Gespräche gescheitert: Keine Einigung über Corona-Aufarbeitung im Bundestag

Maskenpflicht, Schulschließungen und Lockdown: Die Wunden, die die Corona-Pandemie in die Gesellschaft gerissen haben, sind bis heute nicht zu übersehen. Ende März kündigte die Ampelkoalition an, man wolle die Zeit nun kritisch analysieren. Daraus scheint nun aber nichts zu werden.
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Während der Corona-Pandemie griff die Politik mit voller Härte in viele Lebensbereiche der Bürger ein. Das spaltet die Gesellschaft bis heute. (Archiv)Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 13. Juli 2024

Im Jahr 2020 hielt das Coronavirus die Welt in Atem. Aus Angst vor einem Massensterben folgten damals in Deutschland ab März nie dagewesene Einschränkungen: Schul- und Betriebsschließungen, Abstandsregeln, Maskenpflicht, Ausgangssperren und Zutrittsverbote für Ungeimpfte – um nur einige dieser Maßnahmen in Erinnerung zu rufen. Nie zuvor griff die Politik härter in das Leben von Bürgerinnen und Bürgern ein. Das löste Kritik aus, spaltete die Gesellschaft. Diese Spaltung ist bis heute nicht überwunden. 

Als im März die Corona-Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht wurden, war es zuerst FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der sich für eine Enquete-Kommission des Bundestags zur Politik in der Corona-Pandemie ausgesprochen hatte. Die jetzt öffentlich gewordenen Corona-Protokolle des RKI zeigten noch einmal deutlich, wie notwendig dies sei, wurde er in einer Pressemitteilung zitiert.

Djir-Sarai sagte weiter, dass Kritik an den während der Pandemie auferlegten Freiheitseinschränkungen pauschal mit Corona-Leugnern in Verbindung gebracht worden sei, was zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen habe. Forderungen nach einem gemäßigten Kurs, wie sie auch der heutige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) damals gefordert habe, seien diffamiert worden.

„Großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden“

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verlangte damals eine umfassende Analyse der politischen Entscheidung in der Corona-Zeit. „Heute wissen wir, dass viele Entscheidungen der früheren Bundesregierung großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden angerichtet haben“, sagte er  damals dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.  Er verwies auf „Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und Zutrittsverbote“. Dies seien „zum Teil absolut unverhältnismäßige Eingriffe in die Freiheitsrechte“ gewesen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gab sich damals etwas unverbindlicher. In der „Bild“ sprach er sich im März für eine Reflexion der Corona-Zeit aus. „Wir sollten jetzt eine Phase einleiten, in der wir über die schwere Pandemie-Zeit mit all ihren Auswirkungen noch mal nachdenken“, sagte Habeck. Die damalige Bundesregierung habe in der Pandemie in einer nie gekannten Situation schnell tiefgreifende Entscheidungen treffen müssen. „Sicherlich sind da auch Fehler passiert, aber genauso wäre es ein Fehler gewesen, nicht zu entscheiden“, so Habeck weiter. „Ich denke, wir sollten den Mut haben, die Lehren ziehen, Abläufe überprüfen, die Auswirkungen evaluieren.“

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte damals gegenüber „t-online“ deutlich, dass er nicht gegen eine Aufarbeitung sei.  „Aber wir müssen uns in der Koalition noch konsolidieren, was die beste Vorgehensweise dazu ist.“ Aus seiner Sicht sei die Pandemiebekämpfung „im Großen und Ganzen sehr erfolgreich gewesen“. Er selbst habe „nichts zu verbergen“. Die längste Zeit der Pandemie sei er noch gar nicht im Amt gewesen. Zum Vorschlag einer Enquete-Kommission wollte sich Lauterbach damals nicht äußern.

Keine Einigung auf gemeinsamen Weg

Nun, ein Vierteljahr später, wird eine Corona-Aufarbeitung im Bundestag immer unwahrscheinlicher. Nach Informationen des „ARD-Hauptstadtstudios“ können sich die Ampelfraktionen offenbar auf keinen gemeinsamen Weg einigen. Stolpersteine dabei scheinen die Frage zu sein, wie die Pandemie ausgewertet oder wer daran beteiligt werden soll.

Aus den Fraktionen heißt es, laut dem Hauptstadtstudio, die bisherigen Gespräche seien gescheitert. SPD, Grüne und FDP schieben sich dabei die Schuld gegenseitig zu. 

So möchte die SPD offenbar die Corona-Zeit „parlamentarisch mit einem Bürgerrat und einer Kommission aus Bundestag und Bundesrat auf Augenhöhe aufarbeiten“, wie die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast auf Anfrage des ARD-„Hauptstadtstudio“ sagt. „Davon konnten wir nicht alle Koalitionspartner überzeugen“, so Mast.

Die FDP strebt die Einrichtung eines alternativen Gremiums an und will eine „schnell handlungsfähige Enquete-Kommission des Bundestags“ ins Leben rufen. „Stand jetzt gibt es dafür aber leider weiterhin keine ausreichende Bereitschaft bei den Koalitionspartnern“, erklärt Christine Aschenberg-Dugnus, Parlamentarische Geschäftsführerin der Liberalen dem ARD-„Hauptstadtstudio“. 

Aus der grünen Fraktion heißt es hingegen, dass es zwischen FDP und SPD sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber gebe, wie man die Corona-Maßnahmen erneut überprüfen solle. Man selbst sei jedoch für viele Ideen offen.

Die Situation scheint festgefahren. Intern, so schreibt die ARD, äußern viele, dass sie von dem schleppenden Prozess genervt seien. Es ist unklar, ob die Aufarbeitung verschoben wird oder ob sie in dieser Legislaturperiode überhaupt noch stattfindet. 

Ursprünglich hatten die Ampelfraktionen angekündigt, dass das Ganze möglichst vor der Sommerpause in Angriff genommen werden soll. „Wir sind uns auf jeden Fall einig, dass der Deutsche Bundestag so eine Aufarbeitung durchführen soll“, sagt die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge. Sie fügte hinzu: „Über das genaue Format sprechen wir gerade noch miteinander.“

Corona-Aufarbeitung könnte an Zeit scheitern

Dass in dieser Legislatur noch mit einer Aufarbeitung zu rechnen ist, darüber existieren bei SPD, Grüne und FDP unterschiedliche Einschätzungen. Die SPD glaubt nicht mehr an eine Einigung, möchte dies aber nicht öffentlich zugeben. Sie schließt jedoch nicht aus, dass es im Herbst weitere Gespräche geben könnte. 

Grüne und FDP setzen genau darauf und hoffen auf einen neuen Vorstoß im September. „Wir hoffen immer noch, dass wir gemeinsam mit den Koalitionspartnern einen guten Weg finden“, sagt Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen gegenüber dem „Hauptstadtstudio“. 

Allerdings rechnen alle drei Parteien damit, dass der Zeitplan dann sehr eng wird. Inhaltliche Arbeit wäre bis zur nächsten Bundestagswahl nur sehr begrenzt möglich. Eine Corona-Aufarbeitung müsste dann in der nächsten Wahlperiode fortgeführt werden – falls sie dann überhaupt auf den Weg gebracht wird.

 

 



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