Bundesregierung kritisiert Moskau für Umgang mit Demonstranten, hält aber weiter an Nord Stream 2 fest

Titelbild
Die Polizei hat einen Mann während einer Kundgebung zur Unterstützung des inhaftierten Oppositionsführers Alexei Navalny am 31. Januar 2021 in Sankt Petersburg festgenommen.Foto: OLGA MALTSEVA / AFP über Getty Images
Epoch Times1. Februar 2021

Die Bundesregierung hält trotz der französischen Forderung nach einem Ende von Nord Stream 2 und trotz eigener Kritik an dem Umgang der russischen Führung mit den friedlichen Demonstranten in ihrem Land, weiter an der umstrittenen deutsch-russischen Pipeline fest.

Die Bundesregierung habe in den vergangenen Tagen „betont, dass sich ihre grundsätzliche Haltung nicht geändert hat“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Montag in Berlin.

Der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune hatte zuvor mit Blick auf das Vorgehen der russischen Behörden gegen die Opposition zu einem Stopp des Vorhabens aufgerufen.

Der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 fehlen nur noch 150 Kilometer. Foto: Dmitry Lovetsky/AP/dpa/dpa

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, die französische Position sei der Bundesregierung bekannt. Berlin befinde sich in „sehr engem Austausch“ mit der Regierung in Paris.

Darüber hinaus hätten die EU-Außenminister am Montag vergangener Woche über eine mögliche europäische Reaktion auf den Umgang der russischen Behörden mit dem inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und seinen Unterstützern beraten.

Beaune: Neue Sanktionen gegen Russland reichen nicht aus

Vor dem Hintergrund erneuter Massenfestnahmen bei Protesten in Russland am Wochenende hatte Beaune am Montagmorgen in einem Radio-Interview die „größten Bedenken“ seiner Regierung gegenüber Nord Stream 2 bekräftigt. Auf die Frage, ob Frankreich einen Stopp des Projekts befürworte, antwortete er: „Wir haben das in der Tat bereits gesagt.“

Neue Sanktionen gegen Russland reichten in diesem Fall „nicht aus“, betonte Beaune weiter. Zugleich unterstrich der Europa-Staatssekretär, dass die Einstellung des Projekts eine deutsche Entscheidung sein müsse, da die Pipeline „in Deutschland“ liege. Zu den Finanzinvestoren bei Nord Stream 2 zählt auch der französische Energiekonzern Engie, an dessen Kapital der Staat zu knapp einem Viertel beteiligt ist.

US-Sanktion verzögerten Arbeiten um ein Jahr

Wegen der Verhaftung Nawalnys hatte auch das Europäische Parlament einen Stopp von Nord Stream 2 gefordert. Die USA und mehrere europäische Staaten, darunter Polen, äußern bereits länger scharfe Kritik an dem Pipeline-Projekt. Sie warnen vor einer zu großen Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas und negativen Folgen für osteuropäische Staaten.

Wegen US-Sanktionen waren die Verlegearbeiten an der zu mehr als 90 Prozent fertiggestellten Pipeline fast ein Jahr lang ausgesetzt worden. Ende Januar wurden sie wieder aufgenommen.

Bundesregierung kritisiert russische Regierung

Dabei kritisierte die Bundesregierung das gewaltsame Vorgehen russischer Sicherheitskräfte gegen regierungskritische Demonstranten. Das massive Vorgehen gegen „friedlich demonstrierende Bürger“ sei „unverhältnismäßig“ gewesen, erklärte am Montag in Berlin die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz. Sie forderte zugleich erneut die Freilassung des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny.

„Die zehntausenden russischen Bürger, die landesweit in über hundert Städten auf die Straße gingen, konnten sich auf die in der russischen Verfassung und in internationalen Menschenrechtsverträgen verbrieften Rechte berufen“, sagte Fietz. „Doch der russische Staat gewährleistet diese Rechte den friedlich demonstrierenden Bürgern nicht.“

Die Bundesregierung rufe die russische Führung auf, „die Gewaltmaßnahmen zu beenden und die Ausübung bürgerlicher Rechte und Freiheiten zu garantieren“, hieß es weiter. Alle Festgenommenen müssten unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden.

Habeck: „Es ist eine Putin-Pipeline“

Zuletzt mehrten sich auch in Deutschland die Stimmen, die einen Stopp oder eine Aussetzung von Nord Stream 2 forderten. Ihre Kritik an dem Projekt bekräftigten am Montag die Grünen.

„Es ist eine Putin-Pipeline und sie sollte nicht weitergebaut werden“, sagte Parteichef Robert Habeck am Montag in Berlin mit Blick auf den Umgang des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Regierungskritikern. Nord Stream 2 habe „immer schon Europa gespalten“ unterstütze genau jenes „Regime“ in Moskau, „das die Proteste niederknüppelt“.

Als „unvernünftig und falsch“ kritisierte dagegen die Linkspartei die französische Forderung nach einem Baustopp für Nord Stream 2. „Ein Stopp des bereits genehmigten Projekts würde durch höhere Gaspreise den deutschen Gaskunden und den Steuerzahler wegen Entschädigungszahlungen für bereits getätigte Investitionen belasten“, erklärte ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Klaus Ernst.

Moskau verurteilte Nawalny im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft

Nawalny war nach seiner Rückkehr aus Deutschland Mitte Januar in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. In Berlin war der Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin nach einem Giftanschlag behandelt worden, durch den er im August beinahe getötet worden wäre. Nawalny macht den Kreml für den Angriff verantwortlich.

Gegen die Verhaftung Nawalnys waren an den vergangenen beiden Wochenenden in ganz Russland zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen. Die Sicherheitskräfte gingen massiv gegen die Demonstranten vor. Laut der Nichtregierungsorganisation OWD Info nahm die Polizei am Sonntag mehr als 5.300 Demonstranten fest, darunter mehr als 90 Journalisten. Das waren so viele wie noch nie zuvor in der jüngeren Geschichte des Landes.

Bereits vor Beginn der Demonstrationen hatten die Behörden enge Verbündete Nawalnys, darunter seinen Bruder Oleg und seine prominente Mitarbeiterin Ljubow Sobol, unter Hausarrest gestellt. (afp/er)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion