Bundesrechnungshof rügt Fraktionen für regelwidrige Parteienwerbung mit Hilfe von Steuergeldern

Alle Bundestagsfraktionen verwenden verbotenerweise Geld für Wahlwerbung in sozialen Netzwerken. Konsequenzen hat dieses Fehlverhalten nicht. Die Ampelkoalition arbeitet nun mit der CDU an einer Regulierung.
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Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, hat sämtliche Fraktionen des Bundestages für ihren Umgang mit Steuergeldern gerügt.Foto: Wolfgang Kumm/dpa/Archiv/dpa
Von 29. März 2024

Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen verwenden regelwidrig Steuergelder für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Zu diesem Schluss ist der Bundesrechnungshof (BRH) gekommen. Er rügt dieses Verhalten, das jedoch ohne Konsequenzen bleiben wird. Laut dem am Mittwoch, 27. März 2024, vorgestellten BRH-Bericht haben SPD, CDU, Grüne, AfD, Linke und FDP im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 ihre steuerfinanzierten Auftritte in sozialen Netzwerken zur Parteien- oder Wahlwerbung genutzt.

SPD ist Spitzenreiter mit 100 Prozent Verstößen

So heißt es in dem Bericht unter anderem, dass sich die Fraktion „überwiegend nicht an die engen gesetzlichen Vorgaben für die Nutzung sozialer Medien“ halten. Sie hielten sie für „veraltet, nicht praktikabel und nicht konform mit ihrem Selbstverständnis als Fraktionen“.

Das zeige nach Ansicht des BRH, dass der „Rechtsrahmen für die Nutzung sozialer Medien durch die Fraktionen […] reformbedürftig“ ist. Der BRH hatte geprüft, wie die Fraktionen soziale Medien wie Facebook, X, Instagram oder YouTube innerhalb der sechs Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 nutzten.

Das Ergebnis: Die Höhe der Verstöße gegen das Abgeordnetengesetz lag bei 75 bis 100 Prozent der Posts. Die volle Zahl erreichte laut „Handelsblatt“ die SPD. Demnach seien in der Woche vor der Wahl alle Posts der sozialdemokratischen Fraktion rechtswidrig gewesen.

Sie waren laut Bericht unzulässig, weil sie nicht oder nicht nur über die Tätigkeiten der Fraktionen unterrichteten und weil sie Wahlwerbung enthielten.

140 Millionen Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt

Letztlich wirft der Rechnungshof den Parteien einen schweren Missbrauch von Steuergeldern vor. Und dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: 140 Millionen erhalten alle zusammen jährlich aus dem Bundeshaushalt. Mit dem Geld finanzieren sie ihre Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehört auch die Präsenz in den sozialen Medien. Doch nach Ansicht des Bundesrechnungshofs wird das Geld auch für Wahlkämpfe zweckentfremdet.

Der Bundestag ist Haushaltsgesetzgeber, er entscheidet über die Höhe der Fraktionsmittel, schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ). Aus Sicht des BRH bestehe daher die Gefahr, dass die Fraktionen Mittel bewilligen, mit deren Hilfe sie auch über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus ebenfalls Parteiaufgaben finanzieren können.

Laut NZZ bekommen die Parteien dafür Geld, mit dem sie sich teilweise finanzieren. Doch komme es auch dabei oft zu Unregelmäßigkeiten. Daher erklärte das Bundesverfassungsgericht die Anhebung der staatlichen Parteienfinanzierung im Januar 2023 für verfassungswidrig (Epoch Times berichtete).

Sanktionsmechanismen fehlen bislang

Der Bundesrechnungshof kritisierte außerdem, dass Regelverstöße mangels Sanktionsmechanismen nicht geahndet werden könnten. Regelwidrig verwendetes Geld müssen die Fraktionen nicht zurückzahlen, weil das Abgeordnetengesetz bislang nicht ausreichende regele, welche Rolle die Bundestagsverwaltung bei Verstößen habe. Weil Strafen fehlten, werde eine Umgehung des Verbots der verdeckten Parteienfinanzierung auf diese Weise begünstigt, heißt es im Bericht (S. 21/22).

Es sei offensichtlich, dass sich die Fraktionen „nicht selbst kontrollieren und sanktionieren können“, erläuterte Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs bei der Vorstellung des Berichts. „Wir empfehlen daher, wirksame Sanktionsmechanismen zu schaffen, die auch kurzfristig greifen und wirken“, zitiert ihn die NZZ.

Sanktionen seien nötig, damit die Fraktionen nicht von regelwidrig finanzierter Öffentlichkeitsarbeit profitierten. Daher müsse der Gesetzgeber klarstellen, dass die Prüfung und Anwendung von Sanktionen Aufgabe der Verwaltung des Bundestages sei.

Union kritisiert: Die Ampel ist spät dran

Laut „Frankfurter Rundschau“ plane die Ampelkoalition nun eine Regulierung der Fraktionen in sozialen Medien. Gespräche zwischen SPD, Grüne und FDP unter Miteinbeziehung der CDU fänden bereits statt. Ziel der Ampel sei die Anpassung des Abgeordnetengesetzes.

Demnach sollen Fraktionen ausführlich über ihre Arbeit berichten, Standpunkte vermitteln und mit Bürgern ins Gespräch kommen dürfen. Klar sei, dass „Fraktionen keine Parteiarbeit betreiben dürfen“. Vor allem im Vorfeld von Wahlen sei eine „klare Abgrenzung zur unzulässigen Parteiwerbung“ wichtig.

Verstöße sollen künftig auch geahndet werden. „Zukünftig soll die Bundestagspräsidentin zweckwidrig verwendete Mittel vollumfänglich zurückzufordern können“, zitiert die „Frankfurter Rundschau“ die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic. „Regelverstöße bleiben damit nicht länger folgenlos.“

Kritische Worte findet Patrick Schnieder, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. „Die Ampel ist spät dran“, sagt er und erinnert daran, dass die Ampel bisher nicht auf einen Vorschlag der Unionsfraktion reagiert habe. „Deshalb begrüße ich es, dass nunmehr auch die Ampel den Bedarf für eine Rechtsänderung sieht“, kommentierte er die Entwicklung.

Denn es war nicht das erste Mal, dass der Bundesrechnungshof entsprechende Regelungen für den Einsatz von Fraktionsgeldern gefordert hat. Bereits Ende 2020 – also noch während der Ära Merkel und vor der letzten Bundestagswahl – hatte er dies angemahnt.



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