DGB-Chef: „Nein“ zur Aufrüstung zulasten des Sozialstaats

Der russische Angriff auf die Ukraine hat vieles verändert, sogar den 1. Mai. Für die Gewerkschaften spielen Krieg und Aufrüstung eine große Rolle, auch andere Themen stehen aber im Fokus.
DGB-Chef Reiner Hoffmann am Brandenburger Tor in Berlin.
DGB-Chef Reiner Hoffmann am Brandenburger Tor in Berlin.Foto: Joerg Carstensen/dpa
Epoch Times1. Mai 2022

Zum Tag der Arbeit hat Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann eindringlich davor gewarnt, den Militärhaushalt dauerhaft aufzustocken und den Sozialstaat zu vernachlässigen.

„Wir sagen Nein zur massiven Aufrüstung“, erklärte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds am Sonntag in Berlin. „Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats.“ Militärische Friedenssicherung dürfe nicht zulasten des sozialen Friedens gehen.

Den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilte Hoffmann in seinem vorab verbreiteten Redemanuskript zur zentralen Kundgebung am 1. Mai scharf. „Wir fordern: Waffenstillstand jetzt!“, erklärte der DGB-Vorsitzende. Er sicherte den Menschen in der Ukraine Solidarität zu und lobte die Hilfen für Menschen, die aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geflohen sind.

Warnung an Arbeitgeber

„Jetzt kommt es auch darauf an, dass die Qualifikationen der Geflüchteten unbürokratisch anerkannt werden“, erklärte Hoffmann. „Es ist gut, dass der Arbeitsmarkt allen Geflüchteten unabhängig von Nationalität oder Hautfarbe offensteht.“ Ziel sei, dass die Menschen rasch Arbeit zu ordentlichen Bedingungen fänden. „Ich warne aber all diejenigen Arbeitgeber, die meinen, Geflüchtete zu miesen Löhnen und grottigen Arbeitsbedingungen beschäftigen zu können“, fuhr Hoffmann fort. Die Opfer von Not und Elend des Kriegs dürften „nicht auch noch von skrupellosen Kapitalisten ausgebeutet werden.“

Der Gewerkschafter kritisierte Forderungen von Arbeitgebern nach Lohnzurückhaltung bei den Tarifverhandlungen für zehn Millionen Beschäftigte in diesem Jahr. „In diesen Wochen werden 70 Milliarden Euro Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet“, erläuterte Hoffmann. „Viele Unternehmen sind Krisenprofiteure und fahren satte Extragewinne ein, man schaue nur auf die Mineralölkonzerne. Das geht gar nicht.“

Nötig seien anständige Tariflöhne und mehr Tarifbindung sowie eine Lohnuntergrenze, die vor Armut schütze. Das Entlastungspaket der Ampel-Koalition gegen die stark steigenden Energiepreise sei richtig, aber nicht ausreichend. Rentner müssten einbezogen und arme Menschen stärker entlastet werden, forderte Hoffmann.

Wernecke: Ziel Welt mit weniger Waffen

Auch Verdi-Chef Frank Werneke warnte mit Blick auf das angekündigte milliardenschwere Aufrüstungsprogramm für Deutschland vor einem Rüstungswettlauf. Deutschland müsse in der Lage sein, sich zu verteidigen, einschließlich seiner Bündnisverpflichtungen, erklärte Werneke im vorab veröffentlichten Manuskript seiner Rede in Mainz. Ziel bleibe aber eine Welt mit weniger Waffen. „Wir wollen keinen neuen Rüstungswettlauf, der auf Kosten der dringlichen Investitionen in Soziales, in Bildung und den Schutz des Klimas geht.“

Trotz der außen- und sicherheitspolitischen Überlagerung des 1. Mai legt der DGB den Fokus auch auf den Wandel der Arbeitswelt. Das Motto der Veranstaltungen lautet in diesem Jahr „GeMAInsam Zukunft gestalten“. „In diesen Zeiten tiefgreifender Veränderungen stehen die Gewerkschaften für ein solidarisches Miteinander“, heißt es im Gewerkschaftsaufruf unter Hinweis auf die enormen Herausforderungen von Klimaschutz, Digitalisierung und Globalisierung.

Die Beschäftigten bräuchten eine gute Qualifizierung für die Herausforderungen der sich wandelnden Arbeitswelt. „Wir fordern die Erneuerung des Sicherheitsversprechens für einen solidarischen Sozialstaat mit guten Renten sowie einer Bürger- und Pflegevollversicherung. Sozialabbau zur Gegenfinanzierung der gegenwärtigen Krisen lehnen wir ab.“

Silberbach: Öffentlicher Dienst Band des Zusammenhalts

Die Gewerkschaft dbb Beamtenbund sieht in Personalkürzungen und ausbleibenden Investitionen im öffentlichen Dienst eine Gefahr für das Funktionieren der freien Gesellschaft. „Nur ein für alle gleich und verlässlich funktionierender, leistungsfähiger öffentlicher Dienst ist in der Lage, dauerhaft Demokratie, Freiheit, Frieden und Wohlstand zu sichern, weil er das Band des sozialen Zusammenhalts ist“, sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe anlässlich des 1. Mai.

Neben den DBG-Veranstaltungen stehen vor allem in Berlin und Hamburg zahlreiche weitere Veranstaltungen an – von Motorrad- oder Fahrrad-Korsos über Corona-Proteste bis hin zu vor allem Aktionen der linken und linksradikalen Szene. In Berlin gilt die besondere Aufmerksamkeit der Polizei der Demonstration „Revolutionärer Erster Mai“ im Bezirk Neukölln. Erwartet werden bis zu 20.000 Teilnehmer.

In vergangenen Jahrzehnten war es dabei zu Gewaltausbrüchen von Linksautonomen gekommen. Die Polizei ist am gesamten Wochenende mit 6.000 Beamten in der Hauptstadt im Einsatz. (dpa/mf)



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