VW-Betriebsratschefin: „Es geht um Deutschland“
Die Gesamtbetriebsratschefin von Volkswagen, Daniela Cavallo, hat am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung vor 25.000 Beschäftigten in Wolfsburg „erbitterten Widerstand“ gegen mögliche Werksschließungen und Entlassungen zur Kostensenkung angekündigt.
„Nie im Leben“, sagte sie laut Redemanuskript. Der Geschäftsführung der Marke VW und des Konzerns warf Cavallo Ideenlosigkeit vor: „Kosten schrubben, Werke schließen, betriebsbedingt kündigen“ – diese Antwort auf die Krise sei „nicht nur ein Armutszeugnis, das ist eine Bankrotterklärung“.
Cavallo sagte zudem, der Betriebsrat teile die Analyse, „dass wir hier vor heftigen Problemen stehen“. Fabriken schließen, betriebsbedingt kündigen und Tarifeinschnitte durchsetzen sei aber nur „in genau einem Szenario zulässig – und zwar dann, wenn das ganze Geschäftsmodell gestorben ist“. Dies sei aber nicht der Fall. Volkswagen kranke nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten, sondern daran, „dass der Vorstand seinen Job nicht macht“.
Nach der Versammlung betonte sie, dass der Vorstand Mühe hatte, zu Wort zu kommen. Er habe von „Volkswagenfamilie“ gesprochen, was die Belegschaft überhaupt nicht gut aufgenommen habe.
Cavallo: „Dokumentationsirrsinn abstellen, Regelungswut angehen“
Während der Betriebsversammlung forderte sie eine Rückkehr „in die Rolle der Technologieführerschaft“. Alles, was nicht relevant sei für die Technologieführerschaft „und somit nicht kaufentscheidend für unsere Kundschaft“, müsse überdacht werden. Die Komplexität „muss runter, unsere Regelungswut müssen wir angehen, wir müssen unseren Dokumentationsirrsinn abstellen und die vielen doppelten und dreifachen Prozesse zur Absicherung“. Das sei Aufgabe des Managements.
„Wenn Krise ist“ beim Autobauer, dann gehe es nicht nur um die 120.000 Beschäftigten in der Volkswagen AG, sagte Cavallo weiter. „Es geht um Niedersachsen. Es geht um Deutschland.“
Sie appellierte zudem an die „Volkswagen-Kultur“, wo Probleme „partnerschaftlich“ gelöst würden. Wenn sich die Geschäftsführung davon verabschiede, bekomme es mit dem erbitterten Widerstand der Belegschaft zu tun.
VW-Spitze verteidigt Sparkurs
Die VW-Spitze hat auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ihren verschärften Sparkurs verteidigt. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen.
Aber diese Zeit müssen wir nutzen“, sagte Konzern-Finanzchef Arno Antlitz vor mehr als 10.000 Beschäftigten im VW-Werk. „Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!“
Mit den Einsparungen wolle VW die Mittel freisetzen, die man für neue Produkte brauche. „Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren“, sagte Markenchef Thomas Schäfer. „Wenn wir es jetzt schaffen, unsere Kosten nachhaltig zu reduzieren und in ein Modellfeuerwerk zu investieren, wie es der Wettbewerb und die Kunden noch nicht gesehen haben, dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können.“
Mitarbeiter protestieren
Von den Mitarbeitern war der Vorstand mit scharfem Protest gegen die jüngsten Sparpläne empfangen worden. Sie begrüßten den Vorstand unter anderem mit Transparenten mit den Worten: „Hände weg von der Beschäftigungssicherung“. Auf einem anderen wurde dem Vorstand mit Blick auf mögliche Gehaltskürzungen „Doppelmoral“ vorgeworfen.
Neue Details zu den am Montag verschärften Sparplänen nannte VW bei dem Auftritt auf Einladung des Betriebsrats nicht.
Europas größter Autobauer hatte angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen. Auch eine Werkschließung in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen werden nicht länger ausgeschlossen. Betriebsrat und IG Metall hatten erheblichen Widerstand angekündigt, das an VW beteiligte Land Niedersachsen forderte den Autobauer auf, Standortschließungen zu vermeiden.
„Es fehlen Verkäufe für zwei Werke“
Mit Blick auf die Standorte verwies Antlitz auf Überkapazitäten. In Europa würden derzeit zwei Millionen Autos weniger pro Jahr verkauft als vor der Corona-Pandemie. Und das werde sich auch kaum ändern.
Für VW mit einem Marktanteil von rund einem Viertel in Europa bedeute das: „Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werken. Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“
Welche Standorte müssen bangen?
VW macht bisher keine Angaben, ob tatsächlich ganze Werke geschlossen werden sollen und welche Standorte konkret es treffen könnte. Finanzvorstand Arno Antlitz erklärte auf der Betriebsversammlung aber: „Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke.“ Schuld seien nicht Fehler von VW, sondern die generell schwache Nachfrage nach Neuwagen in Europa.
Sorgen machen sich vor allem die Standorte außerhalb Wolfsburgs. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatte sich am Montag mit Blick auf die drei sächsischen Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden „alarmiert“ gezeigt. In Niedersachsen sorgen sich vor allem Osnabrück, Emden und Braunschweig um die dortigen Standorte. Weitere Werke gibt es neben dem Stammwerk Wolfsburg in Hannover, Salzgitter und Kassel.
Der Konzern hatte zuvor erklärt, Werkschließungen wären nur die letzte Maßnahme, wenn es nicht gelinge, mit schnellen Maßnahmen gegenzusteuern. Bei VW wäre es das erste Mal seit 1998, dass ein Werk komplett verschwindet. Damals hatte VW die Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen.
Wie viele Stellen könnten wegfallen?
Bisher lässt VW auch offen, wie viele Stellen wegfallen könnten. Der Konzern hatte nur erklärt, dass der bisher mit dem Betriebsrat vereinbarte Stellenabbau über Altersteilzeit, Abfindungen und das Nichtbesetzen frei werdender Stellen nicht mehr ausreiche.
Bis 2026 sollen die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent sinken. Wie viele Stellen dafür wegfallen müssen, ließ VW bisher stets offen. Es gehe um die Summe, nicht um Köpfe.
Der frühere Konzernchef Herbert Diess hatte vor drei Jahren in 30.000 Stellen gesprochen, die allein bei der Kernmarke wegfallen könnten – und hatte dafür von allen Seiten Kritik geerntet. Intern ist jetzt von rund 20.000 Stellen zu hören. Insgesamt hat VW in Deutschland 120.000 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon in Wolfsburg.
Umsatzerlöse 2023
In einer Pressemitteilung vom März 2024 war die Entwicklung der Volkswagen Group recht positiv dargestellt. Demnach habe der Konzern für das Jahr 2023 robuste finanzielle Ergebnisse erzielt. Dazu beigetragen habe vor allem das vierte Quartal mit einem Umsatz von 87 Milliarden Euro und einem Anstieg des Operativen Ergebnisses um mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr.
Die Umsatzerlöse des Konzerns seien 2023 um 15 Prozent auf 322,3 Milliarden Euro gewachsen. Fokus habe das Unternehmen laut eigenen Angaben auf die „Stärkung der Regionen, insbesondere China und Nordamerika“ gelegt. (dpa/red)
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