Ist die Rente sicher? Was planen CDU/CSU, FDP, SPD, AfD? (Teil 1)

Vom Staatsfonds bis zur „Automatisierungs-Gutschrift“ – die Vorschläge der Parteien zur künftigen Bezahlung der Renten sind sehr unterschiedlich. Bis zum Jahr 2025 sind die Finanzreserven der Rentenversicherung voraussichtlich aufgebraucht. Was schlagen die Parteien in ihren Wahlprogrammen vor? Im ersten Teil zunächst ein Überblick über die Vorhaben von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD.
Von 13. Mai 2021

Das Problem, wie künftig die Renten für mehr als 21,6 Millionen Menschen bezahlt werden, wurde in der noch laufenden Legislaturperiode nicht gelöst.

Die Rentenkommission der Bundesregierung schlug im März 2020 ein Reformpaket vor, um die Rente zukunftsfest zu machen. Die Expertengruppe mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren unterbreitete einige kleinere Empfehlungen für Neuregelungen, doch radikale Änderungen waren nicht darunter.

Das Problem der Renten: Die Jungen sollen zahlen, können aber nicht entscheiden

Sarna Röser, Vorsitzende des Verbands „Die Jungen Unternehmer“ und Firmennachfolgerin aus dem Kreis Ludwigsburg erklärte 2018: „Als ich erfuhr, dass in der neuen Rentenkommission kein einziges Mitglied unter 40 Jahren ist, habe ich mich richtig aufgeregt.“

Röser hielt die Besetzung für „einen üblen Scherz“. Die junge Generation solle immer mehr Lasten stemmen, könne aber nicht mit entscheiden. Daraufhin gründete sich zusätzlich die „Junge Rentenkommission“ und unterbreitete eigene Vorschläge.

Was schlagen die Parteien in ihren Wahlprogrammen vor? Wie wollen sie das Thema Rente angehen? Ein Überblick über die ersten vier Parteien: CDU/CSU, SPD, FDP und AfD. Die Ideen der Grünen, der LINKE, der Freien Wähler, von dieBasis und Kleinparteien werden im 2. Teil vorgestellt.

Die Ausgangslage: Im Jahr 2025 ist das Geld vermutlich aufgebraucht

  • Die Finanzreserven der Rentenversicherung sind voraussichtlich bis 2025 aufgebraucht.
  • Die Generation der rund 13 Mill. Babyboomer, wie die Mitte der 1950-er bis Mitte der 1960er-Jahre Geborenen bezeichnet werden, geht zum Großteil in Rente.
  • Neue Beitragszahler in dieser Größenordnung gibt es nicht.
  • Diejenigen, die heute in die Rentenversicherung einzahlen, finanzieren die heutige Generation der Rentner entsprechend dem Generationsvertrag. Die Einzahler verlassen sich darauf, dass sie später ebenfalls eine Rente erhalten – (zumindest) in Höhe ihrer gezahlten Beiträge.
  • Das Rentenniveau sinkt, um allen Rentnern einen Anteil an den eingezahlten Geldern zu ermöglichen. Beim derzeitigen Rentenniveau von 48 Prozent erhalten Rentner nach 45 Beitragsjahren 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes, der dann gilt.
  • Gleichzeitig müssen die Rentenbeiträge steigen, um dieses Niveau überhaupt halten zu können. Der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung wurde bis zum Jahr 2025 auf unter 20 Prozent festgelegt.
  • Das Renteneintrittsalter steigt bis 2031 auf 67 Jahre.
  • 2021 sind gemäß Haushaltsentwurf des Bundes 106,1 Mrd. Euro für die Rentenkasse vorgesehen. 2020 zahlte der Bund 101,8 Milliarden Euro in die Rentenversicherung ein, 2019 waren es 98,1 Mrd. Euro, 2017 noch 67,8 Mrd. Euro. Der Rentenversicherungsbericht 2020 ging für das Jahresende 2020 von einer Rücklage in Höhe von 36,3 Mrd. Euro aus, was 1,5 Monatsausgaben entspricht.
  • Die versicherungsfremden Leistungen steigen.
  • Politiker, Beamte und Selbständige zahlen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein.

CDU/CSU: Drei-Säulen-Modell mit Staatsfonds

CSU-Generalsekretär Markus Blume und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wollen im Juli ein gemeinsames Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 vorlegen. Im vorläufigen CDU-Rentenplan sieht die Partei ein Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente, Staatsfonds und eigenen Sparanstrengungen vor.

An dem Jahr 2030 könnte nach dem Willen der Koalition die Beitragspflicht auf „Einkünfte jenseits des Arbeitsentgelts“ erweitert werden, ob auch für Kapitalerträge Beiträge erhoben werden, ist nicht klar.

