Heeresinspekteur: „Sondervermögen allein wird nicht reichen“
Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr wird nach Einschätzung von Heeresinspekteur Alfons Mais nicht für eine Vollausstattung ausreichen. Der Generalleutnant verzeichnet aber Fortschritte im Beschaffungsprozess.
„Ich sehe einen sehr großen Druck, die Nachbeschaffungen jetzt mit größtem Tempo voranzubringen. Wir haben die Leopard-Panzer noch nicht abgegeben und überlegen richtigerweise schon, wie wir sie schnellstmöglich ersetzen können“, sagte Mais der dpa in Berlin. „Bei der Panzerhaubitze und bei den Raketenwerfern hat es sehr lange gedauert, aber auch dort ist jetzt ein extrem hoher Druck drauf.“
Neben dem Ersetzen von Material, das an die Ukraine abgegeben wurde, sei der „materielle Aufwuchs in Richtung Vollausstattung“ wichtig, betonte Mais. „Das Sondervermögen alleine wird dafür jedoch nicht reichen.“
„Versuche, den Begriff ‚blank‘ nicht mehr zu verwenden“
Mais hatte unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die jahrelange Vernachlässigung bei der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ungewöhnlich scharf kritisiert. Die Bundeswehr stehe „mehr oder weniger blank da“, hatte er geschrieben und damit einigen Wirbel ausgelöst.
„Ich versuche, den Begriff ‚blank‘ nicht mehr zu verwenden. Das wird der Lage heute, ein Jahr später, nicht mehr gerecht“, sagte Mais nun. Es habe sich seitdem viel getan und die Einsatzbereitschaft dürfe nicht auf das Material verengt werden. „Die Dinge bewegen sich nach vorne.“
Die Hilfe für die Ukraine sei eine „riesige Kraftanstrengung, die aber sein muss“. Die Truppe wisse das, frage aber nach der Zukunft. „Ganz wichtig ist, dass wir alle das Signal geben, dass das Material, das abgegeben wird, schnellstmöglich wieder ersetzt wird. Dass diese Lücken nicht einfach in Kauf genommen werden“, sagte Mais. „Die Lücken passen nicht zu den zukünftigen Aufträgen. Die Regierung hat der NATO Fähigkeiten zugesagt, und das wollen wir natürlich einhalten.“
„Komplett anderer Ansatz“
Das Szenario für Landes- und Bündnisverteidigung sei anders als in Afghanistan. Das sicherheitspolitische Ziel Deutschlands im internationalen Krisenmanagement sei zu großen Teilen schon erreicht, wenn man mit den politisch opportunen Fähigkeiten dabei sei. Zusätzlich werde eine personelle Obergrenze festgelegt. Und am Ende stehe „der Schutz der Truppe vor der Wirkung im Ziel“.
„Wenn es draußen zu gefährlich wurde, konnten wir alle mal zwei Tage im Camp bleiben. Das ist im Szenario Landes- und Bündnisverteidigung völlig abwegig. Da ist nicht ‚Mitmachen‘ das Ziel, sondern gewinnen“, sagte Mais. „Wenn ich ein Bataillon in einen Auftrag schicke, dann habe ich die Erwartung, dass es seinen Auftrag erfüllt und als Sieger aus diesem Gefecht hervorgeht. Hier geht dann Wirkung vor Deckung, Wirkung geht vor Schutz. Das ist ein komplett anderer Ansatz, den wir auch unserer Truppe, die Afghanistan-erfahren ist, erst mal vermitteln müssen.“
In Afghanistan habe die Bundeswehr Gefechte nicht aktiv gesucht, sondern sie seien im Prinzip aufgezwungen worden. Mais: „Das wäre jetzt anders. In der Landes- und Bündnisverteidigung suchen die Verbände das Gefecht. Da heißt: Raum einnehmen, Raum verteidigen, das sind ganz andere Begriffe. Initiative ist hier das Schlüsselwort.“
„Meine Generation hat den Kalten Krieg noch miterlebt“
Der 60-Jährige sieht in der Bundeswehr nun drei Generationen, die militärisch unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. „Meine Generation hat den Kalten Krieg noch miterlebt. Es ging darum, das Abschreckungsmoment so hochhalten, dass in der Kalkulation des Gegners die Kosten einer Aggression unkalkulierbar waren. Damals also Abschreckung, kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.“
Der personelle Mittelbau sei durch Afghanistan geprägt. „Ich habe Brigade- und Divisionskommandeure, die Gefechte geführt haben, die vor 13 Jahren als Bataillonskommandeure ihre Kompanien und Züge ins Gefecht geschickt und damit auch das Töten befohlen haben.“ Das war gegen „asymmetrische Gegner“, die mit Sprengfallen aus dem Hinterhalt kämpften.
