Frostiger Empfang in Berlin – Erdogan bleibt viele Antworten schuldig

Es bleibt frostig zwischen Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan. Bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag im Kanzleramt schenken sich die Beiden nichts.
Epoch Times28. September 2018

Es bleibt frostig zwischen Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan. Selbst als die Kanzlerin beim Auftritt mit dem türkischen Präsidenten nach dem Mittagessen von vielen Gemeinsamkeiten redet und davon, dass man sich sehr für die 3,5 Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland einsetze, macht Erdogan ein versteinertes Gesicht. Leichenbittermiene.

Das ändert sich natürlich erst recht nicht, als Merkel ein paar Minuten später davon spricht, dass es im deutsch-türkischen Verhältnis in den vergangenen Jahren „auch tiefgreifende Differenzen gab und es sie heute auch noch gibt“. Erdogan blättert demonstrativ in seinen Manuskripten herum.

Merkel und Erdogan schenken sich bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag im Kanzleramt nichts. Die Kanzlerin zählt die Gründe für die Entfremdung beider Länder auf: Die mangelnde Rechtsstaatlichkeit, die Fragen von Pressefreiheit und natürlich die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger.

Zwar sei die Bundesregierung froh, „dass einige konkrete Fälle“ auch gelöst werden konnten und einige Menschen frei seien. „Aber wir haben nach wie vor einige deutsche Staatsbürger in Haft.“ Sie werde weiterhin darauf dringen, dass diese Fälle rasch gelöst würden.

Sie glaube, dass „die Möglichkeit, ausführliche Gespräche miteinander zu führen, eine große Bedeutung hat und auch die Chance mit sich bringt, auch über strittige Dinge, aber auch über gemeinsame Projekte miteinander ins Gespräch zu kommen“, sagt Merkel nüchtern.

An diesem Samstag sollen die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen fortgesetzt werden, dann soll es nochmal um die in der Türkei verhafteten Deutschen gehen. Ausgang offen.

Erdogan bleibt sich treu

Erdogan, dessen Land wegen der Auseinandersetzung mit der US-Regierung unter Präsident Donald Trump in wirtschaftlichen Nöten steckt, ist zum Schulterschluss nach Deutschland gekommen. Dafür verzichtet er auf den aggressiven Ton früherer Auftritte, bleibt sich in der Sache aber treu – und kommt der Kanzlerin nicht entgegen.

Der islamisch-konservative Politiker verweist auf gemeinsame Wirtschaftsinteressen, hat aber vor allem Forderungen mit nach Deutschland gebracht. Dazu gehört ein entschlossener Kampf gegen die verbotene kurdische PKK. Zudem seien Hunderte Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland. Diese wird von der Türkei als Drahtzieher des Putsches im Jahr 2016 eingestuft und muss laut Erdogan in Deutschland als Terrororganisation eingestuft werden.

Erdogan besteht aber auch auf der Auslieferung des türkischen Journalisten Can Dündar, der sich nach Deutschland ins Exil abgesetzt hatte. „Das ist unser natürliches Recht“, sagt er. Er bezeichnet Dündar als „Agenten“, der Staatsgeheimnisse öffentlich gemacht habe und dafür verurteilt sei. Fast wäre die Pressekonferenz geplatzt, weil Dündar sich angemeldet und die türkische Seite mit Absage gedroht hatte.

Vor allem an der Personalie Dündar zeigt sich an diesem Mittag, wie weit Merkel und Erdogan voneinander entfernt sind. „Dass es eine Kontroverse in dem Fall des in der Türkei wegen Spionage gesuchten türkischen Journalisten Dündar gibt, das ist kein Geheimnis“, sagt die Kanzlerin ungerührt zu den juristischen Ausführungen Erdogans.

Nachdem es schon vor der Pressekonferenz eine größere öffentliche Aufregung darüber gegeben hatte, ob Dündar eine Frage stellen dürfe, betont Merkel noch, dieser habe letztlich selbst entschieden, nicht ins Kanzleramt zu kommen. Natürlich könne aber grundsätzlich jeder akkreditierte Journalist eine Frage stellen. Da gebe es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft, „dass die einen Fragen stellen dürfen und die anderen nicht“, schiebt sie hinterher. Soll heißen: Auch Dündar hätte fragen dürfen, ob das Erdogan nun passt oder nicht.

„Gazetecilere Özgürlük – Freiheit für Journalisten in der Türkei“ – dass ein türkischer Journalist mit ausgerechnet dieser T-Shirt-Aufschrift aus der Pressekonferenz geführt wurde, passt zum Thema. Regierungssprecher Steffen Seibert weist im Anschluss darauf hin, dass im Kanzleramt wie im Bundestag Kundgebungen politischer Anliegen nicht akzeptiert würden. „Das gilt völlig unabhängig davon, ob es sich um ein berechtigtes Anliegen handelt oder nicht“, twittert Seibert.

Der autoritäre Kurs Erdogans bleibt ein Hauptproblem. Schon in ihrem Türkei-Bericht vom April hatte die EU-Kommission vernichtende Kritik an der Politik Erdogans geäußert. Konkret war von deutlichen Verschlechterungen der Rechtsstaatlichkeit und der Presse- und Meinungsfreiheit die Rede. „Die Türkei hat sich in großen Schritten von der EU wegbewegt“, hieß es in der Bewertung der EU-Beitrittsverhandlungen. (dpa)



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