Führten lückenhafte Daten zur Masernimpfpflicht?
Der Verein Initiative freie Impfentscheidung e. V. (IfI) fordert die Aufhebung der Impfpflicht für Masern. Hintergrund ist, dass deutsche Behörden weiterhin unvollständige Daten zu Masernerkrankungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) übermitteln. Die WHO überprüft dann, ob die Masern als ausgerottet gelten können. Deutschland hat sich verpflichtet, für eine „Eliminierung“ der Krankheit zu sorgen.
Masernimpfpflicht 2020 in Deutschland eingeführt
Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Bundestag 2020 eine gesetzliche Masernimpfpflicht eingeführt. Der Verein hält diese Maßnahme für „unnötig“, wenn die Daten korrekt übermittelt worden wären, da die Masern wahrscheinlich schon damals als eliminiert gelten hätten müssen, so die Ansicht des Vereins.
Die IfI vermutet daher „politisches Kalkül“ hinter der mangelhaften Darstellung der Daten. Der Verein hat nach Angaben auf seiner Internetseite die Veröffentlichung von zwei „lange überfälligen Berichten“ durchgesetzt.
Um den Status „ausgerottete Masern in Deutschland“ zu erreichen, sind spezifische Nachweise erforderlich, darunter eine genaue Dokumentation epidemiologischer und labordiagnostischer Daten. Diese müssen belegen, dass die nationale Übertragungskette für Masern und Röteln für mindestens drei Jahre unterbrochen wurde, erklärt das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Website.
Die Nationale Verifizierungskommission zur Elimination der Masern und Röteln (NAVKO), ein Gremium des RKI, ist für die Erstellung dieser Nachweise verantwortlich und legt sie jährlich der WHO vor. Die Verifizierungskommission der WHO für Europa (European Regional Verification Commission for Measles and Rubella Elimination, RVC) gibt regelmäßig Rückmeldungen, dass die Datensammlung nicht ausreicht, um den Status der Eliminierung der Masern in Deutschland zu erreichen.
Die fehlenden Belege
Mit der Diskussion über die gesetzliche Masernimpfpflicht stieg auch die Impfquote für Kinder auf mindestens 95 Prozent. IfI betont jedoch, dass eine Quote allein nicht ausreicht, um den Status „Elimination der Masern“ zu erreichen, da verschiedene europäische Länder diesen Status trotz deutlich niedrigerer Impfquoten erreicht haben.
Laut RKI gelten Masern und Röteln in 33 von 53 Staaten der WHO-Region Europa als ausgerottet. Deutschland gehört jedoch zu den neun Staaten, in denen dies nicht der Fall ist.
IfI argumentiert, dass der Zusammenhang zwischen Impfquote und Ausrottung der Krankheit in Deutschland „faktisch nicht“ besteht und dass die Betonung dieses Zusammenhangs eine „politisch motivierte Falschaussage“ ist, um die Einführung einer Impfpflicht zu rechtfertigen.
Um den Status „Elimination der Masern“ zu erreichen, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, darunter die Unterbrechung der endemischen Übertragung über mindestens drei Jahre hinweg. Deutschland konnte diese Belege jedoch seit fast zwei Jahrzehnten nicht liefern, obwohl bereits deutlich vor Einführung der Masernimpfpflicht eine Unterbrechung der endemischen Übertragung vermutet wurde.
Schon im Jahre 2003 sei dies möglich gewesen – ebenso gelegentlich auch in folgenden Jahren. Doch konnten die deutschen Gesundheitsbehörden dies gegenüber der WHO nicht belegen, heißt es beim Verein weiter.
Viele sporadische Masernfälle, die sich keiner Infektionskette zuordnen lassen
Die WHO benötigt Informationen zur Maserninzidenz. Langfristig sollten nicht mehr als eine Erkrankung pro eine Million Einwohner auftreten. Für Deutschland bedeutet das derzeit nicht mehr als 84 Fälle pro Jahr. Eine höhere Inzidenz steht der Eliminierung jedoch nicht im Wege, solange eine Unterbrechung der Infektionsketten nachgewiesen werden kann oder es sich um „eingeschleppte Fälle von Touristen oder Migranten“ handelt.
Ein weiterer Aspekt ist die Qualität der Überwachung von Erkrankungen. Die WHO fordert eine Labordiagnostik von mindestens 80 Prozent sowie eine lückenlose Darstellung von Infektionsketten. Es muss auch angegeben werden, ob es sich um „importierte“ oder endemische Masernfälle handelt (ebenfalls mindestens 80 Prozent).
