Leipzig: „Tag X“-Demo bleibt verboten – Krawalle in der Nacht zum Samstag
Nach der Verurteilung der Linksextremistin Lina E. und drei Mitangeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen hat es in Leipzig in der Nacht zum Samstag gewaltsame Proteste von Sympathisanten der Gruppe gegeben. Wie die Leipziger Polizei mitteilte, bewarfen Demonstranten auf der Straße und auf Hausdächern Polizisten mit Gegenständen, errichteten Barrikaden und steckten diese in Brand. Mehrere Polizisten seien verletzt worden, außerdem habe es mehrere Festnahmen gegeben.
Einer von der verletzten Beamten sei im Krankenhaus behandelt worden, teilte die Leipziger Polizei mit. Die anderen seien nur leicht verletzt worden und „dienstfähig“ geblieben.
Nach Angaben der Polizei wurde zudem ein Medienvertreter durch den Angriff eines Unbekannten leicht verletzt. Den Angaben zufolge hatte sich am Abend eine hohe dreistellige Zahl an Demonstranten in Leipzig versammelt. Nachdem sich die Menge gegen 22.25 Uhr in Gruppen aufgeteilt habe, seien Polizisten und Polizeiwagen mit Gegenständen beworfen worden.
Mehrere Einsatzfahrzeuge wurden den Angaben zufolge beschädigt. Die Beamten hätten wegen der Angriffe Reizgas eingesetzt. Im Stadtteil Connewitz seien danach Barrikaden aus Mülltonnen, Straßenschildern und Straßenabsperrungen errichtet und angezündet worden. Außerdem sei Pyrotechnik gezündet worden, teilte die Polizei weiter mit. Einige Menschen auf Hausdächern hätten die Polizeikräfte mit Gegenständen beworfen.
Die Feuerwehreinsätze zum Löschen der Barrikaden wurden von der Polizei abgesichert. Außerdem seien Wasserwerfer wegen der Brände zum Einsatz gekommen. Die Leipziger Polizei wurde bei den Einsätzen von der Bereitschaftspolizei Sachsen sowie von Polizisten aus anderen Bundesländern unterstützt.
Die Polizei leitete Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Sachbeschädigung sowie eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ein. Drei Tatverdächtige wurden wegen schweren Landfriedensbruchs vorläufig festgenommen.
„Tag-X“-Demo verboten
Die linke Szene hat für Samstag bundesweit für eine „Tag-X-Demo“ in Leipzig aufgerufen. Hintergrund ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden, das am Mittwoch mehrjährige Haftstrafen gegen die Linksextremistin Lina E. und drei Mitangeklagte wegen gewalttätiger Überfälle auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten verhängt hatte.
In einem von den Sicherheitsbehörden als linksextremistisch eingestuften Internetportal drohten autonome Gruppen für jedes Jahr Haft mit bundesweiten Sachschäden in Millionenhöhe. Die Polizei in Leipzig hatte sich daher bereits vor den Ausschreitungen in der Nacht auf einen Großeinsatz am Samstag vorbereitet.
Das Quartett um Lina E. war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden wegen Körperverletzung und Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Lina E., die seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft saß, kam nach der Urteilsverkündung vorläufig frei – zur Begründung verwies das Gericht auf eine Rheuma-Erkrankung der 28-Jährigen und eine Vorverurteilung infolge medialer Berichterstattung.
Eine am Samstag geplante linksautonome Demonstration bleibt verboten. Das Verwaltungsgericht in Leipzig wies am späten Freitagnachmittag einen Eilantrag gegen das Verbot durch die Stadt zurück. Beim sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen ging am Abend eine Beschwerde dagegen ein, die letztlich ebenfalls abgelehnt wurde.
Gefahrenprognose
Die Stadt Leipzig hatte die „Tag X“-Demo mit dem Motto „United we stand – Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ verboten, weil ein unfriedlicher Verlauf zu befürchten sei. Grundlage dafür waren Gefahrenprognosen der Polizei und Lageeinschätzungen des Verfassungsschutzes. In linken Kreisen war bundesweit mobilisiert worden. Laut Polizei gab es auch Gewaltandrohungen und Aufrufe zur Militanz.
Das Verwaltungsgericht erklärte, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung auszugehen. Insofern habe sich die Gefahrenprognose der Stadt als zutreffend erwiesen. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Mobilisierung im Internet einschließlich des Demonstrationsaufrufs auch an eine gewaltbereite autonome linksextremistische Szene gerichtet habe. Auch wenn es inzwischen eine Distanzierung von Gewaltaufrufen gegeben habe und zuletzt zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen worden sei, bleibe zu befürchten, dass aus der angemeldeten Versammlung heraus Gewalttaten begangen würden. Zudem erscheine die angemeldete Teilnehmerzahl von 400 bis 500 nicht ansatzweise realistisch. Es sei mit weitaus mehr Teilnehmern zu rechnen, so das Verwaltungsgericht.
Schon seit Freitag 18.00 Uhr galt in Leipzig ein sogenannter Kontrollbereich, der große Teile des Stadtgebiets im Osten, Süden und Westen umfasst. Dort kann die Polizei ohne besonderen Anlass Menschen anhalten und deren Personalien überprüfen. Auch der Anreiseverkehr auf den Straßen und am Hauptbahnhof solle kontrolliert werden, hatte die Polizei mitgeteilt. Die Polizeidirektion Leipzig wird eigenen Angaben zufolge von zahlreichen Hundertschaften samt Technik aus zwölf Bundesländern und von der Bundespolizei unterstützt.
Außer dem „Tag X“ stehen am Wochenende in Leipzig etliche andere Großveranstaltungen an. Es ist Stadtfest, Sänger Herbert Grönemeyer gibt ein Konzert vor Zehntausenden Besuchern und am Samstag spielen die Fußballclubs Lok Leipzig und der Chemnitzer FC um den Sachsenpokal. Eine Absage der Partie wurde erwogen, letztlich aber doch verworfen. (dpa/afp)
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