Kretschmann: Wozu brauchen Schüler noch Rechtschreibung und Fremdsprachenunterricht?

Es gibt Schreibprogramme und Handys übersetzen in fast jede Sprache der Welt in Echtzeit. Wozu gibt es dann noch in der Schule Pflichtfächer dafür? Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann stößt eine Debatte an.
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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times12. April 2024

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fragt sich, wie wichtig das Beherrschen der Rechtschreibung für Schüler heute noch ist, „wenn das Schreibprogramm alles korrigiert“.

Ebenso zweifelt er am Fremdsprachenunterricht: „Wenn das Handy Gespräche in fast jede Sprache der Welt in Echtzeit übersetzen kann – brauchen wir dann noch eine zweite Fremdsprache in der Schule als Pflichtfach?“, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Kretschmann, der vor seiner politischen Karriere Lehrer war, sprach auch über seine damaligen Berufserfahrungen. Er habe den Lehrplan nicht „sonderlich gut“ gekannt. „Mich haben die ganzen Vorschriften wenig beeindruckt.“

Er habe aber immer versucht, seine Schüler „über die Neugier fürs Fach und nicht über meine Person“ zu begeistern. Im Biologieunterricht ließ er Schüler an Kröten lecken: „Eine recht unterhaltsame Aktion.“

Rechtschreibung ist „Visitenkarte für sprachliche Kompetenz“

Dass der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Bedeutung der Rechtschreibung angesichts automatisierter Korrekturprogramme in Frage stellt, halte die Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung, Sabine Krome, für „gefährlich“. Gerade in Zeiten der Diskussion über KI und Chat-GPT.

Damit begibt sich der Mensch in die Abhängigkeit externer technischer Systeme.“

Sie erklärt weiter: „Dabei kann das Problem entstehen, dass authentische Aussagen von Personen nicht mehr von Fake News zu unterscheiden sind.“

Krome fürchtet einen Rückgang der Bedeutung einer korrekten Schreibweise. Obwohl aktuell Bemühungen unternommen würden, sie wieder zu stärken, nehme die Fähigkeit, sich richtig schriftlich auszudrücken, weiter ab, sagte Krome den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sie äußerte sich angesichts der Debatte um die Abschaffung des Fehlerquotienten bei der Bewertung von Deutsch-Aufsätzen.

Dabei sei die Rechtschreibung „eine Schlüsselkompetenz in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“, so Krome. „Es ist wichtig, dass in diesen Bereichen die Rechtschreibung eine herausragende Bedeutung behält.“ Die Rechtschreibung sei ihrer Ansicht nach eine Visitenkarte für Texte und damit für sprachliche Kompetenz.

Die Geschäftsführerin der zentralen Instanz der Rechtschreibung zeigte sich auch besorgt über den wachsenden Einfluss der KI auf den Sprachgebrauch – so vielversprechend das Entwicklungspotenzial auch sei. „Bei der Korrektur verlässt man sich zum großen Teil auf Rechtschreibprogramme. Damit macht sich der Mensch auch abhängig von technischen Systemen“, fürchtet Krome.

„Die bieten zwar große Entwicklungschancen, doch die technisch generierten Texte sind häufig von eigenständig entwickelten Sätzen nicht zu unterscheiden.“

Notwendige Leistung oder überflüssig?

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, beobachtet ebenfalls einen Bedeutungsverlust der deutschen Rechtschreibung, auch wenn er den Fehlerquotienten bei der Bewertung von Deutsch-Aufsätzen nicht für notwendig hält.

„Gedankengang, Argumentation und Stilistik haben mehr Gewicht als bloße sprachliche Qualität“, sagte er den Funke-Zeitungen. Es bleibe allerdings unabdingbar, dass Schulen die korrekte Rechtschreibung einfordern.

Eine korrekte Rechtschreibung ist eine Leistung, die von jedem Schulabgänger entsprechend den Anforderungen seines Abschlusses erbracht werden muss.“

Messenger-Dienste mit der automatischen Korrektur und dem eingeschränkten Wortschatz führten dazu, dass Schüler „nachlässig werden und letztlich sprachlos“ würden, so Düll.

In den vergangenen Jahren sei der Anspruch immer weiter heruntergeschraubt worden, um auch noch den letzten Schüler mitzunehmen. „Das ist Betrug und auch keine Chancengleichheit, denn dann geht später die Schere zwischen starken und schwachen Schülern noch mehr auf“, sagte der Lehrerverbandspräsident. (dts/red)



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