Kollaps im Orchestergraben – Dirigent Stefan Soltesz gestorben
Tragödie im Münchner Nationaltheater: Der Dirigent Stefan Soltesz ist während einer Vorstellung zusammengebrochen und anschließend gestorben. Mit Entsetzen und großer Trauer gebe die Bayerische Staatsoper den Tod des 73-Jährigen bekannt, teilte der Sprecher des Hauses, Michael Wuerges, mit. Zur Todesursache wollte er keine Angaben machen.
Der Vorfall ereignet sich am Freitagabend, während Soltesz die Komische Oper „Die schweigsame Frau“ dirigiert. Kurz vor dem Ende des 1. Aktes bricht der Dirigent plötzlich zusammen. „Er wurde dann sofort von Zuschauern und dem Theaterarzt versorgt“, schildert Wuerges am Samstag die aufwühlenden Szenen im voll besetzten Orchestergraben. Der Rettungsdienst wird gerufen, doch für den 73-Jährigen gibt es keine Hilfe mehr. Soltesz stirbt noch am selben Abend im Krankenhaus.
Die Musikwelt reagiert bestürzt. „Die Nachricht über den Zusammenbruch und das Ableben von Stefan Soltesz macht mich zutiefst traurig“, sagt Opernintendant Serge Dorny in München. „Wir verlieren einen begnadeten Dirigenten. Ich verliere einen guten Freund. Meine Gedanken sind bei seiner Frau Michaela.“
Tweet der Bayerischen Staatsoper
„Wenn große Künstler sterben, geht manchmal nicht nur ein Leben, sondern auch eine Ära unwiderruflich zu Ende“, schreibt die Deutsche Oper Berlin zu Soltesz‘ Tod, der einen solchen Punkt markiere. Der 73-Jährige sei der wohl letzte Repräsentant der österreichisch-ungarischen Kapellmeistertradition gewesen, die den Dirigentenberuf im 20. Jahrhundert nachhaltig geprägt habe. Er habe für alle Werke stilsicher den richtigen Ton gefunden.
Soltesz‘ Dirigat galt als mitreißend, schneller Ruhm interessierte ihn nicht. Die Bayerische Staatsoper würdigt den Ausnahmemusiker als „Handwerker an der Spitze eines Orchesters, eine Garantie für Respekt“ – für den Komponisten, aber auch für die Musikerinnen und Musiker des Orchesters und die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. „Er war ein außergewöhnlich feinfühliger Dirigent, der die Partituren kristallklar machte und das Intime der Musik zu würdigen wusste.“ Dies habe ihm den Respekt aller Musiker der von ihm geleiteten Orchester eingebracht.
„Wir verlieren einen Dirigenten, dem wir unzählige musikalische Sternstunden zu verdanken haben“, kommentiert die Generalintendantin am Staatstheater Braunschweig, Dagmar Schlingmann, den Tod des 73-Jährigen. „Unvergesslich seine Aufführungen, die ich erleben durfte. Ein wahrer Meister“, so der Generalmusikdirektor des Staatsorchesters Braunschweig, Srba Dinić.
Merle Fahrholz, von der kommenden Spielzeit 2022/2023 an Intendantin des Aalto-Musiktheaters und der Essener Philharmoniker, sagt: „Das hohe Niveau, mit dem das Orchester regelmäßig unser Publikum begeistert, geht nicht zuletzt auf das langjährige Wirken meines Vorvorgängers zurück.“
Dirigent ist in Ungarn geboren
In Ungarn am 6. Januar 1949 geboren, studiert Soltesz nach Angaben der Bayerischen Staatsoper Dirigieren, Komposition und Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Nach Stationen als Dirigent in Wien und Graz und als musikalischer Assistent von Karl Böhm, Christoph von Dohnányi und Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen wird er Dirigent der Staatsoper Hamburg sowie Generalmusikdirektor am Staatstheater Braunschweig. Allein an der Deutschen Oper Berlin leitet er zwischen 1985 und 1997 mehr als 350 Aufführungen.
Von 1992 bis 1997 wirkt er als Chef-Dirigent der Flämischen Oper in Antwerpen/Gent, von 1997 bis 2013 als Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker und Intendant des Aalto-Musiktheaters. Soltesz, der einen österreichischen Pass hat, gibt zudem Gastdirigate an allen großen deutschen Opernhäusern. Sein Talent führt ihn laut Bayerischer Staatsoper nach Wien, Paris, Rom, Budapest, Warschau, Amsterdam, London.
Abbruch der Vorstellung
In München debütiert er an der Bayerischen Staatsoper 1995 mit der Oper „Der Barbier von Sevilla“ von Gioacchino Rossini. Darüber hinaus dirigiert er in der bayerischen Landeshauptstadt „La Bohème“, „Der fliegende Holländer“, „Arabella“ und vieles mehr. Das farbenprächtige Stück „Die schweigsame Frau“ von Richard Strauss, eine Opernrarität, sollte am Freitagabend letztmalig am Nationaltheater aufgeführt werden.
„Kurz vor Ende des 1. Aktes ist Herr Soltesz im Graben zusammengebrochen“, berichtet Wuerges am Tag danach. Der Saal, in dem fast 2.000 Menschen saßen und die eigentlich heitere Oper sahen, sei geräumt worden. „Und nach der Pause wurde letztendlich die Vorstellung abgebrochen.“ Das sei etwa gegen 20:20 Uhr gewesen, die Vorstellung hatte um 19:05 Uhr begonnen. „Wir waren fast ausverkauft.“
„Das Bayerische Staatsorchester hat heute vor der Probe eine Schweigeminute eingelegt“, erzählt Wuerges wenige Stunden nach dem Tod Soltesz‘. „Es werden die nächsten beiden Vorstellungen „Capriccio“ und „Der Rosenkavalier“ Herrn Soltesz gewidmet.“
Nach dem Tod des Dirigenten Stefan Soltesz im Münchner Nationaltheater müssen keine weiteren mit ihm geplanten Vorstellungen in dem Haus abgesagt werden. Die von dem 73-Jährigen am Freitagabend dirigierte Komische Oper „Die schweigsame Frau“ sollte letztmalig gezeigt werden und steht für die nächste Spielzeit nicht auf dem Spielplan, wie der Sprecher der Bayerischen Staatsoper, Michael Wuerges, am Sonntag sagte. Das Haus stehe kurz vor den Theaterferien, bis Mitte September sei eine Pause geplant. (dpa/mf)
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