„Sophie Scholl“-Vergleich – Geplanter Auftritt von linkem Fake-Ordner?

Außenminister Heiko Maas (SPD) reagierte empört auf die Äußerungen einer jungen Frau auf der "Querdenken"-Bühne in Hannover letzten Samstag. Während ihrer Ansprache trat plötzlich ein Fake-Ordner an die Bühne, ein Linksextremist der Stadt, wie sich später herausstellte. Söder fordert eine Untersuchung zu Beziehungen zwischen AfD und "Querdenken" wegen "absurden Selbstvergleiche mit Sophie Scholl oder die Gleichsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP."
Titelbild
"Diktatur" steht auf der Nase-Mund-Bedeckung" einer Teilnehmerin an einer "Querdenken"-Demonstration in Frankfurt am Main.Foto: Boris Roessler/dpa/dpa
Von 24. November 2020

Mit Empörung reagierte Außenminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter, als er von der Aussage einer Rednerin bei einer „Querdenken“-Versammlung auf dem Opernplatz in der Innenstadt von Hannover hörte.

Die junge Frau hatte sich als „Jana“ aus Kassel vorgestellt. Sie sagte, dass sie seit Monaten aktiv im „Widerstand“ sei, Reden halte, auf Demos gehe und Flyer verteile „und auch seit gestern Versammlungen anmelde“. Sie teilte den Zuhörern ihre Gefühle dazu mit: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl.“

Und mehr noch: „Ich bin 22 Jahre alt, genauso alt wie Sophie Scholl, bevor sie den Nationalsozialisten zum Opfer fiel.“ Die junge Frau versprach zudem: „Ich kann und werde niemals aufgeben, mich für Freiheit, Frieden, Liebe und Gerechtigkeit einzusetzen.“

Frau bricht weinend zusammen

Während sich die junge Frau auf der einfachen Bühne den Demoteilnehmern mitteilte, waren im Hintergrund Sprechchöre von Gegendemonstranten zu hören, die wiederholend forderten: „Halt die Fresse!“

Plötzlich trat ein junger Mann an die Bühne heran, hielt der Rednerin eine zusammengeknüllte Security-Weste hin und schimpfte. „Für so einen Schwachsinn mache ich keinen Ordner mehr“. Die sichtlich verdutzte junge Frau geriet völlig aus dem Konzept.

„Lass sie doch in Ruhe reden“, forderte eine junge weibliche Stimme aus der Zuschauermenge. Doch der Mann wiederholte sich mehrfach und sagte noch: „Wer sowas hier erzählt: Das ist doch so eine Verharmlosung vom Holocaust.“ Weitere Verbalattacken folgten. Die junge Frau musste sich umdrehen, brach innerlich völlig zusammen, begann zu weinen. Schließlich kam die Polizei hinzu, um den Mann vom Geschehen zu entfernen.

Laut „T-Online“ waren mehr als 900 Menschen am Samstag in Hannover. Mehr als 300 Personen beteiligten sich an Gegenkundgebungen, „darunter rund 120 Linksautonome“.

Geplanter Fake-Auftritt – Ordner wohl Mann der linksextremen Szene

Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)“ unter Berufung auf die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ schreibt, soll der Auftritt des angeblichen Ordners geplant gewesen sein. Der Mann soll der linksextremen Szene der Stadt angehören, der es gelungen war, mehrere Ordner unter die „Querdenken“-Demo zu mischen. Angeblich sei der Mann bereits bei vielen anderen Demos in Erscheinung getreten.

Die Inszenierung habe nach Informationen der Zeitung offenbar vorführen sollen, dass die ‚Querdenker‘-Bewegung gespalten ist“, heißt es weiter bei RND zu dem Auftritt des Fake-Ordners.

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Außenminister reagiert mit Ablehnung

Heiko Maas reagierte mit Ablehnung zu ihrer Äußerung „Wer sich heute mit Sophie Scholl o Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen.“ Das verharmlose den Holocaust, so der sozialdemokratische Spitzenpolitiker.

Söder fordert Untersuchung zu Beziehungen zwischen AfD und „Querdenken“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat sich für eine Untersuchung des Verhältnisses der AfD zur „Querdenken“-Bewegung ausgesprochen. Es gelte, genau hinzusehen, „welche engen Verbindungen und Verflechtungen es zwischen AfD und Querdenkern gibt“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ und dem „Donaukurier“ (Dienstagsausgaben, 24. November). „Natürlich haben wir alle Verständnis und Respekt für die kritischen Fragen derer, die durch Corona in ihrer Existenz bedroht sind.“

Bei Querdenkern, Rechtsextremen, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern mit antisemitischem Hintergrund höre die Toleranz aber auf, sagte Söder. „Gerade die Querdenker entwickeln sich sektenähnlich und isolieren normale Bürger in ihrer Verschwörungsblase.“

Sie hätten ein anderes Verständnis von Staat und Gesellschaft. „Absurde Selbstvergleiche mit Sophie Scholl oder die Gleichsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP belegen deren verzerrtes Weltbild. Auf diese Gruppe und deren Bezug zur AfD sollte der Verfassungsschutz achten.“

Negativ-Reaktionen vieler Politiker

Im Internet sei das Video über eine Million Mal angeschaut worden, zahlreiche Twitter-Nutzer hätten es mit „Gefällt mir“ markiert. „Doch in den Kommentarspalten finden sich auch Empörung und Ablehnung“, so das Online-Portal.

