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Ein Jahr vor der Landtagswahl

CDU Sachsen-Anhalt vor der Zerreißprobe: Kreisverband stellt Brandmauer zur AfD infrage

Ein Jahr vor der Landtagswahl brodelt es in der CDU Sachsen-Anhalts. Nach dramatischen Verlusten bei der Bundestagswahl stellt der Kreisverband Harz offen den Unvereinbarkeitsbeschluss zur AfD infrage – und bringt damit nicht nur die Parteiführung in Bedrängnis.

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In Bebitz angebrachtes Plakat der CDU zu den Landtagswahlen 2021 in Sachsen-Anhalt.

Foto: Textbüro Freital

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Lesedauer: 7 Min.

In Sachsen-Anhalts CDU liegen ein Jahr vor der Landtagswahl die Nerven blank. Bei der Bundestagswahl hatte die Partei alle Direktmandate an die AfD verloren. Auch bei den Zweitstimmen landete die Union mit knapp 18 Prozentpunkten Rückstand auf Platz 2. Nun hat der Kreisverband Harz offen den 2018 vom Bundesparteitag der CDU gefassten Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der AfD infrage gestellt.
Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ berichtet, hat der Kreisverband auf einer Sitzung am 2. April einen entsprechenden Beschluss gefasst und an die Landesgeschäftsstelle weitergeleitet. Darin ist die Rede von zahlreichen Parteiaustritten, die dem Verband bisher vorlägen, und weiteren Drohungen von Mitgliedern, die Partei zu verlassen.

CDU auch in Sachsen-Anhalt von Austritten heimgesucht

Die CDU habe die Wahl im Osten klar verloren, heißt es in dem Beschluss. Selbst klassische Hochburgen habe man nicht halten können. Im Harz selbst hat die aus Baden-Württemberg stammende AfD-Kandidatin Christina Baum mit deutlichem Vorsprung das Direktmandat geholt. Zudem heißt es: „An der CDU-Basis rumort es massiv.“ Der Verband fordert die Union im Bund auf, bei der Umsetzung der zentralen Wahlkampfforderungen gegenüber der SPD nicht nachzugeben.
Der CDU-Kreisverband Harz fordert zudem eine Mitgliederabstimmung über einen möglichen Koalitionsvertrag. Unionsparlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei hatte eine solche mit Verweis auf die Satzung mehrfach ausgeschlossen. Diese sieht eine Absegnung durch einen kleinen Parteitag vor.
Im Jahr 2021 hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt einen überraschend deutlichen Wahlsieg eingefahren. Im Wahlkampf hatte er vor allem damit geworben, dass nur eine Stimme für ihn die AfD als stärkste Kraft im Land verhindern könne. Seither regiert er im Zuge einer sogenannten Deutschlandkoalition mit SPD und FDP.

CDU-Landesgeschäftsführer: AfD und Linke „weder Ansprechpartner noch Verbündete“

Ob der dienstälteste Ministerpräsident des Landes im nächsten Jahr noch einmal für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren wird, ist noch ungewiss. Das Problem der CDU ist, dass ein Nachfolger, der in allen Teilen der Partei gleichermaßen Akzeptanz fände, nicht in Sicht ist.
Landesgeschäftsführer Mario Zeising hat das Ansinnen des Harzer Verbandes postwendend zurückgewiesen. Es bleibe dabei, dass es „keine Zusammenarbeit mit AfD und Linke“ geben werde. Beide seien „für uns weder Ansprechpartner noch Verbündete“.
Gerade was die Positionierung gegenüber der AfD angeht, geht ein tiefer Riss durch die Partei. Auch im Kreisverband Harz, der nun den Unvereinbarkeitsbeschluss infrage stellt, ist die Meinung zur „Brandmauer“ nicht einhellig.

