Lauterbach nimmt Frankreich als Vorbild beim Hitzeschutz
Um Deutschland gegen potenziell tödliche Hitzewellen zu wappnen, will Gesundheitsminister Karl Lauterbach einen Schutzplan erarbeiten. Der Blick des SPD-Politikers fällt dabei auf den Nachbarn Frankreich, wo es einen solchen Hitzeschutzplan schon seit knapp zwanzig Jahren gibt. Worauf zielt Lauterbach ab, wie genau funktioniert das französische Konzept und was hat es gebracht?
Deutscher Hitzeschutzplan in Kürze erwartet
Schon Ende Juni hat Lauterbach mit der Pflegebranche, Ärzteschaft, Gemeinden und Experten über seinen geplanten Hitzeschutzplan beraten, der in Kürze erwartet wird. Als erstes Angebot ist ein Portal online gegangen, bei dem sich Gemeinden informieren könnten. Lauterbach warnt, dass schon jetzt Jahr Tausende Menschen an Hitze sterben – nicht nur ältere Menschen, sondern etwa auch Schwangere, chronisch Kranke und Obdachlose. Menschen könnten gerettet werden, wenn es einen Hitzeschutzplan etwa nach französischem Vorbild gäbe, so Lauterbach. Im vergangenen Sommer, dem bisher heißesten in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen, waren in Europa mehr als 60.000 Menschen hitzebedingt gestorben.
Im Blick hat der Gesundheitsminister unter anderem gezielte Warnungen vor Hitzewellen. Lauterbach betonte: „Da geht es nicht um Verbote, sondern es geht darum, den Einzelnen zu schützen.“ Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, die Folgen der „Klimakrise“ seien in Deutschland und Europa angekommen. Wichtiger würden auch die Trinkwasserversorgung und eine Abkühlung der Städte durch mehr Grün und mehr Schatten. Kürzlich schlug sie auch vor, lieber in Badeseen zu baden, statt den heimischen Pool zu nutzen, um Wasser zu sparen.
Schutzplan kam in Frankreich nach Hitzesommer 2003
Im August 2003 litt Frankreich unter einer heftigen Hitzewelle, der viele Menschen zum Opfer fielen. Die Übersterblichkeit lag Behördenangaben zufolge für die ersten drei Augustwochen bei knapp 15.000 Menschen. Damit sich das nicht wiederholt, wurde der Hitzeplan erarbeitet, der später durch einen Notfallplan gegen Hitzewellen ersetzt wurde.
Vier Warnstufen bei Hitze
Jährlich wird zum Juni und bis Mitte September das Hitze- und Gesundheitswarnsystem hochgefahren. Das System wird von der Gesundheitsbehörde Santé Publique und dem staatlichen Wetterdienst Météo France gesteuert und hat vier Warnstufen. Die erste Warnstufe ist eine Art Grundstufe, die über den Sommer hinweg gilt. Sie besagt, dass bio-meteorologische Daten gesammelt und ausgewertet werden. Weil Korsika etwa mehr Hitze gewöhnt ist als die Bretagne, gelten örtlich unterschiedliche Grenzwerte für die Warnstufen. Die Warnungen sind online einsehbar und werden morgens und nachmittags aktualisiert.
Die zweite Warnstufe ist eine Art Zwischenstufe. Hier werden örtliche Grenztemperaturen entweder kurzzeitig überschritten oder die Temperatur ist zwar bereits über einen längeren Zeitraum hinweg hoch, liegt aber noch unter den Grenzwerten. Betroffene Gebiete werden auf der Warnkarte gelb dargestellt, Akteure werden mobilisiert und die Herausgabe von Tipps an die Bevölkerung verstärkt.
Wenn die örtlichen Grenzwerte drei Tage und Nächte in Folge erreicht sind, lösen die zuständigen Präfekten die dritte Warnstufe aus. Neben älteren Menschen, Kleinkindern und Behinderten gelten dann auch all diejenigen als gefährdet, die der Hitze besonders ausgesetzt sind, etwa weil sie obdachlos sind oder in der Sonne arbeiten. Welche Schutzmaßnahmen konkret greifen, ist von Ort zu Ort unterschiedlich.
Telefonhotline bei Hitzewelle
Die höchste Warnstufe, extreme Hitze, gilt dann, wenn die gesamte Bevölkerung in einem Gebiet als gefährdet angesehen wird, etwa weil die Hitze besonders lange andauert, besonders stark ist oder auf einer besonders großen Fläche herrscht. Die Stufe wird nur gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium ausgerufen. Gemeinden sollen dann etwa durch freien Eintritt oder längere Öffnungszeiten den Zugang zu Schwimmbädern und Stränden erleichtern, Wasser verteilen oder den Sportunterricht an Schulen streichen. Sportveranstaltungen können abgesagt und Schulen geschlossen werden.
Sobald es eine erste Hitzewelle in Frankreich gibt, geht auch eine Telefonhotline an den Start. Menschen können hier tagsüber kostenlos ihre Fragen stellen und sich Gesundheitstipps für besonders heiße Tage holen. Außerdem klären die Behörden mit Plakaten und Sharepics über gutes Verhalten bei Hitze auf.
Register für Risikogruppen
Alte Menschen und Behinderte, die zu Hause leben, können sich in ein kommunales Register eintragen lassen, um bei Hitzewellen unterstützt zu werden. Wer auf der Liste steht, wird während einer Hitzewarnung regelmäßig von den örtlichen Behörden kontaktiert, an Tipps erinnert, um nicht zu dehydrieren, und bekommt, wo nötig, Hilfe angeboten. Sollte jemand aus dem Register nicht ans Telefon gehen und die Behörden sich Sorgen machen, können sie auch die Polizei vorbeischicken, um nach den Menschen zu sehen.
Während bei der schweren Hitzewelle 2003 etwa 15.000 Menschen in Frankreich hitzebedingt starben, waren die folgenden Hitzewellen dort laut Gesundheitsministerium weniger tödlich. Demnach lag die Übersterblichkeit bei der Hitzewelle 2006 bei 2.100 Menschen, 2015 bei etwa 1.700 Menschen und bei den drei Hitzewellen 2020 insgesamt bei circa 1.900 Menschen. Im vergangenen Sommer, dem bisher heißesten Sommer in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen, starben laut einem Bericht eines Forschungsteam im Fachmagazin „Nature Medicine“ hitzebedingt etwa 4.800 Menschen in Frankreich. (dpa/er)
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