„Den ganzen Globus in den Blick nehmen“ – Scholz will EU-Erweiterung erleichtern
Bundeskanzler Olaf Scholz fordert EU-Reformen, um die Aufnahme neuer Mitglieder zu erleichtern. Nicht nur die Kandidaten für einen Beitritt, auch die EU selbst müsse sich auf eine Erweiterung der Union vorbereiten, sagte der SPD-Politiker in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Dazu muss sie ihre Strukturen und Entscheidungsprozesse modernisieren. Nicht immer wird alles einstimmig entschieden werden können, was heute einstimmig entschieden werden muss.“ Darüber wolle er beim EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag sprechen.
Bei dem Gipfel werden sich die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten mit den Beitrittsanträgen der Ukraine, Moldaus und Georgiens befassen. Die EU-Kommission hat empfohlen, die Ukraine und Moldau zu offiziellen Beitrittskandidaten zu erklären. Auch Scholz hat sich bei seinem Besuch in Kiew am vergangenen Donnerstag klar dafür ausgesprochen.
Der Kandidatenstatus kann nur mit einem einstimmigen Votum verliehen werden. Über eine Aufweichung des Prinzips der Einstimmigkeit gibt es seit langer Zeit Diskussionen in der EU. Das Problem: Über eine entsprechende Reform müssten die Staats- und Regierungschefs auch einstimmig entscheiden. Vor einer Woche hatte das Europaparlament die EU-Staaten dazu aufgefordert, einem Verfassungskonvent für umfassende Reformen der EU zuzustimmen. Das Parlament fordert, in fast allen Politikbereichen das Prinzip der Einstimmigkeit aufzugeben.
Scholz will Verhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien
Scholz forderte die EU auf, die Entscheidung über den Kandidatenstatus der Ukraine im „Geist der Einigkeit“ zu treffen. „Klar ist, dass der Weg in die EU nicht einfach werden wird, sondern viele Anforderungen zu erfüllen sind von jedem Kandidaten, der sich auf den Weg machen will“, betonte Scholz aber auch. „Das betrifft Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, aber auch alle anderen Regeln, die wir uns in Europa miteinander gegeben haben.“
Der Kanzler erhofft sich von dem Gipfel aber auch einen Schub für die Staaten des westlichen Balkans, die seit fast zwei Jahrzehnten auf einen EU-Beitritt warten. „Den Ländern des westlichen Balkans müssen wir zeigen, dass es uns ernst ist. Albanien und Nordmazedonien erfüllen alle Voraussetzungen für die Aufnahme konkreter Verhandlungen über einen EU-Beitritt – sie sollten jetzt beginnen.“
G7-Gipfel soll Zusammenarbeit der Demokratien stärken
Der EU-Gipfel ist der Auftakt zu einer Serie von insgesamt drei Gipfeltreffen innerhalb einer Woche. Es folgen die Treffen der G7 und der NATO. In der „Gruppe der Sieben“, in der sich wirtschaftsstarke Demokratien zusammengeschlossen haben, hat Deutschland die Präsidentschaft. Scholz ist Gastgeber des Gipfels auf Schloss Elmau in Bayern.
Er will dort die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Demokratien weltweit zu einem Schwerpunkt machen. „Ein besonderer Erfolg wäre es, wenn der Gipfel der Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie sein könnte“, sagte Scholz in dem dpa-Interview. Das Verständnis von Demokratie greife zu kurz, wenn man sich dabei auf den klassischen Westen konzentriere, also die Staaten der „Gruppe der Sieben“. Ihr gehören neben Deutschland, die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan an.
„Wir müssen den ganzen Globus in den Blick nehmen“
„Die großen, mächtigen Demokratien der Zukunft sind in Asien, Afrika und im Süden Amerikas und werden unsere Partner sein“, sagte Scholz, der vom 26. bis zum 28. Juni Gastgeber des G7-Gipfels ist. „Wir müssen den ganzen Globus in den Blick nehmen und dürfen nicht nur einen reduzierten Blick auf Europa, Nordamerika und Japan haben.“ Deshalb habe er sehr bewusst fünf Gäste eingeladen: die Staats- und Regierungschefs von Indonesien, Indien, Südafrika, Senegal und Argentinien.
Die Welt werde in 30 Jahren noch mehr Machtzentren haben als heute. „Wenn wir es schaffen, dass diese Welt trotzdem zusammenarbeitet und Demokratien dabei eine zentrale Rolle spielen, ist das ein großer Schritt nach vorne“, sagte der Kanzler. Deutschland hat in diesem Jahr turnusmäßig die Präsidentschaft in der Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien. (dpa/mf)
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