Klimaaktivisten und Berliner Senat: Trotz Straßenblockaden keine Verfahren wegen gefährlichen Eingriffs in Straßenverkehr
Nach dem Tod einer von einem Betonmischer überrollten Radfahrerin in Berlin hat sich die Diskussion um die Folgen von Klimablockaden verschärft. Die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ beklagten am 4. November eine Hetze der Medien und forderten ein Gespräch mit der Bundesregierung. Diese ermahnte ihrerseits die Aktivisten, sich an die Gesetze zu halten.
Strafanzeigen gegen Klimaaktivisten in Berlin
Die Berliner Polizei stellte gegen zwei „Protestierende“ Strafanzeige – unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung. Politiker verschiedenster Parteien äußerten im Anschluss an den Unfall Kritik an den Protesten.
Rund 370 Aktionen führte die Gruppierung „Letzte Generation“ seit Jahresbeginn durch. Die Berliner Staatsanwaltschaft leitete gegen verschiedene Aktivisten bislang 729 Verfahren ein und beantragte 241 Strafbefehle. Zumeist ging es dabei um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Nötigung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. 102 Bescheide à 241 Euro seien bereits zugestellt worden, erklärte die Berliner Polizei.
In Berlin gab es nach Justizangaben bislang sechs Prozesse gegen Mitglieder der „Letzte Generation“, vier davon gegen Erwachsene. In diesen vier Fällen wurden jeweils Geldstrafen verhängt. Eine siebte Verhandlung fand am Freitag statt. Dabei wurde eine 56-jährige Aktivistin wegen der Teilnahme an drei Blockaden im Januar und Februar ebenfalls zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den ersten Geldforderungen der Berliner Polizei aufgrund der Blockade-Aktionen im Frühjahr bat „Letzte Generation“ im Internet um Spenden.
Keine Verfahren wegen „Gefährlichen Eingriffs in Straßenverkehr“
Zu hinterfragen ist: Warum spielte der § 315b StGB bei den Strafverfahren aufgrund der Blockade-Aktionen der Klimaaktivisten bisher keine Rolle? Laut § 315b StGB liegt ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr auch bei gesetzeswidrig willkürlich errichteten Straßensperrungen vor.
Angefragt beim Berliner Senat erfuhr Epoch Times, dass nur gegen einen Teil der Aktivisten Gebührenbescheide ausgestellt wurden. Hintergrund seien hohe rechtliche Hürden.
Wir fragten nach, was das für Hürden seien. Der Tatbestand des § 315b StGB setze voraus, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs durch ein Hindernis beeinträchtigt würde, durch das Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet wären. Dies sei nur dann erfüllt, wenn die genannten Tatbestandsmerkmale objektiv (und subjektiv) im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen an den Einsatzorten festgestellt würden. „Dies traf nicht auf alle Fälle zu“, so die Senatsinnenverwaltung.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass es Fälle gab, die die Kriterien erfüllten. Was ist mit diesen Fällen? Zum Thema Gebührenbescheid heißt es seitens des Berliner Senats: Er sei nur dann möglich, sofern das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dem nicht entgegenstehe und eine Gefahrenlage beseitigt werden müsse. Die Höhe der Gebühr richte sich dabei an die Gebührenordnung für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen.
In der Praxis muss der Klimaaktivist befragt werden, ob er selbst willens und in der Lage ist, den Gefahrenzustand zu beheben (beispielsweise durch ein mitgeführtes Lösungsmittel). „Ist dies in einem angemessen erscheinenden Zeitrahmen der Fall, scheidet ein Gebührenbescheid aus“, so der Senatssprecher.
Sollte der Klimaaktivist allerdings die Behebung des Gefahrenzustands (zum Beispiel eine Blockade) verweigern oder dazu unfähig sein, besteht die Berechtigung zur Einleitung des Gebührenverfahrens beziehungsweise zur Erhebung von Gebühren. „Im konkreten Einzelfall ergeht dann bei Personen, die sich zum Beispiel auf der Fahrbahn festgeklebt haben, ein entsprechender Gebührenbescheid“, heißt es weiter.
Berliner Senat: „Wir schöpfen sämtliche rechtsstaatliche Möglichkeiten aus“
Zusammenfassend erklärt der Berliner Senat: „Gemeinsam mit der Polizei Berlin schöpft die Senatsinnenverwaltung sämtliche rechtsstaatliche Möglichkeiten in der Begegnung dieses Phänomens aus.“
Dazu zählte der Senat Strafanzeigen, weitergehende Ermittlungen, Durchsuchungen, erkennungsdienstliche Behandlungen, Richtervorführungen für einen längerfristigen Gewahrsam (zur Gefahrenabwehr), Gefährderansprachen und die Erhebung von Gebühren für den polizeilichen Einsatz.
Eine konkretere Antwort auf die Frage, warum es noch keine Strafverfolgung aufgrund des § 315b StGB gibt, erhielt Epoch Times auch nach erneuter Nachfrage nicht. Es heißt lediglich: „An eine konsequente, rechtsstaatliche Polizei muss sich eine ebensolche Rechtsprechung anschließen, andernfalls entfalten die Maßnahmen keine nachhaltige Wirkung.“
Ob damit die Senatsinnenverwaltung meint, dass sie sich eine konsequentere Gangart der Justiz gegenüber den Klimaaktivisten wünscht, blieb offen. Auch, ob man andere Vorstellungen im Umgang mit den Blockade-Aktionen als die Staatsanwaltschaft Berlin hat, bleibt unklar. (er/afp)
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