Fall Zsolt Petry: Ungarns Justizministerin beklagt „liberalen Meinungsterror“ in Deutschland

Die Entlassung des ungarischen Torwarttrainers des Bundesligisten Hertha BSC Berlin wegen seiner Meinungsäußerung in einer ungarischen Tageszeitung schlägt weitere Wellen. In manchen deutschen Medien wurden dem ehemaligen ungarischen Nationalspieler sogar homophobe Äußerungen unterstellt, die er jedoch nach eigener Aussage nicht getätigt hat. Nun meldete sich die ungarische Justizministerin zu Wort und beklagte die Unterdrückung der freien Meinung in Deutschland.
Titelbild
Juli 2016: Torwarttrainer Zsolt Petry von Hertha BSC während einer Teampräsentation in Berlin.Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images
Von 8. April 2021

Die Entlassung des ungarischen Torwarttrainers von Hertha BSC, Zsolt Petry, aufgrund eines Interviews in einer ungarischen Zeitung mit Aussagen über die europäische Migrationspolitik und Homo-Ehen schlägt Wellen. Ungarns Justizministerin Judit Varga, die auch ein Gesetz zum Schutz der Familie und der Kinder in Ungarn im November 2020 auf den Weg brachte, äußerte sich auf Facebook mit einem Statement zu dem Fall:

Und sie sagen, es gäbe keinen liberalen Meinungsterror!

Ein ausgezeichneter ungarischer Torwarttrainer, der bei einem deutschen Verein angestellt ist, äußerte sich kürzlich zum Thema Familie und Migration. Der Experte ist dann von seinem Verein gefeuert worden, nur weil er sich nicht dem abnickenden liberalen Mainstream angeschlossen hat. Er ist nicht dem erlegen, was der deutsche Mainstream erwartet hätte.
Was sagt der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund, der sich sonst so vehement für die ungarische Demokratie und die Meinungsfreiheit auf Social-Media-Plattformen einsetzt, nun? Wahrscheinlich nichts.

Das ist die liberale Dampfwalze. Wenn Sie nicht sagen, was sie vorschreiben, werden Sie ausgeschlossen.
So viel zu ‚liberalen‘ Werten …“

(Judit Varga, Justizministerin von Ungarn)

Hertha BSC entlässt Zsolt Petry

In einem Statement des Bundesliga-Fußballvereins Hertha BSC Berlin vom Dienstag, 6. April, wurde mitgeteilt, dass der Verein sich von seinem Torwarttrainer Zsolt Petry trennt. An seinen Leistungen als Trainer kann es den Aussagen des Vereins nach aber nicht liegen.

Hertha-CEO Carsten Schmidt bescheinigte dem 54-jährigen Petry eine ausgezeichnete Arbeit und eine gute soziale Einstellung: „Die Arbeit von Zsolt Petry wurde in seinen Jahren bei Hertha BSC immer sehr geschätzt. Ebenso erlebte man ihn stets offen, tolerant und hilfsbereit. Er hat zu keiner Zeit homophob oder fremdenfeindlich agiert“.

Dennoch machte man ihm genau Letzteres nun zum Vorwurf. Denn Petry hatte seine Meinung gegenüber einer ungarischen Zeitung geäußert.

Petry kritisierte Migrationspolitik in Europa

Petry hatte sich in einem Interview mit der ungarischen Tageszeitung „Magyar Nemzet“ als Mensch mit einer konservativen Einstellung „geoutet“ und Kritik an der europäischen Migrationspolitik geübt:

Ich verstehe gar nicht, wie Europa moralisch so tief sinken konnte wie jetzt. … Europa ist ein christlicher Kontinent, ich sehe den moralischen Niedergang nicht gern, der den Kontinent niederfegt. Die Liberalen blasen die Gegenmeinungen auf: Wenn du die Migration nicht gut findest, denn schrecklich viele Kriminelle haben Europa überlaufen – dann werfen sie dir sofort vor, dass du ein Rassist bist.“

(Zsolt Petry, Torwarttrainer)

Vorwurf der „Homophobie“

Ein weiterer Punkt der dem ehemaligen ungarischen Nationalspieler vorgeworfen wurde, sind „homophobe Äußerungen“. Die „Deutsche Welle“ titelte in ihrer englischen Ausgabe: „Hertha Berlin hat den Torhüter wegen seiner homophoben und gegen Einwanderer gerichteten Äußerungen entlassen“.

Die Kritik an Petry bezog sich auf einen Kommentar und persönlichen Rat an seinen Landsmann und RB-Leipzig-Torhüter Péter Gulácsi bezüglich dessen Statements zu sogenannten „Regenbogenfamilien“.