Kreisverband bereits 2019 durch Rechtsoffenheit in Erscheinung getreten

Der Verband hatte bereits im September 2019 die Abgrenzung zur AfD infrage gestellt. Anlass dafür war, dass SPD und Grüne als Partner in der damaligen Kenia-Koalition die Bestellung von Polizeigewerkschafter Rainer Wendt zum Staatssekretär im Innenministerium scheitern ließen. Dieser war durch besonders laute Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung in Erscheinung getreten.
Aus dem Kreisverband Harz hieß es damals, es sei an der Zeit, „das Soziale wieder mit dem Nationalen zu versöhnen“. Zukünftige Regierungsbündnisse müssten für die CDU zudem „mit jenen Parteien erfolgen, mit denen es die größten Schnittmengen gibt“.
Der Kreisverband forderte damals die Abschiebung von „Integrationsverweigerern“. Bei einem Anteil weiblicher Ausländer im Landkreis von 2 Prozent forderte die CDU im Harz zudem ein Verbot der Vollverschleierung. Sogar ein „stärkerer Einsatz der Entwicklungshilfsmittel für kontrolliertes Bevölkerungswachstum“ war dem Regionalverband ein Anliegen. Der Kreisvorsitzende Ulrich Thomas amtiert seit 2006. Er sitzt im Landtag, hat 2021 jedoch nicht mehr als Fraktionsvize kandidiert.

Landrat im Harz und Landeschef der CDU gegen Annäherung an die AfD

Gleichzeitig stammt der CDU-Landesvorsitzende Sven Schulze selbst aus dem Harz – und er ist ein strikter Gegner jedweder Annäherung an die AfD. Der Landrat kommt ebenfalls aus der CDU. Thomas Balcerowski hatte 2017 einem damaligen AfD-Abgeordneten Hausverbot für sein „Bürgerfrühstück“ erteilt.
Damals äußerte Balcerowski, er fühle sich durch die Situation „an das Jahr 1933“ erinnert. Auch, dass seine aus Schlesien vertriebene Familie ähnliche Anfeindungen habe ertragen müssen wie heutige Geflüchtete, lehre ihn, „Gesicht zu zeigen“. Bis heute tritt der Landrat als Redner auf Demonstrationen gegen die AfD auf.
In einem Gespräch mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ macht Reiner Haseloff jedoch auch deutlich, dass es in Sachsen-Anhalt „keine Mehrheit mehr in der Mitte“ gebe. Die jüngste Umfrage zur Landtagswahl liegt bereits knapp drei Monate zurück. Bereits diese hätte der CDU lediglich in einem Bündnis mit dem BSW eine Mehrheitsoption eingeräumt. Anders als gegenüber AfD und Linkspartei gibt es keinen Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Wagenknecht-Partei.

Haseloff gegen Ende der Abgrenzung zur Linkspartei

Vieles spricht dafür, dass die Linkspartei, die bei der Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt ein zweistelliges Ergebnis einfuhr, auch auf Landesebene ein Comeback feiern könnte. Auf lokaler Ebene ist die Partei nach wie vor präsent, in Bernburg an der Saale stellt sie sogar die Oberbürgermeisterin.
Es könnte deshalb eine Situation ähnlich wie in Thüringen eintreten, wo die Union entweder die AfD oder Die Linke zwingend benötigt, um den Ministerpräsidenten zu wählen und Gesetze durchzubringen. Haseloff ist strikt gegen eine Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses gegenüber der Linken. Aus deren Grundsatzprogramm werde deutlich, dass diese „einen Systemwechsel in der Bundesrepublik Deutschland anstrebt und Grundprinzipien wie die soziale Marktwirtschaft ablehnt“.
Solange die Linkspartei diese Ausrichtung beibehalte, dürfe es keine Zusammenarbeit „in zentralen Fragen geben, die Deutschlands Staatsgefüge beeinflussen“. Einzelne pragmatische Entscheidungen im Landtag wie etwa Richterbenennungen seien möglich. Dafür benötige man jedoch keine Abänderung des Unvereinbarkeitsbeschlusses.

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