„taz“-Artikel: Grüne und Linke kritisieren Seehofers angekündigte Anzeige – Bundeskanzlerin schaltet sich ein
Scharfe Kritik gab es seitens den Grünen und den Linken zur geplanten Strafanzeige von Bundesinnenminister Seehofer gegen eine Autorin der "taz". Grünen-Geschäftsführer Kellner bezeichnete das Vorhaben als "Angriff auf die Pressefreiheit". In die Debatte schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein.

Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/dpa
Politiker von Grünen und Linkspartei haben scharfe Kritik an der geplanten Strafanzeige von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen eine Autorin der „taz“ geübt. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner bezeichnete Seehofers Vorhaben am Sonntagabend auf Twitter als „Angriff auf die Pressefreiheit – unabhängig davon, ob man den Meinungsbeitrag gut oder schlecht findet“.
Kellner fügte hinzu: „Ein Innenminister, der eine Journalistin anzeigt, klingt nach Orban oder Kaczyński.“ Damit bezog er sich auf die national-konservativen Regierungen in Ungarn und Polen.
„taz“-Autorin: Polizeibeamte sind am besten auf einer „Mülldeponie“ aufgehoben
Die Debatte dreht sich um einen polizeikritischen Satire-Beitrag der „taz“-Autorin Hengameh Yaghoobifarah: Sie hatte darin geschrieben, Polizeibeamte seien am besten auf einer „Mülldeponie“ aufgehoben. Der Beitrag hatte einen heftigen Streit ausgelöst. Seehofer hatte den Artikel am Sonntagabend gegenüber der „Bild“ als „unsäglich“ kritisiert und eine Strafanzeige gegen die Autorin angekündigt.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke warf dem Bundesinnenminister „Einschüchterungsversuche gegenüber unliebsamen Journalistinnen und Journalisten“ vor. Ein solches Vorgehen „kennen wir vom türkischen Despoten Erdogan, in einem demokratischen Staat sollte sich das von selbst verbieten“, erklärte Jelpke.
Seehofer lässt nach heftiger Kritik offen, ob er seine Ankündigung umsetzen wird
Am Montagmittag ließ Seehofer nach heftiger Kritik offen, ob er seine vorherige Ankündigung umsetzen werde. Dies werde im Ministerium „sorgfältig geprüft und dann schläft man darüber“, sagte er lediglich.
Auf einer Pressekonferenz in Stuttgart, wo sich Seehofer über die Lage nach den Krawallen vom Wochenende informierte, bekräftigte der Minister aber seine scharfe Kritik an der Kolumne. „Ich bin sehr für Presse- und Meinungsfreiheit, aber es gibt auch Grenzen“, sagte Seehofer. Er verwies darauf, dass auch die Chefredakteurin der „taz“ in Verbindung mit dem Artikel von einer „Herabsetzung von Personen“ gesprochen habe.
Seehofer hatte in diesem Zusammenhang von einer „Enthemmung der Worte“ gesprochen, auf die „unweigerlich eine Enthemmung der Taten“ folge und dabei auch eine Verbindung zu den Stuttgarter Krawallen hergestellt. Er werde am Montag in seiner Funktion als Bundesinnenminister „Strafanzeige gegen die Kolumnistin“ stellen, sagte der Minister dazu der „Bild“-Zeitung am Sonntag.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltet sich in Debatte ein
Am Montag legte sich Seehofer dagegen nicht mehr fest, nachdem ihm ein Angriff auf die Pressefreiheit vorgeworfen worden war. „Über das Erheben der Anzeige wurde noch nicht entschieden“, sagte ein Ministeriumssprecher. Er verwies allerdings auch auf die im Grundgesetz festgeschriebenen Grenzen der Meinungs- und Pressefreiheit, etwa wenn das „Recht der persönlichen Ehre“ verletzt wird.
In die Debatte schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. „Die Bundeskanzlerin ist in dieser Sache mit dem Bundesinnenminister im Gespräch“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wir stehen aus tiefer Überzeugung zu den Polizisten“, hob er aber weiter hervor. Zugleich betonte Seibert auch: „Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut.“ Sie sei jedoch „nicht grenzenlos“, sagte auch er.
Kritik an Seehofer gab es auch deswegen, weil sich der Minister am Montag – trotz angesetzter Pressetermine – zu seinem Vorgehen zunächst lediglich gegenüber der „Bild“-Zeitung äußerte.
Chefredakteurin der „taz“ entschuldigt sich bei Lesern
Kritik an Seehofers Ankündigung kam auch von der Grünen-Abgeordneten Renate Künast. Es sei „ungeheuerlich, wenn ein Innenminister schreibt, er erstatte ‚als Innenminister‘ Anzeige gegen eine Journalistin wegen eines Kommentars“, schrieb Künast auf Twitter. „Das soll eine Botschaft sein!? Gegen Pressefreiheit!? Seehofer am Ende.“
„taz“-Chefredakteurin Barbara Junge hatte am Wochenende ihr Bedauern über die Kolumne ausgedrückt, die „daneben gegangen“ sei und sich bei den Lesern ihrer Zeitung entschuldigt. „Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen. Das tut mir leid.“
Die Chefredakteurin der „taz“ kündigte nun an, dass es zukünftig Debattenbeiträge mit unterschiedlichen Perspektiven in der Zeitung geben werde, berichtet die „B.Z.“. (afp/er)
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