Lindner gegen härtere Regeln – „Viele haben Angst vor dem Verlust ihrer Existenz“
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat Rufe nach härteren Corona-Maßnahmen zurückgewiesen. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ, Donnerstagsausgabe) sagte der FDP-Politiker, ein harter Lockdown sei „nicht der Königsweg, sondern nur die letzte Möglichkeit, weil seine sozialen und wirtschaftlichen Kosten so hoch sind“. Er sehe viele Menschen, „die erneut Angst vor Vereinsamung, Schulschließung oder dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz haben.“
Es sei „das Ziel der gesamten Bundesregierung und des Krisenmanagements, das zu vermeiden“, bekräftigte der Finanzminister. Die neue Bundesregierung habe die Strategie gewählt, „die Kurve der Pandemie nicht durch einen Lockdown abzuflachen, sondern durch Boostern und nur gezielte Kontaktbeschränkungen“. Der Minister verwies auf „die erfolgreichste Booster-Kampagne in Europa“.
Um auf neue Corona-Varianten künftig schnell reagieren zu können, will der Minister die Impfinfrastruktur weiter verbessern. „Mittelfristig sollten wir die Fähigkeit aufbauen, bei Bedarf innerhalb eines Monats die gesamte Bevölkerung boostern zu können“, sagte Lindner der NOZ.
Er bekräftigte zudem, dass der Bundestag ohne Fraktionszwang über die Frage einer allgemeinen Impfpflicht abstimmen soll. „Die Diskussion zeigt, dass es jeweils Gründe für und gegen die allgemeine Impfpflicht gibt, die Respekt verdienen“, sagte er der Zeitung. Der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen wiege einerseits schwer. Andererseits kehrten bei einer geringen Impfquote die kollektiven Freiheitseinschränkungen in Wellen immer wieder. „In der FDP-Fraktion gibt es legitimerweise beide Positionen“, sagte Lindner der NOZ.
Am Mittwoch hatte der Deutsche Ethikrat eine Ausweitung der gesetzlichen Corona-Impfpflicht auf größere Teile der Bevölkerung empfohlen. Zuvor hatten Bund und Länder das Expertengremium um eine Stellungnahme gebeten. Bislang gibt es eine Corona-Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen etwa in der Pflege und im Gesundheitsbereich – Anfang 2022 soll der Bundestag aber über eine generelle Impfpflicht entscheiden.
Klingbeil: Ausschließen einer Impfpflicht war ein Fehler
Indes hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil das Ausschließen einer Impfpflicht zu Beginn der Corona-Impfkampagne als Fehler bezeichnet.
„Auch ich persönlich habe das getan“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er habe geglaubt, dass sich sehr viel mehr Menschen impfen lassen würden, als es bis heute tatsächlich der Fall sei. „Ich habe deshalb immer sehr überzeugt gesagt, es wird keine Impfpflicht kommen. Das war ein Fehler. Aber ich finde es wichtig, dass Politik auch dazulernen darf.“ Definitive Aussagen nützten niemandem etwas: „Das schafft nur Enttäuschung, wenn Luftschlösser zerplatzen.“
Klingbeil rief dazu auf, sich impfen und boostern zu lassen. Würde die Impfquote von derzeit 70 Prozent in Deutschland schlagartig auf 95 Prozent steigen, wäre die geplante Einführung einer Impfpflicht nicht nötig, sagte er. „Das sehe ich aktuell aber nicht.“ Er wolle nicht noch einmal einen solchen Winter erleben, „dass die Gesellschaft einen solch harten Rückschlag erlebt wie jetzt Weihnachten 2021“.
Klingbeil sagte, er wisse, wie schwer es falle, sich im zweiten Jahr der Pandemie wieder einzuschränken. „Aber die neue Omikron-Variante wird uns jetzt alle noch mal stark fordern.“ Auch Geimpfte müssten ihre Kontakte reduzieren – „das machen viele ja jetzt schon, auch wenn die neuen Regeln erst in ein paar Tagen gelten“.
Bund und Länder hatten am Dienstag Kontaktbeschränkungen auf zehn Personen bei privaten Treffen erst für den 28. Dezember beschlossen. Einzelne Bundesländer ziehen das bereits um einige Tage vor. (dpa/dts/oz/afp)
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