Habeck umwirbt die Union: Schwarz-Grün im Bund „darf kein Tabu sein“
CSU-Chef Markus Söder hat eine Koalition mit den Grünen nach der vorgezogenen Bundestagswahl zuletzt mehrfach ausgeschlossen. Den „Kandidaten für die Menschen“, wie die Grünen ihren Kanzlerkandidaten und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nennen, scheint dies wenig zu beeindrucken.
Schon auf dem Parteitag, auf dem die Grünen am Sonntag, 17.11., den Minister zum Spitzenkandidaten gekürt hatten, waren diese bemüht, die Union nicht vor den Kopf zu stoßen. In der ZDF-Sendung „Was nun?“ unterstrich Habeck, dass seine Partei vorhat, weiterhin an der Regierung zu bleiben.
Schwarz-Grün auszuschließen, „sollten Demokraten nicht tun“
Es gebe bezüglich einer schwarz-grünen Option im Bund „kein Tabu“ bei den Grünen, erklärte der Minister. Die Regierungen in vielen Bundesländern bewiesen, dass „die Grünen und die CDU erfolgreich miteinander regieren können“. Schwarz-Grün von vornherein auszuschließen, wie Söder dies mache, „sollten Demokraten nicht tun“.
Habeck nannte Sachsen als abschreckendes Beispiel. Dort habe Ministerpräsident Michael Kretschmer Wahlkampf gegen die Grünen gemacht – und dies habe nun „zum allergrößten Schlamassel“ in Form der Regierungsunfähigkeit geführt. Dies sei „schon eine gedankliche Verwilderung des schlimmsten Maßes“ gewesen.
Auf ihrem Parteitag in Wiesbaden hatten die Grünen es vermieden, Anträge zu unterstützen, die auf CDU und CSU von vornherein abschreckend wirken könnten. Aus der Grünen Jugend kam Kritik an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, dieser äußere sich „immer wieder rassistisch“. Zudem brachte sie einen Antrag ein, der ein Ende der Schuldenbremse forderte. Allerdings wies der Parteitag diesen mit deutlicher Mehrheit zurück.
Habeck möchte diese „reformieren“, um „Investitionen zu ermöglichen“. Die Union betrachtet eine Veränderung derselben zumindest auf Bundesebene jedoch als No-Go.
Habeck kündigt Verschärfung der Kriegspolitik in der Ukraine an
In seinem Fernsehinterview machte Habeck der Union noch weitergehende Avancen. So erklärte er, als Kanzler der Ukraine „Taurus“-Marschflugkörper liefern und damit eine Kehrtwende gegenüber der Politik von Olaf Scholz vollziehen zu wollen.
Bei anderen Themen sind hingegen wenig Gemeinsamkeiten zu erkennen. Ein auf dem Parteitag beschlossener Antrag zum Thema „Migration“ enthielt die Forderung, das europäische Asylsystem GEAS umzusetzen. Von einer Zurückweisung Asylsuchender an den EU-Binnengrenzen, wie die Union sie fordert, wollen die Grünen jedoch nichts wissen.
Die Union hat erst kürzlich angekündigt der Subventionspolitik Habecks den Kampf anzusagen. Dies könnte zu einer Rücknahme des sogenannten Heizungsgesetzes führen, das als ein Schlüsselprojekt des amtierenden Bundeswirtschaftsministers gilt.
Umfrage: 24 Prozent halten Habeck für „geeignet als Kanzler“
Am Sonntag hatten die Grünen Habeck mit 96,48 Prozent zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt. Offiziell bezeichneten sie ihn im dazugehörigen Antrag als „Kandidaten für die Menschen“.
Die Grünen schreckten am Ende davor zurück, Habeck offen als „Kanzlerkandidaten“ zu bezeichnen. Im Antrag hieß es, dass dieser „das Zeug zu einem guten Bundeskanzler“ habe.