Gulácsi hatte im Februar in einem Instagram-Statement ein ungarisches Gesetz kritisiert, das von der ungarischen Justizministerin Judit Varga vorgelegt und vom Parlament angenommen wurde. In diesem Gesetz wurde die Elternschaft auf Mann und Frau festgelegt und infolge dessen die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare zukünftig unterbunden.

Justizministerin Varga habe laut „JF“ auf Facebook betont, dass die Änderung allen Kindern eine ungestörte Entwicklung garantiere, „basierend auf der christlichen Kultur Ungarns“.

Schon im Vorfeld des Gesetzes erhielt die Ministerin vielfältige Anfeindungen. Sie verteidigte ihre Äußerungen mit den Worten: „Alle Menschen werden von einer Mutter geboren, die eine Frau ist, und haben einen Vater, der ein Mann ist. Wir leben in einer seltsamen Welt, wenn man dafür kritisiert werden kann, das Offensichtliche festzustellen“.

Der ungarische Leipzig-Torwart kritisierte das neue Gesetz und schrieb in einem Statement: „So wie jedes Kind das Recht hat, in einer glücklichen Familie aufzuwachsen, besteht diese Familie aus einer beliebigen Anzahl von Menschen, jedem Geschlecht, jeder Hautfarbe, jeder Religion. Ich stehe zu den Regenbogenfamilien! (…)“.

Petry kommentierte im Interview mit „Magyar Nemzet“ dieses in der ungarischen Gesellschaft heiß diskutierte Thema: „Die Mehrheit der ungarischen Gesellschaft stimmt der liberalen Meinung von Péter Gulácsi zu Regenbogenfamilien nicht zu.“ Viele hätten begonnen, ihn zu kritisieren.

Weiter betonte er jedoch, dass er nicht dafür verurteilt werden sollte, nur weil er seine Meinung gesagt habe. „Eine andere Frage ist, ob die Leute seiner Position zustimmen oder nicht. Als Athlet würde ich mich an seiner Stelle auf den Fußball konzentrieren und keine Position zu öffentlichen, sozialpolitischen Themen formulieren. Ich würde die Arbeit machen, die mein Verein und die ungarische Nationalmannschaft von mir erwarten.“

Er wisse auch nicht, „was Péter veranlasst haben könnte, sich für Menschen mit homosexuellen, transvestitischen und anderen Geschlechtsidentitäten einzusetzen. Ich hätte die Gemüter an seiner Stelle sicher nicht aufgewühlt.“

Toleranz oder Nicht-Toleranz

Zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit sagte er: „Die Meinung von anderen wird immer weniger toleriert, vor allem dann, wenn derjenige einen konservativen Standpunkt vertritt.“

Petrys Aussagen hatten nicht nur mediale Angriffe ausgelöst. Auch Alfonso Pantisano vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland verurteilte den ungarischen Profitrainer des Berliner Bundesligisten für seine Aussagen und erklärte, dass Petry dafür die rote Karte verdient habe.

Sein Arbeitgeber Hertha BSC „muss jetzt entschieden handeln: Homophobie und Fremdenfeindlichkeit dürfen in den eigenen Reihen nicht geduldet werden“, forderte Pantisano, der auch Landesvorsitzender der „SPD queer Berlin“ ist.

In dem Statement der Geschäftsführung von Hertha BSC wird erwähnt, dass man die Charta der Vielfalt unterschrieben habe und sich als Verein für Werte wie Vielfalt und Toleranz einsetze, „weil uns diese Werte wichtig sind“.

Da sich dies jedoch in Petrys Äußerungen nicht wiedergefunden habe, habe man sich „nach intensiver Aufarbeitung und Beratung dazu entschlossen, Zsolt Petry mit sofortiger Wirkung freizustellen“.  Die Geschäftsführung dankt ihm „für die geleistete Arbeit“ und wünscht ihm „für die Zukunft alles Gute“.

Zsolt Petry, der plötzlich angesichts des Sturms, der über ihn hereinbrach vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere in Deutschland steht, gab unter dem Hertha-Statement noch eine Entschuldigung ab: „Ich möchte betonen, dass ich weder homophob noch fremdenfeindlich bin. Meine Aussage zur Einwanderungspolitik bedaure ich sehr und möchte all die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen und die ich damit beleidigt habe, um Entschuldigung bitten. Ich war sehr gerne für Hertha BSC tätig und respektiere diese Entscheidung. Ich wünsche allen bei Hertha BSC viel Erfolg für die Zukunft.“



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