Kretschmann: Bei Rente mit 63 könnte der Staat sparen – Anspruchsdenken gestiegen
Angesichts der Haushaltsprobleme des Bundes sieht Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Einsparmöglichkeiten bei der Rente mit 63. „Jedes Jahr kostet das den Staat einen zweistelligen Milliardenbetrag, insgesamt machen die Rentenzuschüsse des Bundes fast ein Viertel des Haushalts aus“, sagte der Grünen-Politiker dem „Tagesspiegel“ vom Freitag. „Das sind Posten, die man sich genau anschauen müsste.“
Kretschmann kritisierte, dass viele Bürger zu viele Leistungen des Staates in Anspruch nehmen würden: „Schon bei Corona haben wir gemerkt, dass das Anspruchsdenken zu sehr in die Höhe geschossen ist“, sagte er. „Das müssen wir wieder neu justieren.“ Kretschmann kritisierte auch die Gewerkschaften für ihre Forderungen nach weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich: Dies sei „unrealistisch“.
Ab 1. Januar steigt die reguläre Altersgrenze für die Rente auf 66 Jahre. Das gilt für diejenigen, die 1958 geboren wurden. Für diejenigen, die später geboren wurden, erhöht sich das Eintrittsalter in Zwei-Monats-Schritten weiter. Auch die Altersgrenze für „Rente ab 63“ steigt – für 1960 Geborene auf 64 Jahre und vier Monate. Diese kann von denen in Anspruch genommen werden, die mindestens 45 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren. Wer 35 Versicherungsjahre hat, muss Abschläge hinnehmen: 0,3 Prozent je Monat.
Streichungen bei Landwirten nicht „wohldurchdacht“
In der Diskussion um die geplanten Einsparungen stellte er sich hinter Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). „Es ist nicht klug, den Agrardiesel und die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge auf einen Schlag zu streichen“, sagte Kretschmann. Es gebe keine Alternative für die Bauern, da große Elektro-Traktoren bisher nicht auf dem Markt seien.
Die Landwirte könnten so auf einem ohnehin schon umkämpften Markt in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, befürchtete der Ministerpräsident. „Ich habe nicht den Eindruck, dass das wohldurchdacht war.“
Reform der Schuldenbremse
Kretschmann fordert die Einberufung eines Bund-Länder-Gremiums zur Reform der Schuldenbremse. „Der Bundeskanzler will eine solche Kommission nicht, aber wir brauchen sie“, sagte Kretschmann. „Denn ohne die Union kann man die Schuldenbremse nicht reformieren.“
Es benötige einen überparteilichen Weg. „Man kann jetzt Parteitagsreden bei Grünen oder SPD gegen die Schuldenbremse halten, dadurch verändert sich aber nichts“, sagte der Grünen-Politiker. „Für den Erfolg der Transformation müssen wir jetzt in ein Jahrzehnt der Investitionen kommen.“
Man dürfe der jetzigen Generation nicht die gesamte Last der Transformation aufladen, so der Ministerpräsident. „Es geht nicht darum, dass wir unseren starken Sozialstaat immer weiter ausbauen, sondern um den Bau von elementarer Infrastruktur, um die Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft zeitnah zu schaffen“, sagte Kretschmann. In diesem engen Rahmen müssten die Regeln der Schuldenbremse debattiert werden.
Finanzminister Linder für Haushaltschaos verantwortlich
Für das Haushaltschaos im Bund machte Kretschmann Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verantwortlich. „Er trägt die Verantwortung dafür, dass die Ampel in diese Situation gekommen ist“, so Kretschmann. „Man muss kein verfassungsrechtlicher Experte sein, um zu erkennen, dass man Corona-Gelder nicht einfach umwidmen kann.“
Es erstaune ihn, dass Lindner – anders als beim Bundeswehr-Sondervermögen – die Gelder des Klima- und Transformationsfonds nicht verfassungsrechtlich abgesichert habe.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umwidmung der Corona-Gelder für nichtig erklärt. Kretschmann äußerte gleichzeitig Verständnis dafür, dass die Ampel nicht sofort die Notlage für den Haushalt 2024 ausgerufen habe. „Wenn man dermaßen auf der Schmierseife ausgerutscht ist, dann ist man natürlich vorsichtig, dass man nicht nochmal ausrutscht“, sagte er.
Eine Entschuldigung für die entstandene Unsicherheit von Lindner oder dessen Vorgänger als Finanzminister, Olaf Scholz, forderte Kretschmann jedoch nicht. „Nach so einer offensichtlichen Zurechtweisung durch das Bundesverfassungsgericht braucht man sich nicht noch zu entschuldigen.“ Von einer Entschuldigung habe niemand etwas, so Kretschmann. „Dass es nicht gut war, sieht offenkundig jeder.“ (dts/red)
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