Elektronische Patientenakte: Big Tech und Pharma zeigen Interesse an Datensätzen
![Die elektronische Patientenakte ist in der deutschen Bevölkerung populär. (Symbolbild)](https://images-de.epochtimes.de/uploads/2024/07/jgjvbsmuh5-v24-ax-s2048-800x450.jpeg)
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll künftig alle Gesundheitsdaten zentral speichern. Fast 70 Millionen ePA haben die Krankenkassen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bislang angelegt. Insgesamt gibt es 73 Millionen gesetzlich Versicherte, die dafür infrage kommen. Bei den privaten Kassen ist eine zusätzliche Erlaubnis von den Versicherten erforderlich, da es sich um privatrechtliche Verträge handelt. Keine Angaben gab es Ende letzter Woche von der Sprecherin des Ministeriums, wie viele Versicherte der Anlegung einer ePA widersprochen haben.
Die AOK hatte am Donnerstag, 6. Februar, mitgeteilt, insgesamt knapp 26,4 Millionen der digitalen Akten für ihre Versicherten angelegt zu haben. Damit sei die Bereitstellung der Akten abgeschlossen. Laut AOK widersprachen 3,8 Prozent der Versicherten der Anlegung einer ePA.
Informationen für die Pharmaindustrie
Aber nicht nur die Patienten sollen profitieren. Mit der Zustimmung sollen ihre in der Akte gesammelten Gesundheitsdaten Forschung und Pharma zur Verfügung gestellt werden. Dass auf diesem Datengold ein großes Augenmerk liegt, lassen die Äußerungen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach erahnen. Er spricht von einem „weltweit einzigartigen Datensatz“. Denn die individuellen Gesundheitsdaten sollen in einigen Monaten als Datenspende in das beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelte Forschungsdatenzentrum fließen. Universitäten, diversen Institutionen bis zur Industrie sollen diese Daten pseudonymisiert zu „Gemeinwohlzwecken“ zur Analyse bereitgestellt werden. Das Interesse an diesem Datensatz werde „weltweit sehr groß sein. Es wird die Behandlung verändern“, äußerte der Bundesgesundheitsminister im November vergangenen Jahres in Berlin.
Zunächst sollen nur diejenigen die ePA einsehen dürfen, die einen Heilberufsausweis haben. Das sind insbesondere Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal, Praxen oder Krankenhäuser. Dennoch wird in dem Moment, wo die Versichertenkarte über den Tresen gereicht und der Zugriff erlaubt wird, einem dem Patienten persönlich unbekannten Nutzerkreis Kontrolle über seine Daten ermöglicht. Dies soll auch – so die gesetzliche Planung der EU – ohne Opt-out-Recht, also automatisch in den European Health Data Space (EHDS) eingespeist werden. Hierunter fallen Forschung und Pharmaindustrie. Die EU hat als Ziel in Bezug auf die Weitergabe der Daten und deren Nutzung erklärt, mit EHDS „einen vertrauenswürdigen und effizienten Rahmen für die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten zu schaffen“.
Google und OpenAi zeigen Interesse
Auf der Digital Health Conference des Digitalverbandes Bitkom sagte Karl Lauterbach bei seiner Keynote dazu, dass künftig alle Daten routinemäßig in die ePA fließen, wie Laborbefunde, Bildgebungsdaten, Krankenhausdaten, Arzneimitteldaten, Daten aus der Pflege und den digitalen Gesundheitsanwendungen. „Wenn Sie sich jetzt […] einmal vor Augen führen, wie groß dieser Datenschatz ist. Wir haben pro Jahr eine Milliarde Arzt-Patient-Kontakte in den Praxen“, erklärte Lauterbach die ePA als das größte Digitalprojekt, welches es in Deutschland je gegeben hat. Dessen Ziel sei es, den „größten“, „repräsentativsten“ und „interessantesten“ Gesundheitsdatensatz weltweit aufzubauen.
„Daher interessieren sich auch die Hersteller aller großen KI-Systeme für diesen Datensatz. Wir sind im Gespräch mit Meta, mit OpenAI, mit Google, alle sind daran interessiert, ihre Sprachmodelle für diesen Datensatz zu nutzen, beziehungsweise an diesem Datensatz zu arbeiten“, so Lauterbach, der in dem Atemzug prognostizierte: „Das Interesse an diesem Datensatz wird weltweit sehr groß sein.“
Krankenkassenrabatt gegen Datenschutzbedenken
Zusätzliche Anreize will jetzt Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) für eine freiwillige Freigabe der Daten geben. Ein Prinzip, welches in der Gesundheitspolitik nicht neu ist.
