Null-COVID gescheitert – Deutsche Politiker sehen Chinas Führer in der Sackgasse
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die chinesische Führung zur Achtung der Meinungsfreiheit aufgerufen. „Die Freiheit der Meinungsäußerung ist ein wichtiges Gut“, sagte Steinmeier am Montag der „Deutschen Welle“ mit Blick auf die aktuellen Protestkundgebungen in China. Er hoffe daher, dass die staatlichen Behörden in China dieses Recht achten.
„Wir können nur erahnen, wie groß die Last für die Menschen in China ist“, wo die Corona-Maßnahmen viel strikter und langanhaltender seien, sagte der Bundespräsident weiter. „Deshalb habe ich Verständnis dafür, dass die Menschen ihre Ungeduld auf den Straßen zeigen.“
Bundesregierung nimmt Proteste und gewaltsames Vorgehen Pekings zur Kenntnis
Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit beobachtet die deutsche Bundesregierung die Entwicklung in China sehr genau. „Wir haben die Meldungen von den Protesten in mehreren großen chinesischen Städten natürlich zur Kenntnis genommen, auch Berichte über teilweise gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten vor Ort“, sagte Hebestreit bei einer Bundespressekonferenz am Montag.
Die Frage eines Journalisten, inwieweit sich am Beispiel China bestätigt habe, dass freie Demokratien besser durch die Pandemie kämen, wollte der Sprecher nicht kommentieren. „Ich würde mich da von dieser Stelle aus um gar kein Urteil bemühen“, sagte er.
Mit der Frage spielte der Journalist auf einen Kommentar von Chinas Staatschef Xi Jinping an, dass der Umgang mit der Pandemie gleichzeitig eine Systemfrage sei und autoritäre Länder besser durch die Pandemie kämen.
Auch die Sprecherin des Auswärtigen Amtes Andrea Sasse hielt sich mit einem Urteil zurück. „Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Botschaft in Peking ebenso wie unsere anderen Auslandsvertretungen in China die Lage natürlich weiterhin aufmerksam beobachtet.“
Auf die Frage, ob geplant sei, den chinesischen Botschafter in Deutschland wegen der Vorgänge gegen Journalisten einzubestellen, sagte sie: „Darüber kann ich Ihnen heute keine Informationen geben oder nichts Derartiges berichten.“
„Der Drang nach Freiheit ist universell“
Deutsche Außenpolitiker hingegen finden eine deutlichere Sprache. Überrascht über das Ausmaß der Proteste äußerte sich im „Handelsblatt“ der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Die Menschen dort schienen es nicht nur leid zu sein, wegen der Pandemie „monatelang weggesperrt zu werden“, sondern auch „den Mund verboten zu bekommen“. Daraus könne sich für Xi Jinping „die größte persönliche Herausforderung seiner Macht ergeben“.
Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte laut dpa, die extrem restriktive Corona-Politik in China sei nur mit den Machtmitteln einer Diktatur durchsetzbar und habe schon lange die „Grenzen des Akzeptablen“ überschritten. „Die Proteste zeigen: Der Drang nach Freiheit ist universell.“
Die Menschen in China wollten sich genauso frei entfalten können wie anderswo auch. „Das sture Festhalten an der Isolationspolitik ist schon längst nicht mehr allein durch Corona zu erklären, sondern dient der Abschottung der chinesischen Gesellschaft von der Welt und damit dem Machterhalt der KP.“
FDP fordert Konsequenzen für China-Politik
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff sagte: „Der Druck in der Bevölkerung steigt wie in einem Dampfkessel und bricht sich nun erstmals Bahn. Dabei zeigt die Verbindung von Corona-Protesten mit Forderungen nach Freiheit und Demokratie auf dem Campus der Tsinghua-Universität eine neue Qualität.“
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte gegenüber der Funke Mediengruppe, dass China vor enormen außen- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen stehe. „Nun kommen große innenpolitische Schwierigkeiten hinzu. Die China-Strategie der Bundesregierung muss dem Rechnung tragen.“ Der FDP-Politiker hatte die China-Reise von Kanzler Olaf Scholz zuvor scharf kritisiert.
„Chinas Staatspräsident in der Sackgasse“
Chinas Staatspräsident sitze in der Sackgasse, sagte Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin im „Deutschlandfunk“. Er geht davon aus, dass die Proteste der chinesischen Bevölkerung gegen die Null-COVID-Politik der Regierung nicht mehr zu stoppen sind.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte mit Blick auf den chinesischen Staatschef: „Die landesweiten Proteste in China zeigen, dass Xi Jinpings strikte Null-COVID-Strategie gescheitert ist.“ Sie äußerte allerdings im Düsseldorfer „Handelsblatt“ auch die Befürchtung, dass die kommunistische Führung Chinas den Protesten „mit verstärkter Zensur und Repression in aller Härte begegnen wird“.
Die Wut über die strikte Null-COVID-Politik, die Peking seit Beginn der Pandemie vor fast drei Jahren verfolgt, hatte sich in den vergangenen Tagen in landesweiten Protesten entladen. Auslöser war ein Wohnhausbrand mit zehn Todesopfern am vergangenen Donnerstag in der Millionenstadt Ürümqi in der nordwestchinesischen Region Xinjiang. In Online-Netzwerken machten viele Nutzer die strengen Corona-Auflagen für die Toten unter den Bewohnern verantwortlich. (nh)
(Mit Material von Nachrichtenagenturen)
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