Krisenrunde im Kanzleramt beendet: Entscheidung auf Dienstag vertagt – SPD, FDP und Linke fordern Entlassung von Maaßen

Die neue große Krise der Koalition: Soll Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nun zurücktreten (müssen)? Die Standpunkte der Parteien.
Epoch Times13. September 2018

+++ Update 18:45 Uhr +++

Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD haben eine Entscheidung den Verbleib von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen auf kommenden Dienstag vertagt.

Das teilte das Bundesinnenministerium nach einem Krisentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles sowie CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer am Donnerstag  mit.

Es sei „ein gutes, ernsthaftes Gespräch mit dem Ziel weiterer Zusammenarbeit“ geführt worden, erklärte ein Ministeriumssprecher.

+++ Update 17:30 Uhr +++

Die Parteichefs der großen Koalition haben ihr Krisentreffen wegen des Streits um den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, beendet. SPD-Chefin Andrea Nahles und der CSU-Chef, Bundesinnenminister Horst Seehofer, verließen nach etwa eineinhalb Stunden das Bundeskanzleramt.

Ergebnisse der Beratung mit Kanzlerin Angela Merkel wurden zunächst nicht bekannt.

Hintergrund:

Im Streit um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat sich die große Koalition in eine neue Krise bugsiert. Für Donnerstagnachmittag (15.30 Uhr) wurde ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chefin Andrea Nahles und CSU-Chef Horst Seehofer angesetzt.

Seehofer steht zu Maaßen, SPD fordert Rücktritt

Seehofer hatte zuvor in seiner Funktion als Bundesinnenminister dem Chef des Inlandsgeheimdienstes das Vertrauen ausgesprochen.

Die SPD-Spitze forderte daraufhin von Merkel Maaßens Ablösung. „Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Berlin. Auslöser waren Maaßens Aussagen im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Chemnitz.

Damit droht direkt nach Ende der Sommerpause die nächste Zerreißprobe für die erst ein halbes Jahr amtierende große Koalition.

FDP fordert sofortige Entlassung

Die FDP im Bundestag verlangt, dass Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen seinen Posten räumt. Maaßen sei gegenüber der AfD nicht neutral sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, am Donnerstag in Berlin.

„Und deswegen muss der Bundesminister des Innern, Horst Seehofer, Hans-Georg Maaßen sofort entlassen.“ Nach Maaßens Auftritt im Innenausschuss am Vorabend hatte er noch gesagt, Seehofer müsse selbst entscheiden, ob Maaßen noch haltbar sei.

Nun erklärte er, eine Entlassung solle nicht allein wegen Maaßens umstrittener Äußerungen zu den Ereignissen in Chemnitz geschehen, „sondern auf der Grundlage einer Gesamtschau der Ereignisse der letzten Wochen und Monate“. Nun sei aber auch bekannt geworden, dass Maaßen vertrauliche Informationen an die AfD-Fraktion gegeben haben solle. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, Konsequenzen zu ziehen“, sagte Kuhle.

Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte berichtet, Maaßen habe dem AfD-Politiker Stephan Brandner, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags, Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 vor der Veröffentlichung weitergeben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz dementierte die Darstellung. Es seien keine Informationen oder Unterlagen ohne rechtliche Grundlage weitergegeben worden. (dpa)

Nahles: Keine klaren Belege geliefert

SPD-Chefin Nahles sagte kurzfristig einen Presseauftritt beim SPD-Wirtschaftsforum ab. Sie hatte am Montag von Maaßen klare Belege für seine Aussagen zu Chemnitz eingefordert: „Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann ist er in seinem Amt nicht länger tragbar.“

Maaßen hatte der „Bild“-Zeitung gesagt, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ darüber vor, dass in Chemnitz Hetzjagden stattgefunden hätten. Zu einem Video, das angeblich Jagdszenen auf Ausländer zeigen soll, sagte Maaßen: „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Es sprächen „gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.

Nach Angaben von Teilnehmern einer Sitzung des Bundetags-Innenausschusses gab er dort zu verstehen, dass er sich falsch verstanden fühle, die eine oder andere Wendung „heute anders formulieren“ und „vielleicht auch weglassen“ würde. An seiner Kritik an den Medien habe er jedoch festgehalten. Man solle „Hetzjagden nicht herbeischreiben“.

Seehofer sprach Maaßen danach sein Vertrauen aus.

Maaßen ließ am Donnerstag neue Vorhaltungen zurückweisen, er habe unrechtmäßig Informationen oder Unterlagen an einen AfD-Bundestagsabgeordneten weitergegeben. „Das ist selbstverständlich nicht der Fall“, teilte ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz mit. Inhalt der auf ausdrücklichen Wunsch des Innenministeriums geführten Gespräche mit Abgeordneten aller Bundestagsparteien sei regelmäßig die Information über die aktuelle Sicherheitslage etwa im Bereich des islamistischen Terrorismus. Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte berichtet, Maaßen habe dem AfD-Politiker Stephan Brandner Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 vor der Veröffentlichung weitergegeben.

Chef der Jungen Union kritisiert die SPD

Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, kritisierte den Ruf der SPD nach einem Rauswurf Maaßens als „unwürdiges Koalitionstheater“. Maaßen habe im Innenausschuss alle Fragen beantwortet und Klarheit geschaffen, sagte Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur.

Das Verhalten der SPD ist ein unwürdiges Laienschauspiel auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Regierung.“

Die SPD versuche aus parteipolitischen Überlegungen, Maaßens Rücktritt durchzusetzen, sagte Ziemiak.

Wer sich so verhält, statt konkrete politische Projekte voranzubringen, darf sich über katastrophale Umfragewerte nicht wundern.“

In der SPD war zuletzt intern der Druck auf Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz gestiegen, klar Stellung zu beziehen.

So hatte Juso-Chef Kevin Kühnert, ein Gegner der Koalition, erklärt: „Sollte der Verfassungsschutzpräsident im Amt bleiben, kann die SPD nicht einfach so in der Regierung weiterarbeiten.“ Er warnte im Magazin „Der Spiegel“, sich an eine Verschiebung der Maßstäbe zu gewöhnen und einen Bruch der politischen Kultur in Kauf zu nehmen.

„Wir erleben keinen läppischen Koalitionskrach, sondern einen schwerwiegenden Tabubruch“, sagte er. „Wir dürfen nicht abstumpfen. Sonst endet der demokratische Rechtsstaat wie der Frosch im Kochtopf, der bei langsam steigender Wassertemperatur gar nicht merkt, dass er stirbt.“

Linke fordert Maaßens Ablösung – zum Schutz der Migranten

Auch Linken-Chefin Katja Kipping forderte Maaßens Ablösung. „Wer als oberster Verfassungsschützer die Verfolgungsszenen von Chemnitz bezweifelt, verharmlost die rechte Gefahr“, sagte sie.

„Solange Herr Maaßen im Amt ist, können sich Migranten in unserem Land nicht mehr darauf verlassen, dass der Staat alles tut, um sie vor angreifenden Nazis zu schützen.“ (dpa/ks)



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