Um abschlagsfrei in Rente gehen zu können, sollen 45 Jahre Erwerbstätigkeit vorliegen. Ein festes Renteneintrittsalter würde entfallen. Wer später in die Arbeitswelt einsteigt (nach einem Studium), hört auch später auf.

Alle, die im Jahr 2030 jünger als 30 Jahre sind, sollen in eine neue, gemeinsame „Erwerbstätigenversicherung“ für alle einzahlen. Das betrifft auch Politiker, Angestellte, Beamte und Selbstständige.

Es soll möglich sein, freiwillige Beiträge in jeder Höhe einzuzahlen, konkret bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Diese beträgt derzeit 6.900 Euro im Westen und 6.450 Euro im Osten. Später soll diese Grenze wegfallen und bis zum Höchststeuersatz im Einkommensteuerrecht angehoben werden.

Zur Finanzierung sollen 2,5 Prozent des Bruttolohns in den Aufbau eines Staatsfonds, des „Rentenfonds“, statt in die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Dieser Staatsfonds soll von der Rentenversicherung verwaltet und mit Gewinn investiert werden. Vorbild dafür könnte Norwegen sein. Übergangsweise wird über eine „Rentenbrücke“ in Höhe von 32 Mrd. Euro in Form von Anleihen auf dem Kapitalmarkt nachgedacht.

Für Minijobs soll die Rentenversicherungsfreiheit grundsätzlich entfallen. Geringverdiener sollen Regelungen nach Art der bestehenden Regeln für Menschen mit Behinderungen erhalten. Dabei zahlen die Arbeitgeber 80 Prozent des Mindestbeitrages der Bemessungsgrundlage, 2020 waren es 14,70 pro Stunde. Die Grundrente entfällt.

Für alle sollen Kriterien für eine private Altersvorsorge festgelegt werden. Sparbeiträge sollen direkt vom Nettolohn abgezogen werden, staatliche Sparzulagen würde automatisch das Finanzamt auszahlen. Geringverdiener sollen höhere Zulagen erhalten. Angelegt werden soll vor allem in aktienbasierten Angeboten.

SPD: Geschlechtergerechte Rente und private Altersvorsorge

Das „Zukunftsprogramm“ der SPD, veröffentlicht am 9. Mai 2021, spricht davon, dass alle Bürger in die staatliche Rentenversicherung einzahlen sollen. Darunter fallen auch Selbständige, Beamte, Mandatsträger und Freiberufler. Das Rentenniveau soll dauerhaft bei mindestens 48 Prozent und das Renteneintrittsalter bei 67 bleiben.

Angestrebt wird, dass deutlich mehr Beschäftigte eine betriebliche Altersvorsorge erhalten, wobei tarifvertraglich vereinbarte kollektive Altersversorgungsformen bevorzugt werden. Die Grundrente bleibt, Armutsrisiken bei den Erwerbsminderungsrenten sollen verringert werden. Es soll eine geschlechtergerechte Rente entstehen.

Eine zusätzliche private Altersvorsorge ist für die SPD kein Ersatz für die gesetzliche Rente. Die Riesterrente soll daher reformiert, entbürokratisiert und finanziell ergiebiger werden.

Zudem soll ein neues Angebot für die private Altersvorsorge geschaffen werden, welches kostengünstig, digital und grenzüberschreitend nach schwedischem Vorbild auch von einer öffentlichen Institution angeboten wird. Staatliche Zuschüsse gebe es dabei nur noch für untere und mittlere Einkommen.

Unterschiedliche Arbeitszeiten und familienbedingte Tätigkeiten will die Partei bei den Renten gerechter behandeln. Langjährige Pflege von Eltern, Schwiegereltern oder anderen Familienmitgliedern sollen sich nicht mehr negativ auf die Rente auswirken dürfen und die eigene Altersarmut bedeuten.

Die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten in der gesetzlichen Krankenversicherung soll beendet werden.

FDP: Altersvorsorge nach dem Vorbild von Schweden

Im Entwurf zum Wahlprogramm spricht die FDP von einer „Enkelfitten Rente“. Nach dem Baukastenprinzip sollen gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge kombiniert werden.

Wie in Schweden wird zusätzlich eine Gesetzliche Aktienrente eingeführt. Dazu soll neben dem größeren Betrag, der weiter in die umlagefinanzierte Rentenversicherung fließt, ein kleinerer Betrag von beispielsweise zwei Prozent des Bruttoeinkommens in eine langfristige, chancenorientierte und kapitalgedeckte Altersvorsorge gehen, die als Fonds unabhängig verwaltet wird.

Nach schwedischem Vorbild erhält derjenige, der früher in Rente geht, eine geringere Rente. Wer später geht, eine höhere. Wer das 60. Lebensjahr und mit allen Altersvorsorgeansprüchen mindestens das Grundsicherungsniveau erreicht, soll selbst entscheiden, wann der Ruhestand beginnt. Zuverdienstgrenzen und Altersgrenzen werden abgeschafft, Teilrenten sind unkompliziert möglich.