Aktuelle Umfragen sehen seine Partei bei maximal 12 Prozent der Wählerstimmen. Als Annalena Baerbock im Juni 2021 zur Kanzlerkandidatin ausgerufen wurde, waren es noch etwa 20 Prozent. Bei der Wahl selbst landeten die Grünen allerdings nur bei 14,7 Prozent.
Einer jüngst veröffentlichten YouGov-Umfrage zufolge erklärten 24 Prozent der Befragten, Robert Habeck als sehr oder eher geeignet für das Kanzleramt zu sehen. In urbanen Gebieten waren es sogar 28 Prozent. Bei einigen Detailfragen lag er sogar vor Friedrich Merz, Olaf Scholz und Christian Lindner.
Dass er „glaubwürdig“ sei, attestierten Habeck 15 Prozent der Deutschen. Jeweils 13 Prozent sagten, er sei „charismatisch“ und habe „die richtigen Ideen für die Zukunft“. Sieben Prozent der Befragten sagten, Habeck setze sich „für Leute wie mich ein“. Allerdings reichte dies in den entsprechenden Kategorien für Platz 1, weil Merz, Scholz und Lindner jeweils noch geringere Anteile verbuchten.
Zu knappe Mehrheit für Schwarz-Grün könnte Ypsilanti-Schicksal für Merz bedeuten
Dem Durchschnitt jüngster Umfragen zufolge kämen Unionsparteien und Grüne gemeinsam auf eine dünne Mehrheit von 52,1 Prozent der Mandate im Bundestag. Sollte es die Linkspartei schaffen, über drei Direktmandate in den Bundestag zu gelangen, würde die Mehrheit auf eine Stimme schrumpfen. In diesem Fall würde Merz, sollte er das Experiment wagen wollen, das Schicksal einer Heide Simonis oder Andrea Ypsilanti drohen.
Im Jahr 2005 wollte Simonis mit einer Mehrheit von einer Stimme im Landtag in Schleswig-Holstein eine rot-grüne Regierung bilden – scheiterte aber in vier Wahlgängen an einem Abweichler aus den eigenen Reihen. Ähnlich erging es 2008 Andrea Ypsilanti, die ein rot-grünes Minderheitskabinett unter Tolerierung durch die Linke in Hessen installieren wollte. Nachdem vier SPD-Abgeordnete schon im Vorfeld eine Verweigerung ihrer Zustimmung signalisiert hatten, musste sie dieses Vorhaben aufgeben.
Für eine schwarz-grüne Mehrheit würde es ebenfalls nicht reichen, sollte der FDP der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen. In diesem Fall wäre „Jamaika“ die einzige Option, die Grünen an der Regierung zu halten. Ob die Union nach den Erfahrungen des Gegeneinanders von Grünen und FDP in der Ampel diese Möglichkeit erwägen würde, ist unklar.
Mehrere führende Grünen-Politiker hatten die Liberalen als „nicht regierungsfähig“ bezeichnet, nachdem Medien über die Pläne der FDP-Führung zum Ampel-Aus berichtet hatten.
Habeck macht Große Koalition für Wirtschaftskrise verantwortlich
Eine Verantwortung der Grünen bezüglich des Bruchs der Ampel wies Habeck zurück. Zwar habe er auch selbst kurz vor Ende der Koalition ein Wirtschaftspapier veröffentlicht, das über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinausgehe. Er habe dies jedoch „nicht zur Bedingung für den Fortbestand der Koalition gemacht“.
Zugleich räumte Habeck ein, dass es in Deutschland ein Innovationsdefizit gebe und die Infrastruktur in einem schlechten Zustand sei. Verantwortlich dafür seien jedoch weder er noch die Grünen, sondern dieses Problem sei „über Jahrzehnte gewachsen“. Auch in seiner Parteitagsrede machte Habeck vor allem die Große Koalition für die wirtschaftliche Krise verantwortlich.
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