Hamburger Studie zu „rassistischem Denken“ in der Polizei – Thüringens IM Maier: „zu viele Einzelfälle“
Thomas Model ist Akademieleiter der Hamburger Polizei-Akademie. Auf einem zweitägigen Symposium in den Messehallen erklärte er vor hohen Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Polizei eine geplante Studie in Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen in Hamburg, NRW und Niedersachsen. Die mehrjährige Studie beginnt im Oktober und soll „natürlich freiwillig und anonym“ vonstattengehen, so Model.
Grote: Demokratische Widerstandsfähigkeit der Polizei stärken
Die Studie, bei der mindestens 3.000 Beamte im operativen Dienst sowie Führungspersonal befragt werden sollen, beschäftigt sich mit einem brisanten Vorwurf: „Wir wollen ermitteln, welche Risikofaktoren bei der Hamburger Polizei die Entstehung von Vorurteilen und radikalen Einstellungen begünstigen“, so der Akademie-Leiter gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“. Damit gibt Model den Tenor von Hamburgs oberstem Aufsichtsführer für die Polizei, Innensenator Grote, weiter, der sich dem Abendblatt wie folgt erklärte:
Nur wer sich mit diesen Risiken offen und unvoreingenommen auseinandersetzt, kann Präventionsstrategien entwickeln, um die demokratische Widerstandsfähigkeit der Polizei gegen radikale Haltungen zu stärken.“
(Andy Grote, SPD, Innensenator von Hamburg)
Sowohl Model als auch Grote gehen demnach bereits vor der Studie davon aus, dass es ein solches Problem bei der Polizei Hamburg gebe. Doch wie genau entsteht sogenanntes „rassistisches Denken“ bei Polizeibeamten?
Polizeiliche Erfahrung oder „rassistisches Denken“?
Nach Angaben von Akademie-Chef Model soll die Studie unter anderem herausfinden, welche Auswirkungen der tagtägliche Einsatz der Polizisten an Brennpunkten mit immer gleichen Gruppierungen und Problemlagen hat. Man will „die Probleme unserer Polizisten besser verstehen“.
Zuletzt wurde der Vorwurf in Essen laut, es gebe rechtsextreme und rassistische Vorfälle bei der Polizei. Dies griff auch Model auf, der dies nicht für Einzelfälle hält, aber auch nicht von einem strukturellen Problem bei der Polizei ausgeht. Model sprach „eher von einem Problem, richtig mit diesem Thema umzugehen“.
In einer E-Mail an Hamburgs 11.000 Polizeimitarbeiter fragte Model nach den Folgen bestimmter Erfahrungen und den Umgang damit: „Wichtig ist, was diese Erfahrungen mit uns machen, wie wir mit ihnen umgehen und dass wir uns durch sie nicht zu diskriminierendem Verhalten verleiten lassen. Welches sind hier Risikofaktoren? Wie können wir uns schützen?“, zitiert das Abendblatt den Leiter der Polizei-Akademie Hamburg.
SPD im Alleingang
Hamburgs sozialdemokratische Regierung geht bezüglich der Polizeistudie einen Soloweg. Zuvor hatte Bundesinnenminister Seehofer (CSU) einer derartigen Untersuchung auf Bundesebene eine Absage erteilt und zeigte sich überzeugt, „dass die überwältigende Mehrheit unserer Polizistinnen und Polizisten“ zu unserer „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ stünden.
Wie „ntv“ berichtet will das Bundesamt für Verfassungsschutz im Oktober seinen Lagebericht über Rechtsextremismus bei der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden vorstellen.
Während Seehofer die Polizei nicht allein in den Blick nehmen will, unterstützt die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ebenfalls den Ansatz bei der Polizei, den die SPD-regierten Länder ebenfalls befürworten. Lambrecht forderte Seehofer sogar dazu auf, seinen Widerstand dagegen aufzugeben, schreibt die „Tagesschau“.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), Innenminister unter Bodo Ramelow (Linke) in Thüringen, wählte sogar einen Begriff, der ansonsten eher im Zusammenhang mit Migrantenkriminalität auftaucht:
Die schiere Zahl von Einzelfällen wird langsam mal zu viel.“
(Georg Maier, Innenminister Thüringen, SPD)
Anlässlich der Innenministerkonferenz in Erfurt (17. – 19. Juni 2020) forderten „Jugendliche ohne Grenzen, Flüchtlingsrat Thüringen, PRO ASYL, der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.) und die Amadeu Antonio Stiftung die Innenminister*innen und –senatoren auf, den längst überfälligen Paradigmenwechsel in der Bekämpfung von Rassismus zu vollziehen“, schrieb die Antonio-Amadeu-Stiftung in einer Pressemitteilung. Dies war verbunden mit weiteren Forderungen dieses Bündnisses, wie „effektive Maßnahmen gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt, ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und eine Kehrtwende in der Flüchtlings- und Migrationspolitik“.
Eine Studie im „Spiegel“
Der „Spiegel“ gab eine Studie in Auftrag, die zu dem Ergebnis führte, dass die Mehrheit (55 Prozent) in Deutschland für eine Rassismusstudie bei der Polizei sei und erhöhte damit den öffentlichen Druck auf Horst Seehofer und seine Abwehrhaltung: „Mit dieser Haltung stellt er sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung“, so das Blatt.
An der Online-Umfrage vom 18. bis 21. September nahmen 5.000 Menschen teil. Beauftragt hatte der „Spiegel“ damit das Berliner Meinungsforschungsinstitut Civey, gegen das vermehrt Kritik aus Fachkreisen wegen seiner Umfragemethoden laut wurde. Im Februar zitierte die „Zeit“ dazu Professor Rüdiger Schmitt-Beck, vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim: „Man kann mit Umfragen, bei denen sich die Befragten selbst auswählen, nicht das Meinungsbild der Gesamtbevölkerung abbilden“, so Schmitt-Beck.
Die „Spiegel“-Studie wurde am 22. September veröffentlicht und noch am selben Tag von der Antonio-Amadeu-Stiftung auf Twitter mit nahezu dem gleichen Wortlaut gegenüber Seehofer wie der „Spiegel“ weiterverbreitet.
Knapp 55% der Bevölkerung halten eine Studie zu #Rassismus bei der Polizei für notwendig – das ergibt eine repräsentative Umfrage für den Spiegel. Mit seiner Verweigerungshaltung stellt sich das @BMI_Bund gegen die gesellschaftl. Mehrheit. #Polizeiproblem https://t.co/WttTnB99AG
— Amadeu Antonio St. (@AmadeuAntonio) September 22, 2020
Welches Problem hat also die deutsche Polizei?
Bereits 2015 veröffentlichte die Bochumer Polizistin Tania Kambouri ihren „Notruf einer Polizistin“ ein keineswegs rassistisches Buch über die unhaltbaren Zustände, denen Deutschlands Polizisten auf den Straßen begegnen. Seither sind einige Jahre vergangen. Doch anscheinend wurde ihr Notruf von der Politik nicht gehört.
Mit Material von dpa
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