Gasumlage: Bundesregierung verspricht Entlastung – Verbraucherzentrale skeptisch
Kunden in Deutschland müssen ab dem Herbst deutlich mehr für ihr Gas bezahlen. Die Höhe der staatlichen Gasumlage wird bei 2,419 Cent pro Kilowattstunde liegen.
Allein für die Industrie würden sich daraus Mehrkosten von 5,7 Milliarden Euro pro Jahr ergeben, so die Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Am stärksten betroffen seien energieintensive Grundstoffindustrien, teilte das IW am Montag mit. Weil hier besonders viel Gas benötigt werde, auch als Rohstoff, werde die Gasumlage dort am härtesten zu spüren sein.
Dazu zählen etwa die Chemie- und Metallindustrie und die Hersteller und Verarbeiter von Glas, Keramik, Steinen und Erden. Allein diese drei Branchen trügen mehr als die Hälfte der Mehrkosten, so das IW. Doch auch den privaten Haushalten komme die Umlage teuer zu stehen.
Den IW-Berechnungen zufolge müsse eine Familie mit einem Einfamilienhaus (140 Quadratmeter) nun 542 Euro mehr im Jahr zahlen – die Mehrwertsteuer noch nicht mit eingerechnet. Wer in einer Singlewohnung (60 Quadratmeter) lebt, müsse sich auf rund 203 Euro an Mehrkosten einstellen.
Ökonomen: Gasumlage erhöht Inflationsrate
Darüber hinaus wird die Gasumlage nach Ansicht von Ökonomen zu einer Steigerung der Inflationsrate führen. „Die nun angekündigte Umlage von 2,419 Cent würde rechnerisch die Inflationsrate um 1,0 Prozentpunkte erhöhen, wenn auf die Umlage auch Mehrwertsteuer erhoben wird, wonach es derzeit aussieht“, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien. Ohne Mehrwertsteuer läge der Inflationseffekt noch bei 0,8 Prozentpunkten.
Der Experte hält es für möglich, dass die Inflationsrate im vierten Quartal „in Nähe von 10 Prozent steigen“ könnte oder sogar darüber hinaus. Experten der Commerzbank gehen von einer Steigerung der Inflationsrate bis Jahresende auf deutlich über neun Prozent aus.
Gasumlage ohne Mehrwertsteuer? Finanzministerium hat noch keine Antwort
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte erneut, die Umlage sei „bei weitem kein einfacher Schritt“. Sie sei aber notwendig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und der Wirtschaft aufrechtzuerhalten.
Habeck versicherte: „Die Umlage muss und wird von einem weiteren Entlastungspaket begleitet werden.“ Gerade für diejenigen, die nicht viel haben, seien die hohen Energiepreise eine hohe Belastung, die nicht oder nur schwer zu tragen sei. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, wenn die Umlage am 1. Oktober fällig werde, dann würden auch weitere Entlastungen „bereit sein“.
Habeck bekräftigte, dass der Staat keine Mehrwertsteuer auf die Umlage erheben will. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bereits bei der EU-Kommission um Zustimmung dafür gebeten. Eine Antwort stand am Montag noch aus.
Verbraucherzentrale: Gasumlage muss verschoben werden
Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert unterdessen eine Verschiebung der Gasumlage. „Die Umlage ist ein Schnellschuss, zu viele Fragen sind noch offen“, sagte VZBV-Chefin Ramona Pop der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). „Die Bundesregierung muss die Einführung der Umlage verschieben, um die offenen Fragen zu klären und das dringend benötigte Hilfspaket zu beschließen.“
Die ganze Maßnahme könne nicht ohne ein Entlastungspaket eingeführt werden. „Solange die Koalition über weitere Entlastungsmaßnahmen streitet, soll die Umlage steuerfinanziert werden“, sagte Pop.
Grünen-Chefin Ricarda Lang erklärte: „Eignen könnte sich neben einem stark ausgebauten Wohngeld oder einem höheren Kindergeld auch eine Neuauflage der Energiepreispauschale.“ Auch eine Steuer auf kriegsbedingte Übergewinne könne dabei helfen, „die zu entlasten, die unter den steigenden Preisen am stärksten leiden“.
Aus der FDP kam unmittelbar Widerspruch. Der Abgeordnete Christoph Mayer erklärte, die bereits auf den Weg gebrachten Entlastungspakete begännen erst zu wirken. Als weitere Entlastung sei eine Wohngeldreform vereinbart. Priorität müsse der Abbau der kalten Progression haben. Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten könne zudem preisdämpfend wirken.
Linke: Gasumlage zurücknehmen
Ginge es nach Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, soll die geplante Gasumlage komplett zurückgenommen werden. „Die Gasumlage ist ein Verarmungsprogramm für viele Menschen und bedeutet sozialen Abstieg für die Mehrheit des Landes“, sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montagsausgaben). „Die Bundesregierung sollte die Gasumlage zurücknehmen“, forderte Bartsch.
Für AfD-Chef Tino Chrupalla sind die Wirtschaftssanktionen gegen Russland Auslöser des Gasproblems. „Die Bundesregierung bittet allein die Bürger zur Kasse. Hätte Herr Habeck Russland nicht den Wirtschaftskrieg erklärt, wäre die Rettung von Gaskonzernen überhaupt nicht nötig“, schrieb Chrupalla in einer Pressemitteilung. Dabei gebe es eine Lösung: Die Gasleitung Nord Stream 2 sofort in Betrieb zu nehmen, forderte der AfD-Chef. „Dann gäbe es preiswertes Gas im Überfluss.“ (dl)
(Mit Material von Nachrichtenagenturen)
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