Wie bei der Corona-Impfung, als es bei Impfaktionen kostenlose Bratwürste und ähnliche Anreize gab, setzt Merz bei der ePA auf das Prinzip Belohnung. „Ich fände es klug, wenn wir den Menschen einen ökonomischen Anreiz geben, das Gesundheitssystem effizienter zu nutzen“, so Friedrich Merz. Versicherte könnten etwa entscheiden, ob sie bei der Nutzung „der endlich eingeführten elektronischen Patientenakte Datenschutzbedenken zurückstellen und die Möglichkeiten der E-Patientenakte vollumfänglich nutzen“. Der CDU-Politiker stellte als Beispiel einen 10 Prozent niedrigeren Krankenkassenbeitrag in den Raum. „Der Vorteil wäre, dass Datennutzung im Vordergrund stehen würde und wir das System moderner aufstellen könnten“, so Merz.
Kurz: Wer seine Daten freiwillig gibt und dabei nicht auf den Datenschutz achtet, zahlt möglicherweise geringere Krankenkassenbeiträge. Epoch Times berichtete.
Sicherheitslücken, Quantensprung oder Missbrauchspotenzial?
Für Befürworter wie auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist die ePA ein „Quantensprung“ – Kritiker hingegen warnen vor fehlendem Datenschutz und Missbrauchsgefahr. Da Gesundheitsdaten äußerst sensibel sind, besteht die Sorge, dass sie durch Sicherheitslücken, Hackerangriffe oder unbefugte Zugriffe missbraucht werden könnten. Gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen oder HIV-Infektionen könnten diese Daten zu Diskriminierungen führen.
Dass ein solcher Hackerangriff mit Diebstahl des begehrten Datengoldes im Bereich des Möglichen ist, zeigte jüngst der Chaos Computer Club (CCC).
Dieser hatte Ende Dezember 2024 bereits das „Ende der ePA-Experimente am lebenden Bürger“ gefordert, nachdem auf dem Hackerkongress 38C3 zwei IT-Sicherheitsexperten demonstriert hatten, wie sie ohne viel Aufwand auf einen Schlag auf alle 70 Millionen Patientenakten zugreifen können. Der CCC zeigte damit erhebliche Sicherheitslücken der ePA auf, die auch Kriminelle oder Pharmaindustrie für sich nutzen können, wenn sie am sogenannten Datengold interessiert sind. Epoch Times berichtete.
Die Voreinstellungen in der elektronischen Patientenakte ermöglichen, dass das medizinische Personal ab dem Einlesen der Gesundheitskarte im Kartenterminal für 90 Tage Zugriff auf die Daten der Patientenakte erhält. Wer das nicht will, ebenso wie die Weitergabe seiner Daten, muss ausdrücklich widersprechen. Der Widerspruch ist nicht nur digital, sondern auch per Anruf oder direkt in der Kundenberatung der Krankenkasse möglich. Das geht auch nachträglich, also nachdem die Akte bereits erstellt wurde. Wenden sich Versicherte an ihre Kassen, wird die Akte mit allen Daten gelöscht.
Widerspruch muss aktiv erfolgen
Wer keine elektronische Krankenakte will und damit verbunden auch nicht möchte, dass seine Daten an Firmen, Forschung und Pharma im europäischen Datenraum zur Verfügung gestellt werden können, der muss aktiv widersprechen mit einem sogenannten Opt-out. Opt-out bedeutet, dass ein Dienst automatisch aktiviert wird, es sei denn, der Nutzer widerspricht aktiv. Ansonsten wird die Akte automatisch erstellt. Das war nicht immer so.
Dieses aktive Widersprechen, Opt-out, wurde eingeführt, nachdem sich nur ein Prozent der Versicherten für die ePA entschieden hatten, als es bei der bereits seit 2021 wählbaren ePA noch die aktive Zustimmung (Opt-in) zur elektronischen Krankenakte gab. Dabei sieht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der ePA viele Vorteile, fasst „Welt“ zusammen: Unter anderem glaube er, dass sich durch den elektronischen Überblick alle Medikamente eines Patienten teure Krankenhauseinweisungen vermeiden ließen, die durch Komplikationen bei Arzneien entstünden. Ärzte sollen zudem einen besseren Überblick über Diagnosen bekommen, so könnten Doppeluntersuchungen vermieden werden. Ebenso hat die ePA Vorteile in der Notfallmedizin, wenn Patienten nach Unfällen beispielsweise nicht ansprechbar sind und dadurch nicht selbst Auskunft erteilen können.
So ist Widerspruch möglich
- Telefonisch durch Anruf bei der Krankenkasse
- Direkt vor Ort in der Kundenberatung der Krankenkasse
- Digital über die App oder den Online-Login der Krankenkasse
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