Zusätzlich müssen Angaben zu allen Verdachtsfällen gemacht werden, einschließlich jener, die sich nach einer Laboruntersuchung nicht als Masernerkrankungen herausstellen. Auf diese Weise sollen die Gesundheitsbehörden zeigen, dass sie allen Meldungen mit großer Sorgfalt nachgehen und der Meldepflicht gründlich nachkommen.
Die von der WHO geforderten 80 Prozent bei der Labordiagnostik sei in den vergangenen fünf Jahren „nur punktuell“ erreicht worden. Die IfI nennt in diesem Zusammenhang Werte zwischen 60 und 93 Prozent. Große Mängel gibt es für denselben Zeitraum bei den Untersuchungen zur Herkunft. Hier habe die Quote nur bei 20 bis 53 Prozent gelegen.
Die WHO kritisierte Deutschland hauptsächlich wegen des großen Anteils an „sporadischen Masernfällen“, die sich keiner Infektionskette zuordnen ließen. Doch die Herkunft der Erkrankten sei für Deutschland von zentraler Wichtigkeit, weil es eine große Anzahl an Migranten und Flüchtlingen gebe.
Zusätzlich zu Touristen könnten auch Saisonarbeiter die Masern ins Land bringen. Eingeschleppte Fälle können nicht allein durch nationale Maßnahmen verhindert werden, aber sie fließen oft in die Statistik ein. Deutschland als „eines der größten Einwanderungs- und Urlaubsländer Europas“, benötigt daher dringend eine Unterscheidung zwischen endemischen und importierten Fällen.
IfI wies auf schlechte Qualität des Überwachungssystems hin
Es gibt keinerlei Angaben zur jährlichen Anzahl der vermuteten und abgewiesenen Masernfälle. Die WHO hat dies mehrfach kritisiert.
Der Verein spekuliert, dass die Masern in Deutschland, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern, bereits als ausgerottet gelten könnten. Dafür hätten die Gesundheitsbehörden jedoch die erforderlichen Daten korrekt an die WHO übermitteln müssen. Auf der Website der IfI heißt es: „Schon bevor im Jahr 2020 über die Masernimpfpflicht entschieden wurde, haben wir als Verein auf die mangelhafte Qualität des Überwachungssystems hingewiesen.“
Statt die Impfraten zu erhöhen, hätten die Ursachen für die unzureichenden Statistiken behoben werden müssen. Der Verein kritisiert, dass die Regierung eine politische Entscheidung getroffen habe, durch die Familien und Beschäftigte „massiv unter Druck“ gesetzt worden seien.
Eine bessere Lösung wäre gewesen, die Abläufe zu optimieren, um den Anforderungen der WHO gerecht zu werden. Der Verein betont: „Aus unserer Kommunikation mit unseren Mitgliedern wissen wir um die gesundheitlichen und emotionalen Belastungen, die mit obligatorischen Impfungen und drohenden Bußgeldern einhergehen.“
Bestimmung könnte mit Ausrottung wieder aufgehoben werden
Der derzeitige Stand beim Eliminationsprozess sei von großem Interesse, weil das Masernschutzgesetz einen Passus zur Befristung enthalte. So heißt es im Gesetz unter anderem: „Die gesamten den Schutz gegen Masern betreffenden Bestimmungen können in der Zukunft nach erfolgreicher Durchführung des Maserneliminationsprogramms wieder aufgehoben werden, sobald die Weltgesundheitsorganisation (WHO) förmlich festgestellt hat, dass Masern eliminiert sind.“ (Seite 22, Nr. VII)
Im selben Absatz wird auch betont: „Angesichts der Tatsache, dass das von der WHO gesetzte Zeitziel für die Eliminierung der Masern bereits mehrfach verschoben werden musste, kann jedoch keine feste Frist für das Gesetz festgelegt werden.“ Dadurch wird impliziert, dass nicht die unzureichende Qualität der übermittelten Daten der Grund für die Verzögerung ist, sondern die unzureichenden Impfquoten.
Der Verein hat fast zwei Jahre lang auf die Veröffentlichung der Berichte der Nationalen Verifizierungskommission zur Elimination der Masern und Röteln (NAVKO) gewartet. Trotz wiederholter Nachfragen und der Androhung rechtlicher Schritte bliebe Anfragen bezüglich des Verbleibs der Berichte aus den Jahren 2021 und 2022 an die NAVKO-Geschäftsstelle beim RKI jedoch unbeantwortet. Am 5. Februar 2024 habe der Verein die beiden Dokumentationen auf der Internetseite des RKI entdeckt.
