Kerstin Bär ist Landwirtin aus Oberfranken und führt einen Familienbetrieb mit Milchvieh, Ackerbau und Grünland. Sie gehört zu dem harten Kern, der in Berlin gegen die Insektenschutzverordnung demonstriert. „Bei uns in der Gegend weiß ich von einigen Fällen, in der Landwirte in den letzten Jahren Suizid begingen. Sie haben keinen Ausweg mehr gesehen, da ihre Höfe den Bach runtergingen“, sagte sie in einem Interview mit Rebecca Sommer. Sie ärgert sich über die Verordnungen der Politiker, die den Bauern nach und nach die Lebensgrundlage nehmen, will aber den Glauben an die Menschheit nicht aufgeben. Ein Interview von Rebecca Sommer.
Rebecca Sommer: Kerstin, warum bist du hier in Berlin bei der Bauerndemonstration?
Kerstin Bär: Ich bin hier, weil ich mir den Text des Gesetzentwurfes zum Aktionsprogramm Insektenschutz durchgelesen habe und es mich sauer macht. Das Aktionsprogramm spuckt uns Landwirten in vielen Bereichen so richtig in die Suppe. Es greift in unser Eigentumsrecht ein, in unsere Rechte im Allgemeinen und spricht uns zudem unsere berufliche Fachkompetenz ab.
Ich bin selber im Prüfungsausschuss für die Lehrlingsprüfung bei uns in Bayern. Seit einigen Jahren nehme ich ehrenamtlich Prüfungen für die Landwirte ab und ich sehe, was sie alles können müssen. Sie haben Fachwissen in Biologie und Chemie, sie müssen mit dem Wetter und mit dem Boden klarkommen. Sie wissen alles im Detail – angefangen von den ganzen Nährstoffen, dem Stoffwechsel, dem Kreislauf einer Kuh und eines Schweines, aber auch zum Thema Pflanzenschutz und Düngung.
Die Landwirte müssen alles exakt ausrechnen, bevor sie sich auf den Schlepper setzen und daran denken können, einen Düngersteuer, eine Sähmaschine oder ein Güllefass anzuhängen. Deswegen ärgert es mich, dass Politiker, die keine Fachkenntnisse haben und mitunter noch nicht einmal eine abgeschlosse Berufsausbildung oder ein Studium, uns dann erklären wollen, wie wir unseren Beruf auszuführen haben. Jeder Landwirt ist hoch ausgebildet – von einer Grundausbildung bis hin zur Meisterausbildung. So geht das einfach nicht.
Ich bin nach Berlin zur Bauerndemo gefahren, um die Sache zu unterstützen und die Mahnwache am Laufen zu halten. Ich gehöre mittlerweile zum harten Kern, ich bin schon eine ganze Weile hier vor Ort.
Sommer: Du hast ja jetzt mit sehr vielen Landwirten geredet, sehr viele Einzelschicksale erklärt bekommen. Kannst du mir bitte eine Zusammenfassung geben? Ich bin schon oft hier bei der Bauerndemo gewesen und habe auch Familienbetriebe besucht. Ich bin dermaßen erschüttert, was ich mitbekommen habe, wie die Bauern kämpfen, wie hart sie arbeiten, sehr früh aufstehen, teilweise bis nachts durcharbeiten, um abends wirklich nur noch ins Bett zu fallen.
Bär: Das ist tatsächlich so. Bei uns in der Gegend weiß ich von einigen Fällen, in der Landwirte in den letzten Jahren Suizid begingen. Sie haben keinen Ausweg mehr gesehen, da ihre Höfe den Bach runtergingen. Viele Familienväter hängen sich auf. Das ist eine erschreckende Entwicklung. Ganz viele Krankheiten in der Landwirtschaft sind mittlerweile psychischer Natur. Man kann es nicht als Burnout bezeichnen, denn es geht darüber hinaus.
Während Büroangestellte sich eine Auszeit nehmen, arbeiten die Landwirte immer weiter. Sie lassen sich nicht unterkriegen und arbeiten bis sie auf dem Zahnfleisch gehen. Sie beißen sich durch, selbst, wenn der Betrieb nur noch Eigenkapital verschlingt. Viele Bauern arbeiten bis zum Umfallen. Sie machen das aber nicht, weil sie Geld damit verdienen, sondern weil es ihre Passion ist, weil sie für den Beruf brennen und nichts anderes machen wollen.
