Erstmals seit 50 Jahren: Die Mehrwertsteuer sinkt
Schon seit einigen hundert Jahren zweigen Staaten vom Handel ihrer Bürger Geld für sich ab. Die neue Mehrwertsteuer, die am 1. Januar 1968 in Kraft trat, lässt sich aber mit dem Sprichwort "Den letzten beißen die Hunde" zusammenfassen.

Steuern sind lukrativ: Staat nahm letztes Jahr 183 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer ein.
Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Der Beschluss der Bundesregierung zur vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer in der Corona-Krise ist ein historisches Novum: Bislang war die vor gut 50 Jahren in der Bundesrepublik eingeführte Umsatzsteuer immer nur gestiegen. Zuletzt wurde die Steuer im Jahr 2007 in einem großen Schritt um drei Prozent erhöht. Auch damals saß Angela Merkel bereits im Kanzleramt – und regierte in einer großen Koalition.
Einzig der Endverbraucher muss die Steuerlast tragen
Schon seit einigen hundert Jahren zweigen Staaten vom Handel ihrer Bürger Geld für sich ab. Die neue Mehrwertsteuer, die am 1. Januar 1968 in Kraft trat, lässt sich aber mit dem Sprichwort „Den letzten beißen die Hunde“ zusammenfassen: Denn anders als zuvor können sich seitdem Unternehmen ihre an andere Unternehmen bezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt erstatten lassen. Einzig der Endverbraucher muss die Steuerlast tragen.
Diese Last war früher deutlich niedriger: Von zehn Prozent vor fünfzig Jahren ging es in sieben Schritten hoch auf derzeit 19 Prozent. Der ermäßigte Satz für Waren des täglichen Bedarfs stieg von fünf auf sieben Prozent. Nach dem Beschluss der Koalitionsspitzen soll die Mehrwertsteuer nun ab 1. Juli für sechs Monate auf 16 Prozent sinken, der ermäßigte Steuersatz auf fünf Prozent.
Mehrwehrsteuer politisch stets umstritten
Die Mehrwehrsteuer war politisch stets umstritten. Eine der heftigsten Kontroversen tobte dazu im Bundestagswahlkampf 2005, in dem die CDU eine Erhöhung um zwei Prozent forderte, während die SPD dies ablehnte. Am Ende stand ein denkwürdiger Kompromiss: Im Vertrag über die zweite große Koalition einigten sich die beiden Parteien auf eine Erhöhung um drei Prozent.
Eine große Kontroverse gab es auch 2010, als die FDP den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Hotelübernachtungen durchsetzte, was als „Mövenpick-Steuer“ in die Geschichte einging. Vor der Besserstellung hatten die damals mitregierenden Liberalen mehr als eine Million Euro Parteispenden von einem Hotelier bekommen.
Viele Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer
Regierungen führen gern Ausnahmen von der Mehrwertsteuer für Branchen ein, die ihnen besonders am Herzen liegen. Die bekanntesten Ausnahmen sind etwa Lebensmittel und Bücher, auf die nur sieben Prozent fällig werden.
Ausnahmen in vielfältiger Form gibt es etwa beim Kaffee: Bohnen und Pulver kosten sieben Prozent Umsatzsteuer, Instantkaffee aber 19 Prozent. Auf die Tasse im Café oder den Kaffee zum Mitnehmen werden 19 Prozent aufgeschlagen – es sei denn, es sind mindestens 75 Prozent Milch darin. Dann sind es wieder nur sieben Prozent Mehrwertsteuer.
Steuern sind lukrativ: Staat nahm letztes Jahr 183 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer ein
Solche Rechnungen lassen sich von A wie Auto bis Z wie Zahnarzt für zahllose Produkte und Dienstleistungen aufmachen. Sie führten immer wieder zu heftigen Reformdebatten. Rentabel für den Staat ist die Umsatzsteuer allemal: Im Jahr 2019 nahm er darüber rund 183 Milliarden Euro ein.
(afp)
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