Eine Basis-Rente wird eingeführt. Wer gearbeitet und eingezahlt hat, soll im Alter immer mehr haben als die Grundsicherung und auch mehr als derjenige, der das nicht getan hat. Die Rentenanpassungsformel wird überarbeitet.

Die Doppelverbeitragung in der Krankenkasse für alle Wege betrieblicher und privater Vorsorge wird beendet.

Die FDP plant, ein „Altersvorsorge-Depot“ einzuführen. Es soll das Beste aus Riester-Rente (Zulagen-Förderung), Rürup-Rente (steuerliche Förderung) und dem amerikanischen Modell „401K“ (Flexibilität und Rendite-Chancen) vereinen.

Lebensversicherern, Pensionskassen und Versorgungswerken soll ermöglicht werden, vermehrt und einfacher in Wagniskapital, Startups, Aktien oder Infrastrukturprojekte zu investieren. Sparer sollen selbst über Renditechancen, Anlageformen und Anlagedauer entscheiden. Das öffnet auch die europaweite Altersvorsorge (PEPP) für die staatliche Förderung in Deutschland.

Versicherungsfremde Leistungen sollen künftig vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden müssen, für die Sozialversicherungen wird eine „Schuldenbremse 2.0“ eingeführt.

AfD: Umlagesystem hinterfragen, steuerbasierte Altersvorsorge denkbar

Im aktuellen Sozialkonzept der AfD wird zunächst darauf eingegangen, dass es beim Rentenproblem einen Zusammenhang zur Geburtenrate in Deutschland gibt. Diese ist zu niedrig (1,5 Kinder statt 2,1 pro Frau, wie es nötig wäre). Alle Konzepte der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung würden auf der Voraussetzung beruhen, dass nachfolgende Generationen mindestens ähnlich groß sind wie die vorhergehenden. Dies sei wegen des Geburteneinbruchs seit Anfang der 70er Jahre nicht mehr der Fall.

Prinzipiell sollte das Umlagesystem hinterfragt werden, möglich wäre auch eine steuerbasierte Altersvorsorge. Diese bezöge alle Gesellschaftsschichten ein und würde keine eigene Verwaltung benötigen. Vorteilhaft wäre, dass durch Automatisierung und Digitalisierung entstandene Wertschöpfung in die Finanzierung einbezogen würde. Dazu müssten die „unüberschaubaren Steuerarten und -ausnahmen durch ein einfaches Grundsystem mit wenigen Steuerarten und fast ohne Ausnahmetatbestände ersetzt“ werden.

Der Renteneintritt ist eine individuelle Entscheidung. Wer länger arbeitet, bekommt mehr Rente. Wer früher in den Ruhestand geht, muss Abschläge in Kauf nehmen. Das allgemeine Rentenniveau wird kontinuierlich je nach Lebenserwartung und Beitragsaufkommen angepasst.

Wer in die Rentenkasse einzahlte muss besser gestellt werden als diejenigen, die größtenteils arbeitslos waren. Daher sollen 25 Prozent der Altersrente nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden.

Politiker sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, hohe Pensionsansprüche nach wenigen Jahren sind kritisch. Eine Verbeamtung soll daher nur bei rein hoheitlichen Aufgaben erfolgen (z.B. Bundeswehr, Zoll, Polizei, Finanzverwaltung, Justiz). Weitere Staatsbeamte werden in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen.

Selbständige werden grundsätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen, können aber bei Nachweis einer privaten Altersvorsorge austreten bzw. die Beitragszahlungen suspendieren. Ungerechtigkeiten bei der Überleitung der Ostrenten sollen beseitigt werden.

Familien erhalten für jedes Kind 20.000 Euro der Beiträge der Eltern zur Rentenversicherung aus Steuermitteln erstattet, ohne dass sich die Rentenansprüche dadurch verringern. Wurden noch keine Beiträge in entsprechender Höhe gezahlt, erfolgt eine Anrechnung auf zukünftige Rentenbeiträge.

Der Staat sollte vorausschauend jedem Kind 100 Euro pro Monat in ein Spardepot einzahlen. Das gelte für Kinder deutscher Staatsangehörigkeit und mit Lebensmittelpunkt in Deutschland bis zum 18. Lebensjahr. Die Höhe dieses Beitrags sei regelmäßig dem Verlauf der Inflation anzupassen.

Die private Altersvorsorge wird gefördert. Riester-, Rürup- und Eichel-Rente sollen durch flexiblere Modelle ersetzt werden, Sparer sollten selbst entscheiden können, wie sie ihr Geld anlegen und die Mittel in ihrer Rentenzeit nutzen wollen.

Fortsetzung: Grüne, Linke, Freie Wähler und dieBasis



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