Grundgesetzänderungen: Nach 50-Milliarden-Angebot von Merz bleiben Grüne „gesprächsbereit“

Nach der ersten Lesung zu den umfassenden Grundgesetzänderungen läuft es weiter auf eine Machtprobe zwischen Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) und den Grünen hinaus. FDP, AFD, die Linken und das BSW werden neuen Schuldenpaketen für Militär und Infrastruktur wohl nicht zustimmen.
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Der mutmaßliche Kanzler Friedrich Merz (CDU) warb bei der ersten Lesung seines Gesetzespakets für das geplante Schuldenpaket von Union und SPD im „alten“ Bundestag um Mehrheiten.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 13. März 2025

Bei der ersten Lesung der geplanten Grundgesetzänderungen haben die Redner der mutmaßlichen künftigen Koalitionspartner Union und SPD am 13. März 2025 eindringlich für eine Zustimmung zu ihren Billionen schweren Fiskalpaketen geworben. Dafür hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) extra die Mitglieder des alten Bundestags zusammengerufen. Im Anschluss wurden die Vorlagen an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

Am 18. März sollen die zweite und dritte Lesung einschließlich der vorentscheidenden Abstimmung stattfinden. Der Bundesrat soll am 21. März grünes Licht geben, damit die Änderungen des Grundgesetzes (GG) noch vor Konstituierung des neuen Bundestags am 25. März in Kraft treten können.

Klingbeil: Lage „dramatisch verschärft“

Als erster Redner begründete SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil die kurzfristige Sondersitzung damit, dass die „internationale Lage“ sich in den vergangenen Wochen „dramatisch verschärft“ habe. Als Beispiele nannte er die Rede von JD Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz, die „Unberechenbarkeit“ des US-Präsidenten Donald Trump und dessen Umgang mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus.

Man müsse zwar weiter alles dafür tun, „das transatlantische Bündnis hochzuhalten“. Das aber befreie Europa nicht von der Aufgabe, die Sicherheit in die eigenen Hände zu nehmen. Wenn die Ukraine falle, falle auch der Frieden, und die EU gerate in Gefahr. Die „historische Chance“ auf einen Befreiungsschlag dürfe man „nicht leichtfertig verspielen“, so Klingbeil. Deutschland müsse „die Rolle ausfüllen, die international von uns erwartet wird“.

Seine Co-Parteichefin Saskia Esken verlangte die Zustimmung zu den neuen Schuldenpaketen. Das Konsumverhalten einer „schwäbische Hausfrau“ sei normalerweise ein Vorbild. „Aber wenn’s zum Dach hinreinregnet, nehmen wir Kredit auf, weil sonst die Substanz zerstört würde“. Das sei auch eine Frage von Sicherheit, Freiheit und Wohlstand.

Merz: Brauchen „umfassende neue Agenda für unser Land“

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz argumentierte ähnlich wie Klingbeil mit einer „in jeder Hinsicht besorgniserregenden Sicherheitslage“ und „immer größeren wirtschaftlichen Herausforderungen“, die keinen Aufschub mehr duldeten. Bis ein neuer Bundestag „entscheidungsfähig“ sei, könne es noch mehrere Monate dauern. Weitere Verzögerungen seien „unverantwortlich“:

Glauben Sie im Ernst, dass die NATO zuschauen wird, wenn wir alles so weiter machen wie bisher?“

Immer wieder betonte Merz, dass es gleichermaßen nötig sei, die Wirtschaft mit Investitionen zu stärken und die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr herzustellen. Die Union stehe „ohne jede Einschränkung“ für eine „umfassende neue Agenda für unser Land“.

Zu weiteren Zugeständnissen an die Grünen bereit

Mit Blick auf die „außerordentlich guten, sehr vertrauensvollen Gespräche“ mit den Grünen erklärte Merz, er sei bereit, 50 Milliarden Euro „ergänzend“ in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu stecken – als „Reparatur“ für die haushaltspolitischen Fehler der Ampelkoalition: „Was, liebe Grüne, wollen sie in dieser kurzen Zeit noch mehr?“

Kritische Stimmen, die ihn in den vergangenen Tagen der Lüge, des Wahlbetrugs oder des Verrats bezichtigt hatten, wies Merz zurück: Er habe schließlich schon am 13. November 2024 auf dem Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ in Berlin zu verstehen gegeben, dass er GG-Änderungen für Investitionen und „die Zukunft unserer Kinder“ in Kauf nehmen würde, nicht aber für Konsum oder Sozialpolitik. Die aktuellen Vorschlagspapiere entsprächen genau diesem Ansatz.