„Aber wir haben aus dieser Zeit in unseren Mannschaften und im Unteroffizierkorps immer noch einen Kern, dem wir nicht erklären müssen, was es heißt, im Gefecht zu stehen. Hinzu kommen nun noch die ganz jungen Soldatinnen und Soldaten, die durch ihre Technologieaffinität, ihr bestimmtes Bewusstsein dafür, was es heißt, im Informationsumfeld tätig zu sein, beeindrucken.“
Mais: „Ich bin vom Puma überzeugt.“
Derzeit werde die 10. Panzerdivision zur Division 2025 umgegliedert, um der NATO bis zu diesem Jahr eine gefechtsbereite Division zu stellen. Dafür gibt die 1. Panzerdivision Material ab, übernimmt laufende Aufträge und hält dem anderen Großverband den Rücken frei. Ihre Lücken sollen aus dem Sondervermögen wieder aufgefüllt werden.
Mais bekräftigte frühere Aussagen, dass er fest vom modernen Schützenpanzer Puma als Ersatz für den Schützenpanzer Marder überzeugt sei, nachdem Hintergründe der Schäden bei einer Übung im Dezember aufgeklärt seien. „Ich habe daher ein extrem hohes Interesse daran, dass die Bremse beim Puma zeitnah wieder gelöst wird“, sagte er. Wichtig sei der Einstieg in das sogenannte zweite Los – eine zweite Großbestellung des Waffensystems. Er hoffe, dass es dafür im April grünes Licht geben werde, um die Verträge zu schließen.
„Ich bin vom Puma überzeugt“, sagte Mais. In der Vergangenheit seien bei Waffensystemen wie Marder oder Leopard Tausende Stück beschafft worden, und bei „Kampfwertsteigerungen“ seien alle Kinderkrankheiten ausgemerzt worden. Inzwischen handele es sich bei relativ kleinen Stückzahlen um Einzelanfertigungen. In den softwarebasierten Systemen seien permanente Anpassungsprozesse nötig.
„Truppe muss lernen, mit diesen Systemen umzugehen“
„Das ist ganz normal, das sehen wir auf unserem Handy. Jede Woche gibt es neue Softwareupdates und erkannte Bugs werden rausgenommen“, sagte Mais. „Und ich sage, meine Truppe muss lernen, mit diesen Systemen umzugehen. Der Glaube, wir könnten wieder zu Systemen zurückkehren, die man nur mit einem 20er-Maulschlüssel und einem Vorschlaghammer reparieren kann, ist irrig.“
Optimistisch stimmten ihn die Bataillone, die den Puma jetzt am längsten haben. „Die wissen, dass sie mehr Zeit in die Wartung und Pflege investieren müssen. Aber keiner von denen würde jemals auf den Gedanken kommen, den Marder wieder zu holen“, sagte Mais und verwies auf herausragende Aufklärungs- und Bekämpfungsreichweiten. „Bildlich gesprochen: Der Puma fängt mit dem Kämpfen an, da weiß der Marder noch gar nicht, dass er im Krieg ist.“ (dpa)
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