Finanzhilfen, Aktionsplan: Scholz und Kabinett zu Regierungskonsultationen in Warschau

Deutschland und Polen beraten heute in Warschau. Um die Beziehungen zu verbessern ist ein deutsch-polnischer „Aktionsplan“ in Vorbereitung, der finanzielle Unterstützung im dreistelligen Millionenbereich beinhaltet – als Entschädigungszahlungen und für die NATO-Ostflanke.
Bundeskanzler Scholz (l) und Polens Ministerpräsident Tusk wollen über Aussöhnung und Verständigung zwischen beiden Ländern sprechen. (Archivbild)
Bundeskanzler Scholz (l) und Polens Ministerpräsident Tusk wollen über Aussöhnung und Verständigung zwischen beiden Ländern sprechen.Foto: Olivier Hoslet/Pool EPA/AP/dpa
Epoch Times2. Juli 2024

Anlässlich der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von Polens Regierungschef Donald Tusk am Dienstagmorgen mit militärischen Ehren empfangen worden. An der feierlichen Begrüßung nahmen auch die mitreisenden Kabinettsmitglieder teil.

Es sind die ersten Regierungskonsultationen der beiden Nachbarländer seit sechs Jahren. Dabei soll nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit ein deutsch-polnischer „Aktionsplan“ verabschiedet werden, der auf eine „Weiterentwicklung und Vertiefung“ der Beziehungen abzielt.

Nach einem Gespräch der Regierungschefs findet die Plenarsitzung der Konsultationen mit Ministern beider Seiten statt. Gegen 11:10 Uhr ist eine Pressekonferenz von Scholz und Tusk geplant.

Dreistündige Beratungen

Bei den insgesamt nur dreistündigen Beratungen unter Leitung von Scholz und Polens Ministerpräsident Donald Tusk soll ein Aktionsplan beschlossen werden.

Dieser soll sowohl Entschädigungszahlungen für noch lebende polnische Opfer der Besatzung durch Nazi-Deutschland als auch deutsche Hilfe für die Verteidigung der Ostflanke der NATO enthalten. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ könnten die Finanzhilfen zusammen im dreistelligen Millionenbereich liegen.

Bei den Konsultationen sind auch Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen und Finanzminister Christian Lindner von der FDP dabei. Schon mittags reisen sie zusammen mit den anderen Kabinettsmitgliedern wieder zurück nach Berlin, um den Bundestagsfraktionen über den Stand der Verhandlungen zu berichten. Bis Ende der Woche soll es ein Ergebnis geben.

Entschädigungszahlungen könnten Tür für weitere Forderungen öffnen

Um die Entschädigungszahlungen wurde bis zuletzt gerungen. Es ist ein heikles Thema, weil damit die Tür für Forderungen aus anderen Ländern geöffnet werden könnte. So gibt es auch aus Griechenland fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch Forderungen nach Entschädigung für die von Nazi-Deutschland verursachten Kriegsschäden.

In Polen leben heute noch rund 40 000 Menschen, die einst Opfer der deutschen Besatzer waren, wie Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt sagt. Manche hätten sich etwa damals als Kinder oder Jugendliche am polnischen Widerstand beteiligt. „Es wäre in symbolischer, aber auch in praktischer Hinsicht einfach wichtig, dass diese alten, kranken Leute Unterstützung bekommen.“

Geld aus dem Finanzpaket soll auch für den Bau des Deutsch-Polnischen Hauses in Berlin fließen. Das Haus soll an die komplizierte deutsch-polnische Geschichte und die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) erinnern und einen Ort des Gedenkens für die polnischen Opfer schaffen. Das Kabinett beschloss in der vergangenen Woche einen Entwurf, wie das Dokumentationszentrum inhaltlich aufgebaut werden soll.

PiS-Regierung wollte hohe Reparationszahlungen

Polen dringt schon lange auf eine Wiedergutmachung für die durch den Zweiten Weltkrieg und die Besatzung erlittenen Schäden. Die PiS-Regierung, die das Land von 2015 bis 2023 führte, forderte von Deutschland Reparationen in Höhe von mehr als 1,3 Billionen Euro.

Dies und die ständige antideutsche Stimmungsmache führender PiS-Vertreter zerrütteten das bilaterale Verhältnis in den vergangenen Jahren.

Unter der seit Dezember amtierenden Mitte-Links-Regierung Donald Tusks ist das Klima besser geworden.

Doch auch Tusk betonte bei seinem Antrittsbesuch im Februar in Berlin: „Im formalen Sinne wurden die Reparationen schon vor vielen Jahren abgeschlossen. Aber die materielle und moralische Wiedergutmachung wurde nie realisiert.“

Ein Ausgleich von Rechnungen sei nötig, man müsse nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit suchen, ohne die gegenseitigen Beziehungen zu belasten.

Gutes Verhältnis zu Polen

Seit dem Regierungswechsel in Polen wird auch das Format des sogenannten Weimarer Dreiecks zwischen Polen, Deutschland und Frankreich wieder mit neuem Leben gefüllt. Die politischen Entwicklungen in Frankreich könnte die Achse Berlin-Paris schwächen – umso wichtiger wäre aus deutscher Sicht ein gutes Verhältnis zu Polen.

„Es gibt die Chance, dass die deutsch-polnischen Beziehungen dadurch noch aktiver werden“, sagt Expertin Lada-Konefal. Allerdings müsse die Bundesregierung zur Kenntnis nehmen, dass Polen mittlerweile sehr viel stärker und selbstbewusster geworden sei – auch durch seine Rolle als Frontstaat im Ukraine-Krieg und wichtiger Verbündeter Kiews.

Auch Tusk halte deutlich mehr Distanz zu Berlin, als dies in seiner ersten Amtszeit von 2007 bis 2014 der Fall war. „Die Zeiten sind vorbei, wo Deutschland mit jedem Vorschlag kommt und die Polen klatschen.“ (dpa/red)



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