Sie wollen vorallem den Hof für die nächste Generation sichern. Wenn sie dann sehen, dass ihnen immer mehr Rechte genommen werden, ist gerade da die psychische Belastung in der Landwirtschaft wirklich massiv. Die Eltern einer unserer aktivsten Landwirte, die hier auch super mitorganisieren und sich einbringen, haben einen Hof mit 130 Hektar. Sie liegen mit fast der kompletten Betriebsfläche, mit 80 bis 90 Prozent im FFH-Gebiet.
Sommer: Kannst du kurz erklären, was FFH-Gebiet bedeutet?
Bär: Das sind Flora-, Fauna- und Habitatgebiete, in denen kein Pflanzenschutz betrieben werden darf. Die EU fordert, dass diese Gebiete jetzt noch ausgeweitet werden müssen. Wir haben schon viele davon in Deutschland und meiner Meinung nach reichen diese FFH-Gebiete völlig aus. Wir Landwirte haben unsere Klimaziele ganz gut erreicht. Die Abgas- und Emissionswerte waren gar nicht so schlecht. Umweltschutz können wir anscheinend doch.
Wenn deine Betriebsflächen, deine Äcker, mitten in diesen FFH-Gebieten liegen, dann darfst du, wie Umweltministerin Schulze das mit einem Gesetz verabschieden will, keinen Pflanzenschutz mehr betreiben. Wenn du zum Beispiel einen Kartoffelacker hast, darfst du dem Kartoffelkäfer nicht mehr mit einem entsprechend auf den Kartoffelkäfer ausgelegten Insektizid Einhalt gebieten. Du musst dabei zugucken, wie der Käfer die Blätter von den Kartoffeln wegfrisst.
Folglich kann die Kartoffel keine Nährstoffe mehr aufnehmen, keine Fotosynthese mehr betreiben und nichts mehr in ihre Speicherwurzeln stecken. Das sind aber Kartoffeln, die wir essen. Das ist unsere Nahrung. Eines unserer Grundnahrungsmittel, die die Landwirtschaft produziert. Somit wird in all diesen FFH-Gebieten plötzlich eine sinnvolle Ernährungsproduktion einfach mal so ausgeschaltet. Das ist aber nicht effektiv.
Dasselbe passiert mit dem Backweizen. Bei uns in der Gegend wird viel Braugerste angebaut. Bei der Braugerste darf sich aber kein Schimmel ansetzen, sonst fäult es beim Mälzprozess, das darf nicht sein. Ich muss also den Schimmel aus dem Bestand raushalten können und dazu brauche ich ein Fungizid.
Das Fungizid macht keinen Käfer kaputt, es macht kein Häschen kaputt, sondern macht einfach nur den Schimmel weg. Das ist ein Pflanzenschutzmittel, so wie ein Medikament beim Menschen. Wenn jemand einen Migräneschub hat, nimmt er zur Linderung eine Kopfschmerztablette. Medikamente sind ja auch nicht schlecht, nur bei falscher Dosierung oder bei falscher Anwendung. Genauso ist es ja mit Pflanzenschutzmitteln auch.
Wenn wir in diesen FFH-Gebieten nicht mehr in der Lage sind, unsere Nutzpflanzen von Schädlingen wie Pilzen zu befreien, lohnt sich die Produktion der Nahrungsmittel in diesen FFH-Gebieten nicht mehr. Wir reden von ganz vielen landwirtschaftlichen Betrieben, die dann den Bach runtergehen. Mein Kollege, der mit 80 bis 90 Prozent seiner Fläche im FFH-Gebiet liegt, sagt, wenn das Gesetz durchgeht, braucht er nicht mehr nach Hause zu fahren. Dann bleibt er auf der Straße und hat keine berufliche Zukunft mehr, den Betrieb seiner Eltern, der über Generationen aufgebaut wurde, zu behalten.
Das hat mich sehr erschreckt. Es gibt also Ecken in Deutschland, die dieses Gesetz viel härter trifft als uns in Bayern. Bei uns in Bayern liegen die FFH-Gebiete ab und zu mal an einem Flussufer entlang. Wenn du Pech hast, ist da mal ein Acker drinnen, aber in der Regel sind das bei uns Grünflächen, also Wiesen. Bei denen brauchst du sowieso nicht so oft einen Pflanzenschutz.