Wie das „RND“ nannte die SPD-Kreisvorsitzende, Derya Türk-Nachbaur, den Sophie-Scholl-Vergleich eine „armselige Anmaßung“ auf Twitter:

Tja, Jana aus Kassel, während Du in einer Demokratie drei Tränchen und die Öffentlichmachung Deiner Leerdenke riskierst, haben Sophie Scholl und andere in der Diktatur Ihr Leben riskiert und gelassen, um ihren Mitmenschen das Leben zu retten.“ 

Johanne Modder, Bezirksvorsitzende der SPD und Fraktionschefin der Partei im Landtag Niedersachsen schrieb nach Angaben der „Süddeutsche Zeitung“: „Wenn die Geschwister Scholl oder auch Anne Frank für die Neonazi-Rhetorik einiger Teilnehmer herhalten müssen, ist dies grauenvoll“.

SPD-Innenminister von Niedersachsen, Boris Pistorius, hatte bereist im Vorwege vor der Kundgebung gewarnt: „Wir werden uns nicht auf der Nase herumtanzen lassen von denjenigen, die diesen Staat vorführen wollen.“

Lauterbach lobt die Fake-Ordner-Reaktion

Der Gesundheitssprecher der SPD, Karl Lauterbach, lobte die Aktion des vermeintlichen Ordners als „super Reaktion“ und verweist auf das Leiden von an Lungenentzündung sterbender Menschen.

Der Autor und Video-Blogger Mirko Drotschmann sieht Mängel in der Bildungspolitik und bemängelte eine Verstümmelung des Geschichtsunterrichts in den Schulen:

Elfjähriges Mädchen feiert heimlich Geburtstag

Die „Süddeutsche“ berichtet noch von einer „Querdenken“-Demo in Karlsruhe, bei der kürzlich ein elfjähriges Mädchen die Geschichte ihrer Geburtstagsfeier mit Freunden berichtet habe. Es sei ganz anders gewesen als in den Jahren zuvor:

Wir mussten die ganze Zeit leise sein, weil wir sonst vielleicht von unseren Nachbarn verpetzt worden wären. Ich fühlte mich wie bei Anne Frank im Hinterhaus, wo sie mucksmäuschenstill sein mussten, um nicht erwischt zu werden.“

Die linksextreme Antifa Nordsachsen teilte das Video und nannte es „unfassbar“ und, dass eine Mutter hier ihr Kind politisch missbrauche. Von einem vorgefertigten Text geht die Antifa demnach aus – ohne dafür Beweise vorzulegen.

Ob das Kind bei ihrer Äußerung auf der Demo von einem Schulfilm über das jüdische Mädchen Anne Frank inspiriert wurde oder von ihren Eltern über die Geschichte erfuhr, ist nicht bekannt. Die Polizei Karlsruhe will die Äußerungen des Mädchens strafrechtlich prüfen.

Wie die „Südwestpresse“ schreibt, wurde der Fall um die Aussage der Elfjährigen am 14. November vor etwa 1.000 Zuschauern in der vergangenen Woche zur weiteren Prüfung an die Staatsanwaltschaft übergeben. Polizeisprecher Fiedler der Karlsruher Polizei sagte gegenüber dem „RND“, ein „möglicher strafrechtlich relevanter Punkt sei die ‚Verharmlosung des Holocaust'“. Allerdings würden sich die Ermittlungen nicht gegen die strafunmündige Elfjährige richten, sondern gegen den Verfasser des Textes, „wahrscheinlich die Mutter“.

Sorgen um Ermächtigung des Gesundheitsamtes

Einige Kritiker des neuen Infektionsschutzgesetzes, auch bekannt als Drittes Pandemiegesetz, vergleichen dieses mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten von 1933. Die Bundeszentrale für politische Bildung weist diesen Vorwurf zurück.

Nachdem sich Jana aus Kassel, die Rednerin auf der „Querdenken“-Kundgebung in Hannover, hinter der Bühne beruhigt hatte, kehrte sie wieder ans Mikrofon zurück, um ihr Statement zu wiederholen.

Sophie Scholl – Flugblätter gegen die Nationalsozialisten

Sophie Scholl, die zunächst im nationalsozialistischen System aktiv und integriert war, vollzog ab Frühjahr 1941 ihre persönliche Wende aufgrund des Lesens spiritueller Schriften. Im Januar 1943 war sie erstmals an der Erstellung von Flugblättern der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gegen das nationalsozialistische Regime beteiligt.

Am 18. Februar 1943 wurden sie bei einer Flugblattaktion in der Uni München erwischt und der Gestapo übergeben. Der sogenannte Volksgerichtshof verurteilte die Scholl-Geschwister und einen weiteren Studenten, Christoph Probst, am 22. Februar zum Tode. Das Urteil wurde noch am selben Tag durch Enthauptung durch die Guillotine vollstreckt. Sophie Scholl wurde nur 22 Jahre alt.



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