Bundesministerium wollte kritischen Hochschullehrern Fördergelder streichen

Nach Äußerungen kritischer Hochschullehrer hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Erwägung gezogen, diesen die Fördergelder zu streichen. Ist das ein Eingriff in die Meinungsfreiheit?
Die Grenze zwischen ziviler und militärischer Forschung verschwimme mit zunehmendem technologischem Fortschritt ohnehin immer stärker, so Bettina Stark-Watzinger (FDP).
Bettina Stark-Watzinger sollte nach Ansicht einiger Kritiker ihren Rücktritt vom Amt der Ministerin für Bildung und Forschung einreichen.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 14. Juni 2024

Das Bundesbildungsministerium (BMBF) hatte offenbar vor, kritischen Hochschullehrern die Fördergelder zu streichen. Ausgangspunkt war ein offener Brief ebendieser, in dem sie sich gegen die Räumung der kurzzeitig besetzten Berliner Freien Universität (FU) geäußert hatten.

Demonstrationen an mehreren Universitäten

Wie Epoch Times berichtete, hatte es am Dienstag, 7. Mai 2024, an mehreren Universitäten in Deutschland propalästinensische Demonstrationen gegeben. So protestierten Studenten neben Berlin auch in Leipzig und Bremen.

In der Bundeshauptstadt hatten 150 Aktivisten den Hof der FU besetzt. Der Lehrbetrieb musste daraufhin zeitweilig eingestellt werden. Nach Angaben der Hochschule hätten Aktivisten auch versucht, Räume und Hörsäle zu besetzen; auch sei es zu Sachbeschädigungen gekommen. Die Polizei räumte das Gelände am Nachmittag.

In Leipzig hatten etwa 50 Aktivisten Audimax und Innenhof besetzt. Die Polizei räumte am Abend den Hörsaal. Bereits am Freitag, 3. Mai 2024, gab es Proteste an der Berliner Humboldt-Universität. Rund 150 Menschen waren zu einer nicht angemeldeten Kundgebung zusammengekommen.

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Lambert T. Koch, verurteilte die Aktionen. Die Hochschulen seien „keine Orte für gewaltsame und aus dem Ruder laufende Proteste […]“. Studentenverbände forderten ein konsequentes Vorgehen der Unis. „Die Universitätsleitungen müssen die ,Proteste‘ als das benennen, was sie sind: Versammlungen, die Antisemitismus salonfähig machen und die Sicherheit jüdischer Studierender massiv gefährden“, hieß es laut Epoch Times in einem gemeinsamen Schreiben verschiedener Verbände.

Professoren: Studenten haben das Recht auf friedlichen Protest

Daraufhin stellten sich in einem „Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“ 393 Unterzeichner vor die Studenten. Dazu kamen weitere 700 Unterstützer aus ganz Deutschland. Darin heißt es: „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt.“

Die Verfasser verweisen auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, die grundlegende demokratische Rechte seien und „die auch und gerade an Universitäten zu schützen sind“. Es ist auch keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet sei, so die Professoren weiter. „Umgekehrt gehört es unseres Erachtens zu den Pflichten der Universitätsleitung, solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben.“ Diese Pflicht habe das Präsidium der FU Berlin verletzt, indem es das Protestcamp ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich habe räumen lassen.

Universitätspräsident Prof. Günter M. Ziegler kritisierte in einer Stellungnahme auf der Internetseite der FU, „diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet“. Eine Besetzung des FU-Geländes sei „nicht akzeptabel“. Man stehe „für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung – aber nicht auf diese Weise“, betonte er.

Die Unterzeichner forderten die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studenten ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen. „Der Dialog mit den Studierenden und der Schutz der Hochschulen als Räume der kritischen Öffentlichkeit sollte oberste Priorität haben – beides ist mit Polizeieinsätzen auf dem Campus unvereinbar“, heißt es in dem offenen Brief weiter. Nur durch Auseinandersetzung und Debatte würden Lehrer und Universitäten ihrem Auftrag gerecht.

Stark-Watzinger wollte Entzug von Förderung prüfen

Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger übte scharfe Kritik an dem Schreiben der Professoren. Es mache sie „fassungslos“, zitierte die „Bild“ die FDP-Politikerin. Es habe „eine neue Qualität“, dass es sich bei den Unterstützern um Professoren und Dozenten handele. Gerade diese müssten „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“.

Aus einem E-Mail-Verkehr geht hervor, dass die Leitung des Bundesministeriums für Bildung (BMBF) intern um „eine förderrechtliche Bewertung“ gebeten hat. Dabei gehe es darum, „inwieweit vonseiten des BMBF ggf. förderrechtliche Konsequenzen (Widerruf der Förderung etc.) möglich sind“. Auch sollte der Brief auf strafrechtlich relevante Aussagen – wie Volksverhetzung – juristisch überprüft werden. Das ARD-Magazin „Panorama“ hat als Erstes darüber berichtet.

Eruiert werden sollte auch, ob der Inhalt des Schreibens von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. So heißt es seitens des Ministeriums in einer weiteren Nachricht: „In der Kommunikation der Leitung wurde auch angezweifelt, dass die Hochschullehrer auf dem Boden des GG [Anm. d. Red: Grundgesetz] stehen.“

Die Mitarbeiter hatten allerdings Bedenken gegen diese Prüfung. So habe das Ministerium „unabhängig vom Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, keine unmittelbaren Handlungs- bzw. Einflussmöglichkeiten in […] disziplinarrechtlicher Hinsicht“. Die Lehrkräfte, die den Brief unterzeichneten, dürften demnach Angestellte der Hochschulen des Landes Berlin sein.

„Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit“

Nach Ansicht des pensionierten Professors für Staats- und Verwaltungsrecht in Berlin, Clemens Arzt, versuche die Leitung des Ministeriums, in die Meinungsfreiheit der Unterzeichner einzugreifen. „Bei Konsequenzen wie dem Entzug von Fördermitteln wäre dies ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit“, sagte er.

Gegenüber „Panorama“ bestätigte das Ministerium, dass es „eine juristische Einordnung des offenen Briefes vorgenommen“ habe. Der Inhalt bewege sich „noch im grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit, weswegen sich aus dem Brief keine weiteren Konsequenzen ergeben“. Weitere Spekulationen erübrigten sich damit.

Dass der Entzug von Fördermitteln kein Thema gewesen sei, betonte eine Sprecherin des Ministeriums am Mittwoch, 12. Juni, im Verlauf der Bundespressekonferenz. Mehr wollte sie zu diesem Thema nicht sagen, wie in einem Videoausschnitt deutlich wird.

Vertreter aus Wissenschaft und Forschung sorgen sich ob der Vorgänge im BMBF um die Wissenschaftsfreiheit. Er selbst habe den Brief kritisiert, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, doch könne man um die Meinungsäußerung inhaltlich streiten. „Eine Verknüpfung einer nicht strafbewehrten Meinungsäußerung mit der Frage einer weiteren Förderwürdigkeit der wissenschaftlichen Arbeit würde jedoch eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit darstellen“, zitiert ihn die „taz“ auf ihrer Internetseite.



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