Bei Grünflächen musst Du Einzelpflanzenschutz betreiben. Wenn Du zum Beispiel Heu machst für Pferde, musst du das Johanniskraut, oder die Herbstzeitlosen entfernen. Wenn da Herbstzeitlose im Heu sind, dann ist das toxisch. Das wollen nicht einmal die Biogasanlagen nehmen.
Sommer: Das ist eine Form der Enteignung. Immerhin gehört diese Fläche jemandem, sie wird genutzt und gebraucht. Dementsprechend ist es natürlich ein Problem, wenn die Fläche mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen wie die Düngeverordnung oder wie jetzt das Insektenschutzgesetz oder die Pflanzenschutzmittelanwendungs-Verordnung immer weiter reduziert wird. Auf diese Art und Weise findet eigentlich immer mehr eine Erwürgung in Form von Verordnungen statt.
Bär: Jedes Pflanzenschutzmittel, jeder Dünger, ob organisch oder mineralisch, und jeder Bereich in der Landwirtschaft ist durch eine eigene Verordnung, die im Laufe der letzten 40 Jahre immer weiter verschärft wurden, schon mal per se reglementiert. Jetzt soll mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz im Naturschutz etwas verankert werden.
Das greift in die Düngeverordnung und somit in die Pflanzenschutzmittelanwendung ein - und somit in die Eigentumsrechte der Landwirte. Ihnen gehört schließlich dieser Boden, den haben sie sich erarbeitet. Boden kostet auch Geld.
Man muss erstmal das Recht erwerben, einen Boden bearbeiten zu dürfen. Du darfst nicht einfach einen Wald roden und zum Acker machen. Rodung und Kahlschlag sind verboten. Das musst du extra beantragen. Auch der Waldbau ist reglementiert. Es gibt Regeln, Verordnungen und alles wird kontrolliert. Es gibt eine Last an Verordnungen und Gesetzen, die einen förmlich erdrücken. Zudem ist jede Ecke in Deutschland anders. Überall gibt es individuelle landwirtschaftliche Strukturen.
Wir haben in Oberfranken viel kleinere Strukturen als zum Beispiel in der Magdeburger Börde. In Brandenburg haben sie von Haus aus größere Felder und andere Böden, teilweise sehr hochwertige Böden. Svenja Schulze aus dem Bundesumweltministerium will aber eine Verordnung auf die Landwirtschaft in ganz Deutschland anwenden. Das funktioniert nicht. Jede Gegend ist anders. Deswegen bin ich dafür, wie es heute Anthony Lee schon gesagt hat, dass wir eine länderinterne Regelung finden müssen. Jedes Bundesland muss für sich eine gute Lösung finden.
Wir haben in Bayern seit langer Zeit unser Kulturlandschaftsprogramm, das recht gut funktioniert. Wir hatten vor zwei Jahren unser Volksbegehren, das unter dem Titel „Rettet die Bienen“ sehr großen Anklang und sehr große Sympathie bei der Bevölkerung fand. Aber, dass die Biene gerettet wird, das hat sich leider nicht bestätigt. Es war von vornherein klar, dass die Biene gar nicht gerettet werden muss. Wir haben bei uns so viele Imker wie noch nie.
Wir haben jetzt auch Gewässerrandstreifenbestimmungen. Man muss zehn Meter Abstand von Gewässern halten. Bei uns in der Gegend sind Gewässer Bäche, das ist ja kein Problem. Man hat einen Randstreifen am Bach entlang, wo man sowieso nichts bewirtschaften kann. Aber auf einem flachen Land ist es anders.
Ich habe mich mit Bauern aus der Wesermarsch unterhalten und mir über Google Maps angeschaut, wie die landwirtschaftlichen Flächen da oben gestaltet sind. Es gibt dort tatsächlich Felder, die 30 Meter breit und dafür 300 Meter lang sind. Da sollen die Landwirte jetzt von jedem Entwässerungsgraben zehn Meter Abstand halten? Da bleibt nicht mal mehr ein Drittel von der Fläche übrig, die noch sinnvoll bewirtschaftet werden kann, weil man vorne und hinten ebenfalls noch einen Abstand einhalten muss.
Sommer: Und die Fläche ist auch schwierig zu bearbeiten, weil man ja auch immer wieder die Gräben ziehen muss. Das ist auch nicht so wie bei euch oben.
