Journalistischer Adel? AfD klagt gegen Vorab-Infopraxis des BVerfG
Die AfD will auf gerichtlichem Wege eine Praxis stoppen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe seit Jahr und Tag gepflegt hat und die zur Folge hat, dass ausgewählte Journalisten zur Verkündung anstehende Urteile bereits vorab zur Kenntnis gebracht bekommen.
Bei den Begünstigten handelt es sich um Mitglieder des 1975 gegründeten Vereins „Justizpressekonferenz Karlsruhe e. V.“, viele von ihnen arbeiten für „ARD“ und „ZDF“.
Die Journalisten bekommen Pressemitteilungen über anstehende Urteile vorab zugesandt, um ihre Berichterstattung vorbereiten zu können. Im Gegenzug müssen sie sich dazu verpflichten, während einer vorgegebenen Sperrfrist Stillschweigen über den Inhalt der Mitteilungen zu bewahren, bis diese offiziell verkündet werden.
BVerfG informiert Kreis „besonders fachkundiger und vertrauenswürdiger Journalisten“
Bereits im Vorjahr hatte der Presserat diese Praxis beanstandet und den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, dazu aufgefordert, entweder alle Journalisten bezüglich des Zugangs zu Urteilsinhalten gleichzubehandeln – oder die Praxis zu beenden. Der „Tagesspiegel“ berichtete.
Damals schon war die Rede von „geheimer“ und „unfairer“ Öffentlichkeitsarbeit. Das Höchstgericht hingegen hält das Vorgehen für gerechtfertigt. Gegenüber demselben Blatt hieß es aus dem Bundesverfassungsgericht, es sei angemessen, für einen Kreis „besonders fachkundiger und vertrauenswürdiger Journalisten“ einen solchen privilegierten Zugang zu eröffnen.
Grundsätzlich könne jeder Medienvertreter einen solchen erlangen – Voraussetzung dafür sei neben der Fachkunde und Vertrauenswürdigkeit, die Vereinsmitgliedschaft und regelmäßig Präsenz in Karlsruhe.
Seehofer-Urteil als Anlassfall
Die AfD sieht sich ebenfalls durch die Praxis des BVerfG in ihren Rechten verletzt, da Mitgliedern des Journalisten-Vereins, das Urteil im Vorfeld mitgeteilt wird, nicht aber den Parteienvertretern.
In einem Fall hatte die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, nachdem Bundesinnenminister Horst Seehofer negative Äußerungen über die AfD in einem Interview gemacht und später auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht hatte. Das BVerfG urteilte, dass Seehofer mit der Veröffentlichung das Neutralitätsgebot verletzt habe.
Die Äußerungen selbst wurden als Teil des politischen Meinungskampfes jedoch nicht beanstandet, da er als Parteipolitiker gegenüber Medien gesprochen habe.
Praxis zöge andernorts „gravierende disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich“
In ihrem durch den Prozessbevollmächtigten Dr. Ulrich Vosgerau eingebrachten Schriftsatz vom 21. Februar 2021, welcher der Epoch Times vorliegt, wehrt sich die AfD als klagende Partei gegen die Praxis, die, „wenn sie an irgendeinem anderen Gericht bis hinauf zu den Bundesgerichten überraschend bekanntwürde, dort gravierende disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich zöge“.
Sie wirft dem Bundesverfassungsgericht vor, die beanstandete Veröffentlichungspraxis „jahre-, wenn nicht jahrzehntelang verheimlicht“ zu haben, und das nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor dem Bundesministerium der Justiz und anderen Bundesgerichten.
Während Medien wie der „Tagesspiegel“ vor allem die Ungleichbehandlung unter Medien durch die Informationspraxis des BVerfG beanstanden, geht es der AfD vor allem um die Ungleichbehandlung zwischen den begünstigten Journalisten und den Verfahrensparteien vor dem Bundesverfassungsgericht.
Prozessvertreter der AfD gezielt als uninformiert dargestellt?
Die Journalisten der „Justizpressekonferenz Karlsruhe“ hätten nicht nur einen Informationsvorsprung gegenüber den Verfahrensbeteiligten, sondern nützten diesen auch aus.
Die AfD sieht sich hinsichtlich ihres Rechts auf ein faires Verfahren benachteiligt, da sich Journalisten mit bereits vorbereiteten Fragen nach Urteilsverkündung an sie wenden können und den Medien dadurch ein intelligenter Vorteil entstehe.
Diesen könnten die Journalisten in weiterer Folge „überall medial darstellen und senden“. Gerade Journalisten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk seien teilweise „unverhohlen feindselig gesonnene Berichterstatter“.
Gebot der Fürsorge gegenüber dem Rechtssuchenden
Für die AfD ist das „Verrat des Bundesverfassungsgerichtes an den Rechtssuchenden“ und eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Sie müssten sich darauf verlassen können, dass das Gericht seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Verfahrensbeteiligten nachkomme.
Gleichzeitig verletzte das Höchstgericht das allgemeine Gleichbehandlungsgebot und das Gebot der staatlichen Neutralität. Mittelbar sei die AfD selbst von der „Willkür“ betroffen, da sie keine Mitsprache darüber habe, wer „vor ihr selbst ihre ureigensten Angelegenheiten“ erfahre.
„Fair-Trial-Grundsatz erfordert auch Vorabinfo der Parteien“
Der Hilfsantrag wurde gestellt für den Fall, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe zu der Erkenntnis kommen sollte, dass die Vorgehensweise des BVerfG gerechtfertigt sei.
In diesem Fall hält die AfD es im Sinne des Fair-Trial-Grundsatzes für erforderlich, dass die Prozessbeteiligten zeitgleich mit den Journalisten der „Justizpressekonferenz“ über Ausspruch und Tenor des Urteils in Kenntnis gesetzt werden.
Dies würde, so die Argumentation im Schriftsatz der AfD, verhindern, dass Journalisten, die im Unterschied zu den Prozessparteien die Feinheiten des Urteils schon kannten, sich ein Narrativ zurechtlegen könnten, mit dem sie die Parteienvertreter öffentlich vor Urteilsverkündung konfrontierten.
Dies sei unter anderem im Zusammenhang mit dem Seehofer-Urteil der Fall gewesen, wo Medien den Verfahrensausgang zuungunsten der AfD dargestellt hätten.
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