Lauterbach und Drosten warnen vor zu früher Durchseuchung
Der Virologe Christian Drosten warnt angesichts der sich rasch verbreitenden Omikron-Variante des Coronavirus vor einer zu frühen Durchseuchung in Deutschland.
Die Virusvariante sei zwar nach derzeitigem Kenntnisstand milder im Verlauf, weil es aber zu viele Fälle seien, werde dieser Gewinn „wieder ausgelöscht“, sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité am Freitag in Berlin. Der Virologe sprach von mehreren „schwierigen Doppelbotschaften“ in der derzeitigen Diskussion. Vieles werde missverstanden.
„Das Virus muss irgendwann laufen“
Drosten erwartet, dass der Sommer in Deutschland relativ entspannt wird. „Wir werden natürlich wieder ein ganz offenes gesellschaftliches Leben haben können“, sagte er. Dass die Verbreitung des Virus mit steigenden Temperaturen nachlasse, darauf könne man sich „verlassen“. Die spannende Frage sei, wie es dann im Winter weitergehe.
Er ging davon aus, dass die endemische Lage bis Jahresende weitgehend erreicht sei. Er stellte aber auch in Aussicht, dass gegen die Omikron-Variante wahrscheinlich noch einmal bei der Impfung nachgesteuert werden müsse.
„Es wird eine angepasste Impfung geben müssen, und wir werden möglicherweise dann ab dem zweiten Quartal große Teile der Bevölkerung, vielleicht sogar alle, noch einmal mit einer Update-Impfung gegen Omikron versehen müssen,“ so der Virologe.
Allerdings werde man die gesamte Bevölkerung „nicht auf Dauer“ regelmäßig nachimpfen, erklärte Dorsten. Das Virus selbst müsse die Immunität der Bevölkerung immer wieder „updaten“ und irgendwann „laufen“.
„Wir wissen aber im Moment nicht, ob wir uns das in Deutschland leisten können angesichts der Impflücken“, warnte Drosten. „Da sind wir ein bisschen im Blindflug.“
Lauterbach: Welle verlangsamen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht derzeit „keinen Grund zur Entwarnung“ und rechnet mit noch stärker steigenden Corona-Infektionszahlen. Für zusätzliche Verschärfungen sieht Lauterbach jedoch vorerst keinen Anlass.
Aus seiner Sicht sei zur jetzigen Zeit „das richtige Maßnahmenpaket am Platz“, sagte er. Sollten die Fallzahlen aber noch deutlich steigen und eine Überlastung der medizinischen Versorgung zu erwarten sein, müsse auch mit anderen Maßnahmen gegengesteuert werden. „An dem Punkt sind wir nicht.“
Er warne zugleich vor der Idee, dass „wir in Deutschland eine Durchseuchung akzeptieren können“. „Die Zahl der Opfer, die wir dann beklagen müssten, ist ungewiss, ist sicherlich zu hoch“, sagte Lauterbach. „Wir kommen jetzt in ein schwieriges Fahrwasser,“ fügte der Minister hinzu. Es werde notwendig sein, viele infizierte Menschen zu versorgen. Viele Krankenhäuser und Labore würden an die Belastungsgrenze kommen.
Die Strategie sei, die Omikron-Welle zu verlangsamen und zu strecken und in dieser Zeit so viele Menschen wie möglich mit Auffrischimpfungen zu boostern, sagte der SPD-Politiker in einer Pressekonferenz.
Wieler: „Neue Phase der Pandemie“
Nach Einschätzung des Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, tritt Deutschland in eine „neue Phase der Pandemie“ ein. „Die reinen Fallzahlen werden weniger entscheidend sein. Wichtiger ist, wie viele Menschen schwer an Covid-19 erkranken und wie stark das Gesundheitssystem dann belastet sein wird“, sagte Wieler.
Wieler rief die Bevölkerung erneut dazu auf, sich impfen und boostern zu lassen. „Impfungen verhindern nicht unbedingt eine Ansteckung, das ist wahr,“ räumte Wieler ein. Sie würden aber „vor einem schweren Verlauf“ schützen. (dpa/afp/dl)
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