Lauterbachs „Revolution“ sorgt für Widerspruch bei Verbänden und Gewerkschaften
Die „Revolution“, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Sachen „Krankenhausreform“ Anfang der Woche vorstellte, hat statt Zufriedenheit für Widerspruch auf vielen Seiten gesorgt. Für sein Konzept kassierte der SPD-Politiker zum Teil massive Kritik.
Mit der Reform will der Minister Deutschlands Kliniken vor dem finanziellen Ruin retten. Gleichzeitig will er die Versorgung qualitativ verbessern. Krankenhäuser sollen seinen Plänen zufolge durch eine Abkehr vom System der Bezahlung je nach behandelten Fällen neu geregelt werden. Eine stärkere medizinische Spezialisierung sieht Lauterbach als Mittel, um die Qualität zu erhöhen.
Gesetz soll bereits im Januar 2024 in Kraft treten
Kleinere Kliniken sollten künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschten, meint Lauterbach. 60 Prozent der Kosten von Krankenhäusern müssten über Vorhaltepauschalen gedeckt werden. In den nächsten Wochen will der Gesundheitsminister einen konkreten Gesetzentwurf ausarbeiten lassen. Der sollte nach seinen Vorstellungen bereits zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Doch das Vorhaben könnte eine teure Angelegenheit werden, denn Gewerkschaften und Verbände fordern nun klare Zusagen. Und dazu gehören unter anderem Finanzspritzen für Kliniken. Eine „solche Transformation“ könne ohne erhebliche Investitionen nicht gelingen, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, der „Rheinischen Post“.
„Wer glaubt, man könne die vorhandenen Mittel einfach umverteilen und an wenigen Stellen Zuschläge gewähren und dann würde es schon passen, ist, gelinde gesagt, naiv“, fand sie deutliche Worte für Lauterbachs Pläne. So sei beispielsweise schon eine Zusammenlegung von Abteilungen nicht zum Nulltarif zu haben, wenn Umbauten nötig würden und Personal eingestellt werden müsse. Dies gelte erst recht für Fusionen.
Auch die Abwicklung eines Krankenhausstandortes setze eine Finanzierung voraus. Längere Wege zu einzelnen Krankenhäusern müssten dann die Rettungsdienste überbrücken, fügte Johna hinzu. Dabei fehle es den Diensten an technischer Ausstattung und Personal, kritisierte sie. Dieser Aspekt sei bisher völlig unberücksichtigt geblieben, betonte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft.
Konkrete finanzielle Zusagen fehlen
Aus Sicht des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) bleibt die Finanzwirkung der Eckpunkte unklar: „Der Bund hat keine konkreten finanziellen Zusagen gemacht und die Länder verpflichten sich weiterhin nicht, die Investitionskosten zu finanzieren. Dies darf nicht zu Lasten der Beitragszahlenden gehen“, zitiert der „Münchner Merkur“ Vorstandsmitglied Stefanie Stoff-Ahnis.
Viele Fragen sind für die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa noch unbeantwortet. So sei weiterhin unklar, ob die dezentrale Aus- und Weiterbildung des medizinischen und pflegerischen Fachpersonals in einer künftig neuen Krankenhauslandschaft genügend gesichert ist.
Es herrsche Verunsicherung unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um ihre wohnortnahen Arbeitsplätze. Die Caritas-Präsidentin fürchtet um den Verlust dringend benötigter Fachkräfte, die einfach abwandern könnten. Eine Reform „im Blindflug mit Insolvenzen von Häusern, die für die Versorgungssicherheit unbedingt gebraucht werden, darf sich Deutschland nicht leisten“, betont Welskop-Deffaa.
Holetschek fordert klare Aussagen von Lauterbach
Kritik an Lauterbachs Konzept kommt auch aus Bayern. Der dortige Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bezeichnete die Pläne als „unzureichend“. Eine Krankenhausreform sei zwar sehr wichtig, „aber der Bund war in zentralen Punkten nicht zum Einlenken bereit“. Er könne Lauterbach daher so nicht zustimmen.
Holetschek will weiterhin die Planungshoheit bei den Ländern sehen. Sie sollen demnach weiter gestalten können, welche Krankenhausversorgung „regional am sinnvollsten“ sei. In diesem Punkt seien die Aussagen des Bundes jedoch noch zu vage. Der CSU-Politiker forderte daher für die weiteren Beratungen, dass Lauterbach klar sagen müsse, was diese Reform bedeute.
Wären Lauterbachs Pläne in der ursprünglichen Fassung durchgegangen, hätte das zu einem „Beben“ in der Krankenhauslandschaft gesorgt. Davon ist Michael Decker überzeugt, der Leiter des Diakoniekrankenhauses in Freiburg. Der Entwurf des Bundesgesundheitsministers sah unter anderem vor, Kliniken in Stufen einzuteilen und damit deren Leistungen vorzuschreiben.
Decker: Mit Reform nicht alle Probleme gelöst
„Häuser des kleinsten Levels 1 wie wir, hätten nur noch bestimmte, wenige Dinge machen dürfen, Maximalversorger wären in Stufe 3 gelandet. Jetzt gibt es nur Leistungsgruppen, die aber nichts mit den Levels zu tun haben werden. Jedes Krankenhaus muss also die Voraussetzungen für die jeweiligen Leistungsgruppen erfüllen – und bekommt über die geplante Vorhaltefinanzierung Geld, auch unabhängig von tatsächlichen Fällen. Man darf das nicht in seiner Wirkung unterschätzen: Wir werden auch mit den Leistungsgruppen massive Verschiebungen in den Krankenhäusern erleben, bis hin zur Schließung einzelner Häuser“, sagte Decker in einem Interview mit dem Magazin „Spiegel“ (hinter Bezahlschranke).
Lauterbach tue so, als wäre mit der Reform alles gelöst. Doch sei das nicht richtig, wetterte der Klinikchef weiter. „Er kommt aber mit dieser Erzählweise durch. Sonst sagt er immer, er gehe so wissenschaftlich vor und könne nur dann was sagen, wenn er eine Studie dazu kenne. Nun soll ein Gesetz vieles umwerfen – wissenschaftliche Argumente aber fehlen total“, so Decker.
Der Minister wolle die Qualität der Krankenversorgung verbessern. In diesem Punkt sieht Decker „durchaus gute Ansätze, wonach nicht mehr jedes Krankenhaus alles machen soll, sondern die Leistungsgruppen darüber entscheiden, in denen bestimmte Fallarten eingeschlossen werden.“ Dazu seien Qualitätsvorgaben zu erfüllen, was grundsätzlich sinnvoll sei.
Weniger zuversichtlich gab sich Decker bezüglich Lauterbachs Ankündigung, zu entbürokratisieren: „Dazu kann ich so gar keine Ansätze erkennen, im Gegenteil wird stattdessen ein neues Bürokratiemonster erschaffen“, fürchtet Decker. „Vermutlich werden wir zusätzliches Personal benötigen, um den neu entstehenden bürokratischen Aufwand bearbeiten zu können. Der dritte und für mich entscheidende Punkt ist das Versprechen, dass die Medizin durch das Gesetz entökonomisiert werden soll. Davon sieht man aber gar nichts. Die wirtschaftliche Ausgangslage der Krankenhäuser ist dramatisch schlecht. Und durch die Reform allein wird sich daran nichts ändern“, ist der Klinikleiter überzeugt.
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