Bär: Man muss diese Gräben pflegen und da ran können. Unsere Agrartechnik und unsere Firmen haben im Pflanzenschutzbereich viel geleistet und eine neue Ausbringtechnik entwickelt. Mit Düsen werden die mit Wasser verdünnten Pflanzenschutzmittel grobtröpfig auf die Fläche aufgebracht. So verhindert man, dass der Sprühnebel wegweht oder auf eine Nachbarfläche abdriftet.
Die Düsen können die Mittel auf den Zentimeter genau ausbringen, so dass nichts in den Bach geschwemmt wird. Zudem gibt die Reglementierung, dass man nur bei maximal soundsoviel Stundenkilometer pro Sekunde Windgeschwindigkeit überhaupt noch ausbringen (spritzen) darf. Es muss nichts Neues erfunden werden. Unsere Umweltministerin Schulze tut aber so, als ob sie das Rad neu erfinden würde.
Bei der Düngung gibt es gute und zuverlässige Randstreueinrichtungen und Ausbringtechniken, mit denen man echt gut dosieren kann. Auch die Gülletechnik ist mittlerweile so reglementiert, dass nichts mehr in die Luft gesprüht wird. Die Gülle läuft durch den Schlauch direkt auf den Boden. So kann sie nicht mehr aus Versehen irgendwo in einen Bach reinlaufen.
Sommer: Bei all dieser neuen Technik, diesen neuen Gesetzen und neuen Regelungen, die schon geregelt sind und dann nochmal geregelt und nochmal geregelt werden ... Was ist denn deiner Meinung nach eigentlich das Ziel von der Politik? Das hat ja etwas mit der EU zu tun, es hat etwas mit Deutschland zu tun. Meinst du, wissen sie, was sie tun oder haben sie keine Ahnung?
Bär: Ich glaube tatsächlich, dass sie wohl mitunter einfach nicht wissen, was sie tun.
Sommer: Aber ihr habt sie doch schon ohne Ende aufgeklärt. Eure Delegation geht doch täglich, wöchentlich, regional bis hin zum Bundestag. Es wird mit allen Parteien gesprochen. Die Düngeverordnung zum Beispiel wurde nun wirklich diskutiert. Jeder Fachausschuss wusste Bescheid. Studien von Experten wurden eingereicht und trotzdem wurde die Düngeverordnung von der Politik durchgedrückt. Meine Frage ist, wenn die doch schon alle so gut informiert sind, warum wird es dann trotzdem durchgedrückt?
Bär: Sie lassen sich vielleicht zu sehr von finanzstarken und mitgliederstarken Naturschutzverbänden beeinflussen. Von Leuten, die am liebsten nur noch Blümchenwiese und Naturschutz haben möchten. Selbst fahren sie aber mit dem Elektrofahrzeug, das keine Emissionen mehr haben soll. Am anderen Ende der Welt werden dafür Menschen, Familien und ganze Landstriche zerstört, weil die Elektroautos nicht mit Luft und Liebe fahren, sondern seltene Erden in ihren Batterien brauchen.
Die Politiker hängen zu sehr an diesen ganzen Ideologien und Wunschvorstellungen, als dass sie sich mal um die richtige Realität draußen bemühen. Sie könnten mal auf die Höfe rausgehen, um nachzuschauen, wie gewirtschaftet wird. Es hat mit der Fachpraxis da draußen nichts zu tun.
Dadurch, dass die Politiker so weit weg sind, gibt es überhaupt erst die Möglichkeit, dass diese Ideologien greifen und sie sich davon beeinflussen lassen. Deswegen denke ich, sie wissen wohl einfach nicht, was sie tun.
Ob sie ein höheres Ziel verfolgen, weiß ich nicht. Ich glaube es nicht, weil ich immer noch die Hoffnung habe, dass unsere Politiker, gewählte Volksvertreter, vielleicht im Grunde ihres Herzens doch gute Menschen sind. Ich bin einfach nicht bereit, den Glauben an die Menschheit aufzugeben.
Zur Autorin: Rebecca Sommer ist eine internationale, seit 2012 in Berlin sesshafte, deutsche Menschen- und Völkerrechtsadvokatin. Bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland 2012 engagierte sie sich mit ihrem speziellen beratenden ECOSOC-Status sowohl bei den Vereinten Nationen im New Yorker UN-Hauptquartier in Genf und weltweit für Menschenrechte mit speziellem Fokus auf Indigene Völker und Völkerrecht.
(Die redaktionelle Bearbeitung erfolgte von aa)
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