Ischinger zu Ukraine-Konflikt: Deutschland steht „in miesem, schlechtem Licht“ da

Deutschland wird in der Ukraine-Krise von Bündnispartnern massiv kritisiert. Der Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger führt das auf ungeschicktes Agieren der Bundesregierung zurück.
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Wolfgang Ischinger.Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Epoch Times30. Januar 2022

Der Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger hat das zurückhaltende Agieren der Bundesregierung in der Ukraine-Krise scharf kritisiert.

„Ungeschicklichkeiten“ im Umgang mit der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 und der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine hätten dazu geführt, dass Deutschland nun in den USA und bei anderen Bündnispartnern „in einem miesen, schlechten Licht“ dastehe, sagt der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Deutschland hat bei einer ganzen Reihe von Partnern bereits Vertrauen verloren oder riskiert es gerade zu verlieren.“

Ischinger beklagte auch, dass die deutsche Zurückhaltung Russland in die Hände spiele. „Das Wackeln verschiedener deutscher Politiker ist natürlich in Moskau genau registriert worden“, sagte der frühere deutsche Botschafter in Washington.

„Ein Reputationsschaden ist schon eingetreten“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in der Ukraine-Krise lange gezögert, bevor er sich klar positioniert hat. Erst Mitte Januar legte er die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 als Sanktionsinstrument für den Fall eines russischen Einmarsches in die Ukraine auf den Tisch – und das auch nur verklausuliert.

Gleichzeitig erteilte er der Lieferung letaler Waffen an die Ukraine anders als andere Bündnispartner eine klare Absage. Das wird von der Ukraine, aber auch von Ländern wie Polen oder den baltischen Staaten kritisiert. In den USA wird ebenfalls die Frage gestellt, ob Deutschland noch ein verlässlicher Partner ist.

Bei allem, was in den letzten Tagen in Washington, Brüssel und Kiew gesagt und in der internationalen Presse über Deutschland geschrieben worden sei, werde ihm „angst und bange“, sagte Ischinger. „Es hat einige Ungeschicklichkeiten gegeben. Ich halte die nicht für irreparabel. Aber ein Reputationsschaden ist schon eingetreten.“ Es werde manches geschehen müssen, um diesen Schaden wieder zu beheben.

Nord Stream 2 als „Stachel im Fleisch“

Dass Deutschland nun so schlecht dasteht, hat für Ischinger zunächst einmal mit Nord Stream 2 zu tun. Der frühere Top-Diplomat bezeichnet die umstrittene Gaspipeline als „Stachel im Fleisch“ der deutschen Außenpolitik. „Ich habe den Verdacht, dass wir in der deutschen Politik in Berlin die Größe dieses Stachels und seine negative Wirkung etwas unterschätzt haben. Und dieser Stachel ist jetzt explosionsartig angeschwollen mit der Frage der Waffenlieferungen.“

Angesichts der Vermittlerrolle Deutschlands im Ukraine-Konflikt sei zwar eine gewisse Zurückhaltung beim Thema Waffenlieferungen sinnvoll. „Das muss doch aber nicht heißen, dass wir uns weltöffentlich durch den Kakao ziehen lassen müssen“, sagte Ischinger. Das passiere aber jetzt zum Beispiel bei dem von Estland geplanten Export von neun Artilleriegeschützen in die Ukraine, die ursprünglich aus Deutschland stammen. Dass die Bundesregierung hier nun seit Wochen eine Genehmigung prüft, sei ungeschickt, sagt Ischinger. „Lassen wir das doch bitte die Esten entscheiden.“

„Mit gefalteten Händen am Ende des Konvois“

Beim Thema Waffenlieferung sei „der Eindruck entstanden, dass wir mit gefalteten Händen am Ende des Konvois stehen“, beklagte Ischinger. Angesichts der offenen Flanke Deutschlands bei Nord Stream 2 hätte er eine Positionierung in der Mitte für geschickter gehalten – möglichst aufgrund einer EU-Beschlusslage.

Ischinger hält die Kritik an Deutschland in der Sache zwar für nicht ganz fair und verweist auf die umfangreichen deutschen Wirtschafts- und Finanzhilfen für die Ukraine und das über Jahre andauernde diplomatische Engagement zur Lösung des Ukraine-Konflikts. „Aber die Kommunikationspolitik der Bundesregierung war der Bedeutung dieses Vorgangs nicht angemessen“, sagte der Sicherheitsexperte. Es sei öffentlich auch kaum deutlich geworden, dass Deutschland sich um eine europäische Position in der Ukraine-Krise bemüht. Die Bundesregierung sei ihrer selbstgesetzten europäischen Führungsaufgabe nicht gerecht geworden. (dpa/red)



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