Nun seien allerdings die Berichte aus den Jahren 2016 bis 2019 gelöscht worden. Der Verein Initiative freie Impfentscheidung e. V. fragt in roten Lettern:
Was will das RKI bzw. die NAVKO verbergen?“
Informationen zur Veröffentlichung der Berichte fänden sich nirgends. Kommunikation fände nicht statt, moniert der Verein, ebenso wenig gebe es „eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit zu den massiv verspätet online gestellten Berichten“. Dies habe man allerdings erwarten können angesichts der „detaillierten Informationen“ im NAVKO-Bericht von 2022, die „erstaunliches“ zum Prozess der Maserneliminierung aufzeigten.
IfI: Impfpflicht hätte nie eingeführt werden dürfen
So heißt es darin, dass trotz der mangelhaften Datenübermittlung „mit ausreichender Sicherheit eine endemische Transmission einer Masernvirusvariante über zwölf Monate nach 2020 und 2021 auch 2022 in Deutschland ausgeschlossen werden kann“. Diese Beurteilung schließe auch 2019 ein, das Jahr vor der Einführung der Impfpflicht: „Die NAVKO sah es aufgrund der vorgelegten – insbesondere molekularbiologischen – Daten als erwiesen an, dass die endemische Transmission seit 2019, höchstwahrscheinlich aufgrund einer steigenden Immunität in der Bevölkerung durch Umsetzung der STIKO-Empfehlungen, anhaltend unterbrochen sei.“
Dies ist aus Sicht der IfI erneut ein Hinweis darauf, dass eine Impfpflicht mit der angeführten Begründung nie hätte eingeführt werden dürfen „und in dieser Form auch nicht vom Bundesverfassungsgericht als Argument hätte herangezogen werden dürfen“.
Der WHO reichten diese Angaben offenbar nicht aus. Sie kritisierte, „dass die vorgelegten Daten und Informationen nicht ausreichen würden, dies zweifelsfrei nachzuweisen und daher Deutschland weiter als Land mit endemischer Transmission einstuft.“
Deutschland habe jedoch zwischenzeitlich Daten nachgeliefert, die der WHO aufzeigen sollen, dass sich die Infektionsketten bereits seit mehreren Jahren unterbrochen seien. „Damit steht Deutschland quasi im entscheidenden Schritt vor der offiziellen Elimination“, ist man beim Verein überzeugt.
Die NAVKO habe die WHO bereits im November 2022 um eine Neubewertung unter Berücksichtigung aller Daten (inklusive der nachgereichten) für die Jahre 2019 bis 2021 gebeten. Die Antwort stehe allerdings noch aus.
Diese Neubewertung des Standes der Masernelimination hätte nach Ansicht der IfI „zwingend vor der Forderung einer Impfpflicht erfolgen müssen“. Weiter heißt es: „Es macht uns fassungslos, dass dieser Weg nicht bereits im Jahr 2019 gegangen wurde, um die Notwendigkeit eines umstrittenen Gesetzes – welches direkt in mehrere Grundrechte eingreift – intensiv auf den Prüfstand zu bringen.“ Eine Überprüfung hätte auch „über den gesamten Zeitraum der Übergangsfrist, bis zum vollständigen Inkrafttreten des Gesetzes im Juli 2022“ erfolgen können.
Parallele zur Rötelnelimination
Es besteht nun die Möglichkeit, dass die Masern in Deutschland rückwirkend als eliminiert eingestuft werden – sogar bis zu einem Zeitpunkt vor der Einführung der Impfpflicht.
Besonders interessant ist für den Verein „das gleiche formelle Prozedere bei der Elimination der Röteln“. Die WHO hat Deutschland 2020 den Status der Elimination für diese Krankheit zuerkannt. Dies geschah nach einer erneuten rückblickenden Analyse der eingereichten Daten aus den Jahren 2017 bis 2019. „Wir haben es hier also mit einer nicht ganz unüblichen Vorgehensweise zu tun“, erklärt die IfI-Website weiter. Die Röteln gelten daher offiziell als ausgerottet, obwohl für diese Krankheit keine Impfpflicht besteht.
Die ausstehende Neubewertung der WHO zu den Masern ist jedoch entscheidend. Abhängig von deren Ergebnis möchte der Verein rechtliche Schritte in Erwägung ziehen.
Die Initiative zieht den Schluss, dass sowohl das Bundesgesundheitsministerium als auch das RKI seit Jahren darüber informiert sind, dass die Eliminierung der Masern „an der Qualität der erhobenen Daten scheitert“. Es ist auch bekannt, dass das Ziel mit einer weiteren Steigerung der Impfquote nicht erreicht werden kann und eine Impfpflicht „das völlig falsche Instrument“ dafür ist.
Es scheint „Vorsatz“ zu sein, dass die Behörden „entscheidende Berichte“ so lange zurückgehalten haben. „Ein transparenter Prozess ist offenbar nicht erwünscht, da mit der erfolgreichen Elimination ein Auslaufen der Impfpflicht verbunden ist“, fasst die Initiative zusammen.
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