Göring-Eckardt schließt Streckbetrieb von AKW nicht aus

Im Ringen um die Stromversorgung im kommenden Winter sind Kernkraftwerke weiterhin im Gespräch. Auch Grünen-Politikerin Göring-Eckardt stellt sich nicht grundsätzlich gegen eine übergangsweise Nutzung.
Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ist zu Gast in der ARD-Sendung «Anne Will».
Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ist zu Gast in der ARD-Sendung «Anne Will».Foto: Wolfgang Borrs/NDR/dpa
Epoch Times25. Juli 2022

Das Kapitel Kernkraft in Deutschland schien bereits endgültig geschlossen. Doch die aktuelle Energiekrise hat die Ausstiegsdebatte neu angefacht. Es wird kontrovers diskutiert, ob die Abschaltung der Meiler verschoben werden sollte – notfalls im sogenannten Streckbetrieb ohne neue Brennstäbe.

Union und FDP werben dafür, den Ausstiegsplan für die Meiler auszusetzen und einen zumindest begrenzten Weiterbetrieb über den Jahreswechsel hinaus zu ermöglichen. Die Reaktoren sollten demnach weiterhin Strom erzeugen und damit Gas einsparen, das zur Erzeugung von Elektrizität eingesetzt wird.

Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium verwarfen diese Option schon im März bei einer Prüfung. Eine Laufzeitverlängerung leiste nur einen „sehr begrenzten Beitrag“ zur Problemlösung, hieß es. Angesichts der angespannten Lage wird die Sache aber erneut geprüft. SPD und insbesondere Grüne sind viel skeptischer. Inzwischen aber halten auch sie einen zumindest befristeten Weiterbetrieb im Krisenfall für denkbar.

So will Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) einen sogenannten Streckbetrieb von Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus nicht ausschließen. Auf die Frage, ob die Grünen einen Streckbetrieb der Meiler zulassen würden, sagte sie in der ARD-Sendung „Anne Will“: „Wenn es dazu kommt, dass wir eine wirkliche Notsituation haben, dass Krankenhäuser nicht mehr arbeiten können, wenn eine solche Notsituation eintritt, dann müssen wir darüber reden, was mit den Brennstäben ist.“ Zugleich machte sie klar: „Eine Laufzeitverlängerung wird es nicht geben.“

Die Sache mit Strom und Wärme

Atomkraftwerke erzeugten im ersten Quartal amtlichen Angaben zufolge sechs Prozent des Stroms in Deutschland, Gaskraftwerke 13 Prozent. Allerdings erzeugen Gaskraftwerke anders als Atommeiler in den meisten Fällen neben Strom auch Heizwärme für Haushalte und Industrie. Das macht die Sache mit Gaseinsparungen durch Verlagerung der Stromproduktion auf Atommeiler zusätzlich kompliziert – denn viele Gaskraftwerke müssten trotzdem laufen.

Ist ein Weiterbetrieb überhaupt möglich?

Dies ist nicht eine rein rechtliche und politische Frage, sondern auch eine technisch-betriebswirtschaftliche. Wegen des Atomausstiegs sind die drei verbliebenen Meiler bislang auf eine Laufzeit bis Ende des Jahres ausgelegt. Betreiber müssten bei kurzfristigen Verlängerungen zusehen, wie sie schnell das erforderliche Personal und genug Kernbrennstoff auftreiben.

Auch die Frage aufwendiger periodischer Sicherheitsprüfungen würde sich im Fall einer Laufzeitverlängerung neu stellen. Betreiber der verbliebenen Atomkraftwerke wie der Energiekonzern RWE äußerten sich zuletzt jedenfalls ablehnend. Dessen Chef Markus Krebber verwies unter anderem auf komplexe Fragen der Sicherheitsarchitektur und Risikoübernahme.

Auch Brennstäbe haben Lieferzeiten

Das Uran in den Kernbrennstäben hält nur eine gewisse Zeit. Laut deutschem Bundesverband der Atomenergiebranche liegt die Nutzungsdauer einer Beladung üblicherweise bei vier Jahren. Die Ersatzbeschaffung braucht demnach einen gewissen Vorlauf, eine Lieferung neuer Brennstäbe wäre demnach erst im nächsten Jahr möglich. Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin geht ebenfalls davon aus, dass dies mehr als ein Jahr dauern würde.

Was ist mit dem Streckbetrieb?

Die in den Brennelementen der Reaktoren heute noch vorhandene Uranmenge ist dem Verband zufolge unterschiedlich groß – und der Verbrauch unter anderem abhängig von der abgerufenen Leistung. Am größten ist die Restmenge demnach im Meiler Isar 2, wo es einem TÜV-Gutachten zufolge bis zum Sommer reichen soll. Eine immer wieder diskutierte Maßnahme zur Verlängerung der Reaktornutzungsdauer ohne Rückgriff auf neue Brennelemente ist daneben der sogenannte Streckbetrieb.

Dabei wird der Prozess, bei dem die atomare Kettenreaktion in einem alten Reaktorkern am Ende seiner Lebensdauer mangels unverbrauchten Urans langsam automatisch zum Erliegen kommt, durch Maßnahmen der Anlagensteuerung noch für einige Monate künstlich in die Länge gezogen. Es wird die Temperatur des Reaktorkühlwassers gesenkt, was dessen Dichte erhöht und die für die Kettenreaktion verantwortlichen Neutronen stärker abbremst. Allerdings verliert der Reaktor dabei laufend 0,5 Prozent seiner Leistung pro Tag. (afp/dpa/red)



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