Kanzlerin Merkel beim „Vater der Stabilität“ in Nordafrika

Für Angela Merkel ist der greise Abdelaziz Bouteflika so etwas wie der „Vater der Stabilität“ in Nordafrika. Bouteflika spielt bei Merkels Migrationskonzept als Präsident eines der wichtigsten Transitländer für Migranten, die nach Europa wollen, quasi eine Schlüsselrolle.
Titelbild
Kanzlerin Merkel mit Abdelaziz Bouteflika 2010 in Berlin.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images
Epoch Times17. September 2018

Für Angela Merkel ist der greise Abdelaziz Bouteflika so etwas wie der „Vater der Stabilität“ in Nordafrika. Wenn die Kanzlerin den schwerkranken 81-jährigen Präsidenten Algeriens am Montag in seinem Amtszimmer im Präsidentenpalast trifft, geht es für sie wie bei ihren jüngsten Afrikareisen erneut vor allem um die Frage: Kann ihr Konzept im Kampf gegen Schlepper und Schleuser Erfolg haben? Kann sie den Kritikern ihrer Migrationspolitik in den eigenen Reihen und der CSU konkrete Fortschritte entgegenhalten? Und hilft das beim politischen Kampf gegen die AfD?

Nicht nur, aber auch wegen des Abschneidens der AfD bei den kommenden Wahlen dürfte die Migration das Schicksalsthema für Merkel in ihrer vierten und wohl letzten Amtszeit bleiben. Ganz abgesehen davon, dass auch ihr Innenminister, CSU-Chef Horst Seehofer, der die Migration kürzlich zur Empörung vieler die „Mutter aller Probleme“ genannt hat, hier nicht locker lassen wird.

Bouteflika spielt bei Merkels Migrationskonzept als Präsident eines der wichtigsten Transitländer für Migranten, die nach Europa wollen, quasi eine Schlüsselrolle. Im Februar 2017 musste Merkel eine Reise nach Algier buchstäblich in letzter Minute wegen einer Erkrankung Bouteflika absagen. Das Thema von damals hat für die Kanzlerin in den vergangenen eineinhalb Jahren eher noch an Dramatik gewonnen.

Nach mehreren Schlaganfällen sitzt Bouteflika im Rollstuhl und kann nicht mehr richtig sprechen. Erst vor gut zwei Wochen kam er von seinem letzten Medizincheck in Genf zurück. Zum Auftakt des Gesprächs mit Merkel fällt deshalb diesmal die sonst übliche Gelegenheit für deutsche Kamerateams und Fotografen weg, Bilder zu machen. Nur der offizielle Fotograf der Bundesregierung ist dabei – schlimme Bilder eines gebrechlichen alten Mannes dürften der algerischen Regierung eher ungelegen kommen. Doch in seinen Gedanken sei der Präsident klar, glaubt man in Berlin.

Hinter verschlossenen Türen wird Merkel Bouteflika wohl für seine Rolle als stabilisierender Faktor in der Krisenregion Nordafrika Dank sagen. Sein ganzes Handeln sei auf Versöhnung und Deradikalisierung angelegt, heißt es im Kanzleramt. Mit Verfassungsänderungen habe seine Regierung gezeigt, dass sie Reformbedarf sehe.

Ob die Kanzlerin allerdings wirklich etwas zur Befriedung des Streits zwischen Algerien und Marokko über den Umgang mit Migranten beitragen kann, war offen. Die Rivalität der beiden großen Akteure im Maghreb sei schädlich für die Zusammenarbeit der ganzen Region im Kampf gegen illegale Migration. Dass sich hier etwas ändert, ist die Hoffnung in Berlin. Und auch bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors, unter dem Algerien immer wieder enorm gelitten habe, wolle man weiterkommen – hier gebe es ebenfalls große gemeinsame Interessen.

Stichwort Migration: Algerien ist ein wichtiges Transitland für Menschen, die mit dem Boot nach Europa wollen. Während Italien seine Häfen abschottet, sind die Ankünfte in Spanien gestiegen. Die meisten Migranten steigen in Marokko in die Boote. Vorher haben sie aber von Algerien kommend die mehr als 1000 Kilometer lange Wüstengrenze passiert – das ist einer der Gründe, weshalb Marokko mit seinem Nachbarn im Streit liegt. Dabei geht es auch um den Status der von Marokko annektierten Westsahara und den Drogenschmuggel.

Doch auch vor der algerischen Küste werden fast jeden Tag Boote abgefangen oder Ertrunkene geborgen. Viele der Migranten stammen aus Ländern südlich der Sahara. Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge waren unter den 2017 in Spanien angekommenen Menschen aber auch 18 Prozent Algerier.

Merkels Regierung will Algerien wie Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer im Sinne des Asylrechts einstufen – dann könnten abgelehnte Asylbewerber schneller dorthin abgeschoben werden. Doch Kritiker haben Vorbehalte auch wegen Berichten über Folter und unfairen Gerichtsverfahren. Ob die Kanzlerin von Bouteflika und seinem Premier Ahmed Ouyahia hier Zusicherungen erhält, die bei den Kritikern der Pläne Zuhause als beruhigende Signale gewertet werden könnten, war offen. SPD und Grünen sind skeptisch, an diesem Freitag sind die Pläne der Bundesregierung zu den sicheren Herkunftsländern Thema im Bundesrat.

Für die Algerier steht bei dem Besuch der Auftritt ihres Präsidenten im Mittelpunkt. Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, den Gesundheitszustand Bouteflikas zu beurteilen, weil er kaum mehr öffentlich in Erscheinung tritt. Dennoch könnte Bouteflika im April 2019 für eine fünfte Amtszeit kandidieren.

Die Algerier fragen sich: Ist das Staatsoberhaupt nach knapp 20 Jahren noch fit genug für den Job? Andererseits: Für viele ist sein Name noch immer gleichbedeutend mit Stabilität, schließlich hatte er den verheerenden Bürgerkrieg mit islamistischen Gruppen beendet.

Die Spekulationen mehren sich, dass der „Autokrat auf dem Präsidentenstuhl sterben“ will. Doch die Stimmen dagegen werden lauter. 14 bekannte Persönlichkeiten appellierten kürzlich an Bouteflika: „Ihr fortgeschrittenes Alter und ihr dramatischer Gesundheitszustand befehlen es ihnen, sich nicht mehr mit den viel zu schweren Aufgaben des Staates zu beschäftigen.“ Ob Bouteflika also auch in Zukunft noch ein „Vater der Stabilität“ für die ins Schlingern geratene Kanzlerin sein kann, muss sich noch zeigen. (dpa)



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