Hambacher Schloss: Tausende von Demokratiefest ausgeschlossen

Man wollte unter sich bleiben: Im Vorfeld des ersten Demokratiefests am Hambacher Schloss warnten Politik und Medien vor Besuchern aus der rechten Szene. Als Tausende Menschen erschienen und friedlich feierten, hieß es in Medien, es hätte „massive Störungen“ durch „Reichsbürger und Querdenker“ gegeben. Die Polizei erlebte die Veranstaltung anders.
Titelbild
Archivbild 2022: Solche Bilder will die Stadt Neustadt an der Weinstraße am Pfingstsonntag nicht sehen: Weiß gekleidete Regierungskritiker am Fuße des geschichtsträchtigen Hambacher Schlosses.Foto: Tass
Von 3. Juni 2022

Auf dem Schlossgelände gepanzerte Limousinen, handverlesene Gäste aus Politik, Kultur und Wirtschaft, leere Bierbänke, kaum besuchte Bühnen und Gastrostände. Wenige Meter talwärts, aufgehalten von mehreren Hundertschaften Polizei Tausende friedliche Bürger, die mitfeiern wollen, aber nicht dürfen. So sah es am Samstag beim Hambacher Demokratiefest aus.

Die Bürgerschar am Fuße des Hambacher Schlosses ist überwiegend weiß gekleidet, es wird gesungen und getrommelt. Auf Transparenten, T-Shirts und in Sprechchören werben sie für Frieden, Freiheit und Grundgesetz. Aus Behördensicht scheint es sich um eine potenzielle Gefahr zu handeln. Beamte in schwerer Montur halten die Festbesucher stundenlang auf, bis die politischen Repräsentanten – darunter der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) und Neustadts Bürgermeister Marc Weigel (FWG) – fertig gespeist, parliert und das Schlossgelände wieder verlassen haben. Jenen Ort, der vor fast genau 190 Jahren als „Wiege der deutschen Demokratie“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist.

Vom „Marsch aufs Schloss“ zum Besuch in Weiß

Nicht nur in seiner bewegten Vergangenheit, auch in der Gegenwart entzünden sich am Hambacher Schloss im rheinland-pfälzischen Neustadt immer wieder politische Konflikte. Als Sinnbild gelebter Demokratie beanspruchen den Ort sowohl Staat und Regierung als auch deren Kritiker aus Opposition und Bürgertum als geschichtsträchtige Kulisse für ihre Veranstaltungen.

Im Jahr 2016 mietete die AfD Rheinland-Pfalz das Schloss, was für Empörung und Gegendemonstrationen sorgte. Zwei Jahre später lud Finanzexperte Max Otte, CDU-Mitglied und ehemaliger Vorsitzender der Werte-Union, zu einem „Neuen Hambacher Fest“, unter den Gästen der damalige AfD-Chef Jörg Meuthen und Ex-SPD-Politiker Thilo Sarrazin. Menschen mit anderen Ansichten fanden das schwer erträglich.

Im Vorfeld des diesjährigen ersten Demokratiefests (Motto: „Mut zur Freiheit“), zu dem die Stadt Neustadt und die Stiftung Hambacher Schloss am 28. und 29. Mai anlässlich des 190-jährigen Jubiläums des historischen Hambacher Fests 1832 ausdrücklich auch die Bürger eingeladen hatte, waren es Pläne des Unternehmers Dr. Wolfgang Kochanek, die aufgebrachte Gegen-Kampagnen auslösten.

Kochanek, eigenen Aussagen zufolge seit jeher links-liberal, hatte zunächst einen „Marsch aufs Schloss“ mit mehreren Zehntausend Teilnehmern angekündigt, der parallel zur städtischen Veranstaltung stattfinden und eine Reminiszenz an das historische Hambacher Fest werden sollte. Das Vorhaben wurde, so Kochanek gegenüber „zwanzig4.media“, von der Stadtverwaltung allerdings in der beantragten Form untersagt.

In einem Interview regte der Unternehmer Ende Mai nur noch an, als friedliche Besucher am offiziellen Demokratiefest der Stadt Neustadt teilzunehmen. Er selbst würde es so handhaben. Zudem schlug er vor, dass alle, die auch dorthin kämen, um zu feiern und für Demokratie und Grundrechte einzustehen, sich beim Festbesuch weiß kleiden könnten, um Einheit und Friedlichkeit zu signalisieren, so Kochanek im Gespräch mit „zwanzig4.media“.

