, dass sowohl Herkunftsländer als auch Aufnahmeländer der Migration wegen Nachteile hätten. Er sei der Auffassung, dass die Mittelschichten zwar profitieren würden, die Ärmsten aber Nachteile hätten.
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