Gauweiler droht mit neuer Verfassungsbeschwerde gegen Bundesregierung
Der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler droht im Streit um die Macht des Bundesverfassungsgerichts in Europa mit einer neuen Verfassungsbeschwerde. Anlass ist das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission am Mittwoch gegen Deutschland eingeleitet hat, um die Karlsruher Richter zum Einlenken zu zwingen. Damit überschreite die EU-Kommission ihre Kompetenzen.
Die Bundesregierung müsse das Vertragsverletzungsverfahren „ausnahmslos zurückweisen“, fordert Gauweiler in der FAZ (Freitagsausgabe). „Das von der EU-Kommission initiierte Vertragsverletzungsverfahren stellt einen erneuten Ultra-vires-Akt dar“, sagte er. „Die EU-Kommission erkläre damit die vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 5. Mai 2020 festgestellte Verletzung des Wahlrechts, des Rechtsstaatsprinzips und der unveränderbaren Verfassungsidentität des Grundgesetzes durch EU-Institutionen faktisch für unbeachtlich.“
Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens hat nun die Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach Ansicht von Gauweiler gibt es nur eine Möglichkeit: Die Regierung müsse dieses Verfahren „ausnahmslos zurückweisen“, sie habe diesbezüglich keinerlei Ermessen, könne sich also auch nicht auf einen Kompromiss mit Brüssel einlassen, auf den jetzt viele hoffen.
„Pflicht zur Verteidigung der deutschen Verfassungsidentität“
Gauweiler leitet diese Notwendigkeit gerade aus dem umstrittenen Urteil vom Mai vergangenen Jahres ab, das der Anlass für die offene Auseinandersetzung zwischen der EU-Kommission und Deutschland ist. Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte weder am Zustandekommen noch an der Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von „Ultra vires“-Akten mitwirken dürfen.
„Diese Pflicht zur Verteidigung der deutschen Verfassungsidentität bindet die Bundesregierung deshalb auch im laufenden Vertragsverletzungsverfahren, das sie ausnahmslos zurückweisen muss“, fordert Gauweiler. Er drohte unverhohlen: „Ich habe heute meinen Prozessvertreter, Herrn Prof. Dr. Dietrich Murswiek, beauftragt, bei einer unzureichenden Wahrnehmung dieser vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verpflichtung durch die Bundesregierung oder andere Organe des Bundes erneut Verfassungsbeschwerde einzureichen.“
Ermächtigung gegenüber EU ist nicht unbegrenzt
Mit Ultra-vires- (lat.: „über die Kräfte hinaus“) und der Identitätskontrolle sind nationale Kontrollmaßstäbe für die mittelbare Prüfung von Maßnahmen Von EU-Organen und EU-Rechtsakten.
Im Rahmen der Identitätskontrolle überprüft beispielsweise das Bundesverfassungsgericht, ob durch Maßnahmen von EU-Organen, der von der Identitätsgarantie (Ewigkeitsgarantie) in Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kernbereich des Grundgesetzes verletzt wurde.
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass das Grundgesetz den nationalen Gesetzgeber zwar zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU ermächtigt (Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG), diese Ermächtigung allerdings nicht unbegrenzt gelten kann, da ansonsten die Ewigkeitsgarantie umgangen werden könnte. (dts/er)
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