Dr. Wolfgang Kochanek: Rechts-Diffamierung ohne jeden Beleg

Für Politik, Stadtvertreter und Schloss-Repräsentanten war der Fall damit offenbar klar: Kochanek, in der Region auch als Regierungskritiker und Kritiker der Maßnahmenpolitik bekannt, will das Demokratiefest zusammen mit der „Wir leben in einer Diktatur“-Szene, wie es im „Warnhinweis“ eines Programm-Flyers hieß, kapern.

Politiker und Größen aus Wirtschaft und Kultur, darunter die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), Parteikollege und Innenminister Lewentz, BAP-Sänger Wolfgang Niedecken und andere bekannte Namen warnten mit einer Online-Petition namens „Hambacher Intervention“ vor „Gruppierungen oder Personen, die für sich beanspruchen, auf den Spuren der Teilnehmenden des Hambacher Fests zu wandeln“. Weiterhin heißt es dort: „Mit umso größerer Sorge erfüllt es uns, dass dieser Krieg [Ukraine] ebenso wie die Coronapandemie von einer sich zunehmend radikalisierenden Minderheit dazu genutzt wird, um unsere bundesrepublikanische Demokratie und ihre Institutionen zu delegitimieren.“

Ein dem Hambacher Schloss gewidmeter Blog („Gegen die Vereinnahmung des Hambacher Schlosses durch Rechtsnationalisten und Rechtsextremisten“) beleuchtete die Person Dr. Wolfgang Kochanek in mehreren Beiträgen. Der Autor über Kochanek: „Man kann sich Dr. Wolfgang Kochanek – Mitte 60, Chemiker, Neustadter Unternehmer, Vollbartträger – gut als einen FDP-Anhänger vorstellen: Vertreter des freien Unternehmertums, Bürokratiekritiker, Verteidiger individueller Freiheiten, Kritiker allzu strenger Coronamaßnahmen – aber geimpft und geboostert – gegen Umverteilung und einen überbordenden Fürsorgestaat, Freund des technischen Fortschritts, Gegner der Gender- und anderer ‚Laberwissenschaften‘. So weit, so harmlos. Trotz offenbar intensiver Recherchen kommt der Autor im selben Artikel aber zum gänzlich unbelegten Schluss: „Man kann hier einen Menschen beobachten, wie er auf die ‚schiefe Bahn‘ nach rechts gerät und bis zum 28. 5., wenn er nicht aufpasst, ganz unten im rechtsextremen oder neurechten Sumpf landet.“

Tausende kamen, die Medien schwiegen

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Kochaneks Idee verbreitete sich fast von allein, mehrere Tausend Menschen kamen am vergangenen Samstag ins kleine Neustadt an der Weinstraße (53.000 Einwohner). Mindestens 3.000 Besucher drängten sich laut Polizei Richtung Schloss durch die Stadt. Kochanek selbst und Augenzeugen vor Ort berichten von deutlich höheren Besucherzahlen, Videos der Veranstaltung (ab 4:20 min) scheinen das zu bestätigen.

Viele Menschen trugen Weiß, alles blieb friedlich. Auf das Schlossgelände wurden die Menschen von der Polizei allerdings erst gelassen, als das Fest schon fast vorbei war. Der SWR berichtete:

Die Polizei sagte dem SWR, der Protest sei größtenteils friedlich gewesen, bisher habe es auch keine Strafanzeigen gegeben. Einige Demonstranten hätten ihre Meinung zwar lautstark geäußert, aber die Beamten vor Ort konnten keine Bedrohungen oder Ausschreitungen feststellen. Lediglich eine Flagge mit verfassungsfeindlichem Motiv sei sichergestellt worden.“

Trotz sensationeller Bilder und Videos vor historischer Kulisse berichteten überregionale Medien nicht über die friedlichen Menschenansammlungen in den Neustadter Gassen und am Hambacher Schloss. Die „Deutsche Presseagentur“ verbreitete Fotos von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, entstanden am dritten und letzten Festtag vor geradezu ausgestorbener Schlosskulisse.

Trotz der zitierten positiven Bilanz der Neustadter Polizei berichtete der SWR, dass „Reichsbürger und Querdenker“ das Demokratiefest massiv gestört hätten. Im Artikel wird auch die Mitarbeiterin eines Standes der Neustadter NS-Gedenkstätte zitiert. Sie berichtet, sie sei mit Müll beworfen worden und habe ihren Info-Stand abbauen müssen.

In der Pressemitteilung der Polizei taucht der Zwischenfall nicht auf. Polizeisprecher Thorsten Mischler sagte auf Anfrage von „zwanzig4.media“ dazu: „Die Äußerungen sind bekannt, Ermittlungen laufen. Die geschädigten Personen sind nicht aktiv auf uns zugekommen, wir haben aber Kontakt mit ihnen aufgenommen. Aussagen liegen noch nicht vor. Es liegt keine Strafanzeige vor.“



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