Damit biss er bei vielen Folgerednern auf Granit. Abgeordnete wie der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr oder die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel erinnerten Merz anhand diverser Zitate daran, dass er im Wahlkampf einer Aufweichung der Schuldenbremse immer wieder klare Absagen erteilt habe. Jetzt könne er unter Verweis auf einen kaum bekannten Auftritt in einem Zeitungsforum nicht einfach das Gegenteil verfolgen.

Weidel: „Schwarze Ampel im Endstadium“

Weidel warf Merz eine „Verachtung gegenüber dem Wählerwillen und dem demokratischen Legitimationsprozess“ vor: „Weil Ihnen die Wahlergebnisse nicht passen, ziehen Sie den alten Bundestag noch einmal heran, mit den Kräften, die vom Wähler abgewählt und abgestraft wurden“. Sie riet Merz, seine Kanzlerpläne aufzugeben. Der Union empfahl sie, sich von Merz zu trennen.

Die 500 Milliarden Euro „für nicht näher definierte Investitionsmaßnahmen“, „Schulden für die Bundeswehr ohne Grenze“ und „Schulden für Klimaschutz, um sich Zustimmung der Grünen zu erkaufen“, würden letztlich zu höheren Zinsen für alle führen und die internationale Kreditwürdigkeit Deutschlands gefährden. Es handele sich um „nichts anderes als einen finanzpolitischen Staatsstreich“. Sämtliche Vorschläge klängen für sie „schon jetzt nach schwarzer Ampel im Endstadium“.

Grüne tadeln – bleiben aber „gesprächsbereit“

Die grüne Co-Fraktionschefin Katharina Dröge warf dem Kanzler in spe vor, aus „politischem Kalkül“ bislang nie auf die Vorschläge der Grünen eingegangen zu sein, insbesondere zu einer „vernünftigen Reform der Schuldenbremse“. Nun werde ihre Partei den „Klimaschutz“ eben „bis zum Ende“ verhandeln: „Wenn Sie unsere Stimmen haben wollen, dann messen wir es an der Realität“, so Dröge.

Felix Banaszak (Grüne) legte nach: „Im Gemischtwarenladen von 500 Milliarden Blankoschecks ist alles drin, außer Klimaschutz“, bemängelte Banaszak, „das ist ein Hinweis, dass uns eine antiökologische Regierung droht“. Banaszak stellte wie Dröge allerdings klar, „jederzeit gesprächsbereit“ zu sein.

Fraktionskollegin Britta Haßelmann verlangte von Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) die sofortige Freigabe der bislang zurückgehaltenen drei Milliarden Euro für die Ukraine, auch als Signal für die „europäischen Partner“. Haßelmann ließ offen, ob die Grünen auf die 50-Milliarden-Zusage für den KTF eingehen werden: „Angebote für unzureichende Gesetzentwürfe macht man weder über die Mailbox noch im Plenum, wenn man will, dass die Erfolge haben.“

FDP-Redner für schlankeren Staat und „Verteidigungsfonds“

FDP-Fraktionschef Christian Dürr warnte Merz davor, sich auf eine „linke Wirtschaftspolitik“ einzulassen. Der Liberale machte das Angebot, das bereits etablierte Bundeswehr-Sondervermögen im Rahmen eines „Verteidigungsfonds“ von 100 auf 300 Milliarden Euro aufzustocken. Einem 500-Milliarden-„Sondervermögen“ für die Infrastruktur erteilte Dürr dagegen eine Absage: Es handele sich um einen „Verschiebebahnhof“, dessen Idee Merz auch noch bei Bundeswirtschaftsminister Habeck „geklaut“ habe.

FDP-Parteichef Christian Lindner schlug vor, „den Staat auf seine Kernaufgaben zu beschränken, indem wir ihn da beschneiden, wo er lästig und teuer ist“. Stattdessen habe bereits die „erste Generation Merkel, Scholz und Merz die Friedensdividende verfrühstückt“ und die „Infrastruktur vernachlässigt“.

Linke und BSW werden Zustimmung verweigern

Heidi Reichinnek, die Fraktionsvorsitzende der Linken, verlangte eine Einberufung des neuen Bundestags gleich nach der für den Freitag geplanten Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses zur Bundestagswahl. Das neue Plenum könne dann bereits am Montag zusammentreten. „Dann hätten wir vielleicht zugestimmt“, so Reichinnek. Nun aber werde man vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Vorgehen von Merz klagen.

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sprach von dem „wahnwitzigsten Paket“ und dem „größten Wahlbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik“. Das BSW sei nicht bereit, „Stellvertreterkriege der USA auf unsere Kosten“ weiterzuführen. Sowohl das Land Thüringen als auch Brandenburg würden sich im Bundesrat der Stimme enthalten, kündigte Wagenknecht an.

Das Video der knapp vierstündigen Debatte können Sie bei Epoch Times sehen.



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