Deutsche Klimaschutzpolitik: Milliardenschaden durch gefälschte chinesische CO₂-Zertifikate

Das Deutsche Umweltministerium hat Ökoprojekte in China zertifiziert, die es gar nicht oder nicht in dieser Form gibt. Die Folge davon: ein Schaden von über vier Milliarden Euro und ein Vertrauensverlust in die Klimaschutzpolitik.
Wie CO₂ mathematisch zum Klimakiller wurde
Gefälschte Ökoprojekte und gefälschte Umweltzertifikate: Involviert sind die Mineralölbranche, chinesische Behörden und zwei deutsche Gutachterbüros.Foto: iStock
Von 14. Juni 2024

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Der Skandal könnte zum größten Betrugsfall in der deutschen Klimaschutzpolitik werden. Im Umweltausschuss des Bundestages wurde das Thema in einer Sondersitzung am Mittwoch, 12. Juni, auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion diskutiert. Diese wirft dem Bundesumweltministerium (BMUV) sowie dem Umweltbundesamt (UBA) vor, „trotz Hinweisen auf mögliche Betrugsfälle zunächst nicht reagiert zu haben“.

Ganze Ökoprojekte sollen gefälscht worden sein, die Mineralölbranche ist involviert sowie chinesische Behörden. Ein Mitglied der Unionsfraktion beziffert den entstandenen Schaden auf 4,5 Milliarden Euro. Gezahlt dafür haben unter anderem die deutschen Autofahrer. Denn mit jedem Tanken an der Zapfsäule werden Klimaschutzprojekte mitfinanziert. Doch diese Klimaschutzprojekte existieren größtenteils gar nicht, wie sich herausgestellt hat. Dabei wurde die Prüfung und Abnahme dieser Projekte durch deutsche Zertifizierer im großen Stil gefälscht. „ZDF frontal“ hatte als Erstes darüber berichtet.

Betrugsfall aus China

„Was die Dimension angeht: Es handelt sich nicht um Peanuts, sondern um einen Milliardenschaden“, hatte der CDU-Umweltexperte Christian Hirte zuvor bei einem öffentlichen Fachgespräch mit Branchenvertretern im Bundestag erklärt, an dem letzte Woche circa 100 Vertreter von Verbänden, Experten und Politiker teilgenommen hatten.

Fehlerhafte Zertifizierungen und schlampige Kontrollen deutscher Behörden hätten zu finanziellen Schäden und einem massiven Vertrauensverlust in Klimaschutzprojekte im Ausland geführt, kritisiert Anja Weisgerber, klimapolitische Sprecherin der Union im Bundestag. Erst nach monatelangem Zögern hätte im Mai das Umweltbundesamt unter Ministerin Steffi Lemke (Grüne) die Staatsanwaltschaft und das Auswärtige Amt eingeschaltet sowie die chinesischen Behörden um Amtshilfe gebeten. Viel zu spät, so Bioenergieverbände und Oppositionspolitiker bei der Anhörung im Bundestag letzte Woche.

Im Mittelpunkt des Milliardenbetruges stehen die Klimaschutzauflagen für Mineralölkonzerne. Diese sind verpflichtet, jährlich die von Benzin und Diesel verursachten Treibhausgasemissionen zu senken. Um diese Auflagen zu erfüllen, wird etwa Biosprit in Kraftstoffsorten gemischt, was aber durch die jährlich steigenden Anforderungen nicht ausreichend ist.

Die Konzerne können ebenfalls CO₂-Sparmaßnahmen bei der Öl- und Gasproduktion im Ausland finanzieren. Das geschieht etwa durch das Abfiltern von bei der Ölförderung anfallendem Gas, genannt „Upstream Emission Reductions“ (UER). Damit wird die Treibhausgasquote (THG-Quote) erfüllt.

80 Millionen für einen leeren Hühnerstall in der chinesischen Wüste

Alternativ können Mineralölkonzerne Zertifikate kaufen, die eine neue Klimaschutzinvestition beispielsweise in einer Raffinerie belegen. Am Ende zahlt aber auch hier der Endverbraucher: Denn die Ausgaben der Ölmultis werden auf die Benzinpreise als Erfüllungsaufwand für die Treibhausgasquote umgelegt, nicht zu verwechseln mit, sondern zusätzlich zur CO₂-Abgabe.

Mit diesen Abgaben beim Tanken haben deutsche Autofahrer Klimaschutzprojekte mit 80 Millionen Euro finanziert – angeblich. Doch das ZDF-Magazin „frontal“ hat aufgedeckt, dass einige der geförderten Projekte gar nicht existieren. So zum Beispiel in der chinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang: Bei der Überprüfung stellte es sich als ein verlassener Hühnerstall heraus. Ein chinesischer Whistleblower hatte deutsche Bioenergieunternehmen als Erstes darauf hingewiesen.

Der uigurische Hühnerstall ist nicht das einzige Klimaprojekt, das als solches in der angegebenen Form wohl gar nicht existiert. Es gibt mehr als 60 weitere ähnlich gelagerte Verdachtsfälle solcher „Fake“-Projekte.

Nach Einschaltung von Detekteien in China gehen Bioenergiefirmen davon aus, dass dringender Betrugsverdacht in konkret 62 Fällen besteht. In zwölf weiteren Fällen ist die Datenlage noch unklar. „Wir haben unter den 75 Projekten, die auf die deutsche THG-Quote angerechnet wurden, nur ein einziges gefunden, das unverdächtig ist“, sagte Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie, das sich um die Brancheninteressen kümmert.

Geld nach China auch ohne Kontrolle

Die 75 Projekte wurden vom Umweltbundesamt (UBA) und der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHST) genehmigt. Erst nachdem Bioenergiefirmen aus Deutschland Beschwerde eingereicht hatten, wurden einige davon überprüft. Allein die Eingabe der Koordinaten bei Google Maps haben nahegelegt, dass die Geodaten in einigen Fällen auf unbebaute Orte in der uigurischen Wüste hinwiesen, so die Kritik der AfD-Fraktion. Dort zeigte man sich irritiert, dass ein so offensichtlicher Betrug, dem relativ einfach etwa durch die Auswertung von Google-Earth-Satellitenbildern auf die Spur zu kommen sei, vom UBA nicht bemerkt wurde.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMUV), Jan-Niclas Gesenhues (Bündnis 90/ Die Grünen), erklärte am Mittwoch dazu: Das UBA sei Ende August 2023 „direkt nach Eingang der Hinweise durch chinesische Informanten auf Unregelmäßigkeiten bei mehreren UER-Projekten“ diesen nachgegangen. Den Vorwürfen der Unionsfraktion, BMUV und UBA hätten zu spät reagiert, stellte sich Gesenhues entgegen.

Der Betrug hat wahrscheinlich System

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, führte bei der Anhörung im Bundestag aus, dass seiner Behörde bei der Überprüfung der Vorwürfe enge Grenzen gesetzt seien. Es sei aber wahrscheinlich, dass man es mit einem „Betrugsgeflecht“ zu tun habe. Auffällig sei auch, dass es immer dieselben zwei deutschen Gutachterbüros waren, die sich die fragwürdigen Zertifizierungen stets gegenseitig bestätigten.

Seine Behörde stehe vor der Herausforderung, aus den vielen Verdachtsfällen gerichtsfeste Betrugsbeweise zu entwickeln. Seit Beginn der Untersuchungen im September habe man von den 60 existierenden UER-Projekten zwei rückabgewickelt und zwei, die sich noch in der Antragsphase befanden, gestoppt. Weitere 36 Projekte halte das UBA für verdächtig, führte Messner aus.

Die Indizien sprächen also dafür, dass man es mit einem Betrugssystem zu tun habe. Eine entscheidende Rolle spielten darin offenbar die unabhängigen Zertifizierer und Validierer vor Ort: Weil das UBA auf Basis ihrer Unterlagen über die Anrechnung der Projekte entscheide, sei man darauf angewiesen, dass diese seriös arbeiten. Die Untersuchungen hätten nun den Verdacht gegen zwei Mitarbeiter von zwei Validierungsunternehmen erhärtet, die bei den insgesamt 40 kritischen Projekten involviert gewesen seien.

Ausmaß des Betrugs verheerend

„Das Ausmaß des Betrugs am Klimaschutz ist verheerend. Mehr als 7,6 Millionen Tonnen angeblicher CO₂-Einsparung hat es real nie gegeben. Das können wir jetzt nicht einfach mit einem Achselzucken abtun“, findet Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie. „Hinweisgeber aus der Branche wurden von den Behörden abgewimmelt – noch vor wenigen Wochen wurden offenkundig gefälschte Projekte durchgewunken.“

„UBA und Ministerium haben in der Sache eine Menge aufzuarbeiten“, so auch CDU-Umweltexperte Christian Hirte gegenüber Epoch Times. Und weiter: „Dass Bundesministerin Lemke und UBA-Präsident Messner erst mit Beginn der Berichterstattung in den Medien aus ihrer Lethargie erwachten, zeigt, wie leichtfertig man mit den Hinweisen aus Branche und Whistleblowern umgegangen ist.“



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