Bayern warnt vor weiterer Zentralisierung der Bildung – Bis zu 51.000 Lehrkräfte fehlen
Am Dienstag, 14.3., hatte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen zum Bildungsgipfel geladen. Dabei kündigte sie an, eine Task Force mit dem Namen „Team Bildung“ ins Leben zu rufen. Vertreter der Gebietskörperschaften und Experten sollen dort zusammenwirken, um zunehmendem Bildungsnotstand entgegenzuwirken. Der Freistaat Bayern warnt unterdessen vor dem Versuch, dieses Ziel durch mehr Zentralisierung zu verfolgen.
Blume: Bildungsgipfel darf föderale Ordnung nicht infrage stellen
Bereits im November des Vorjahres hatte der Lehrerverband vor einem neuen PISA-Schock gewarnt. Die Studie, die bereits seit Beginn der 2000er-Jahre Schwächen des deutschen Bildungssystems aufgezeigt hat, wurde 2022 erstmalig nach Corona wieder aufgenommen. Weitere Baustellen im deutschen Bildungssystem sind der Rückstand im Bereich der Digitalisierung und der zunehmende Lehrermangel.
Bayerns Wirtschaftsminister Markus Blume machte im Anschluss an den Bildungsgipfel deutlich:
Bildungszentralismus wird es mit uns nicht geben, das passt nicht zu Deutschland.“
Eine stärkere Zusammenarbeit dürfe nicht zu einer Relativierung der Kultushoheit der Länder führen. Das Bildungssystem im Freistaat zählt zu den besten in Deutschland, auch wenn Länder wie Sachsen, Thüringen oder Hamburg mittlerweile aufgeschlossen haben.
Blume warf Bundesministerin Stark-Watzinger vor, zur „Bundesankündigungsministerin“ geworden zu sein. An ihre Adresse erklärte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:
Weniger Ankündigungen, weniger Ermahnungen, mehr Miteinander – das wäre das Gebot der Stunde.“
Lehrerverband verbreitet trotz „holprigen Starts“ Zweckoptimismus
Optimistischer bewertet der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, den Beginn der Gespräche. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben) erklärte er:
Ohne Zweifel war der Beginn dieses Bildungsgipfels sehr holprig, aber ich bin trotzdem optimistisch, dass es gut weitergeht.“
Man habe auf dem Gipfel eine Erkenntnis auf allen Seiten wahrgenommen, dass man „nur gemeinsam gegen den Bildungsnotstand vorgehen kann“. Der Lehrerverband hoffe nun auf eine breite Zusammenarbeit, insbesondere auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Bildungspraxis.
Der Vorsitzende des Bildungsausschusses des Bundestags und Grünen-Politiker Kai Gehring (Grüne) will auch „Bildungsforschung und Stakeholder der Zivilgesellschaft“ mit ins Boot holen. Das „Team Bildung“ müsse „schnellstmöglich ihre Arbeit aufnehmen“. Es gehe um das Aufholen von Lernrückständen, die Milderung des Lehrkräftemangels sowie die Senkung der Schulabbruchquote. Auch die Chancengerechtigkeit sei zu verbessern.
Städtetag erhofft sich vom Bildungsgipfel Impulse
Der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, mahnt unterdessen eine dauerhafte Kooperation mit den Kommunen in der Schulpolitik an. Dabei übte er Kritik an der bisherigen Praxis. Gegenüber der „Rheinischen Post“ klagte er:
Bund und Länder legen immer wieder einzelne Förderprogramme auf, die mit der nächsten Wahl auslaufen und keine Planungssicherheit bieten. Das muss sich ändern.“
Es sei nun nicht der richtige Zeitpunkt für Kompetenzstreitigkeiten. Der Koalitionsvertrag der Ampel zeige den „richtigen Weg“. Die angekündigte Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen müsse helfen, die Kräfte zu bündeln und planvoller zu handeln.
Dazu sei es jedoch auch erforderlich, der Einbindung der Städte und Gemeinden ein größeres Augenmerk zukommen zu lassen. Dies betreffe die Umsetzung des Startchancen-Programms ebenso wie den Digitalpakt 2.0.
Digitalisierungsschub durch Corona reicht nicht aus
Der Investitionsbedarf bezüglich der Digitalisierung des Bildungswesens in Deutschland ist trotz eines Schubs durch die Coronakrise weiterhin hoch. Eine genaue Schätzung ist schwierig, da es hierfür keine einheitliche Datenbasis gibt und die Investitionen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen.
Im Jahr 2019 hat der Deutsche Bundestag jedoch beschlossen, bis zum Jahr 2024 insgesamt fünf Milliarden Euro in die Digitalisierung von Schulen zu investieren. Dieses Ziel ist weiterhin aufrecht. Allerdings haben die Bundesländer aufgrund der erhöhten Nachfrage und Dringlichkeit im Zuge der Pandemie zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, um die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben. Einige Länder haben auch eigene Digitalisierungsstrategien entwickelt, um den Bedarf an digitalen Lernangeboten und -werkzeugen besser abzudecken.
Die dringlichsten Aufgaben sind die Ausstattung der Schulen mit technischen Geräten wie Laptops, Tablets, WLAN und interaktiven Whiteboards. Dazu kommt die Notwendigkeit der Bereitstellung von digitalen Lehr- und Lernmaterialien. Auch die Schulung der Lehrkräfte im Umgang mit der Digitaltechnik ist von hoher Bedeutung.
Unterschiedliche Zahlen bezüglich des Lehrkräftemangels
Auch der Fachkräftemangel im Bildungswesen ist in den letzten Jahren immer weiter angestiegen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2020 fehlen in Deutschland etwa 40.000 Lehrkräfte. Der Stundenausfall variiert je nach Bundesland und Schulart. Insgesamt fallen im Schnitt rund fünf Prozent des Unterrichts aus.
Besonders betroffen sind Grundschulen und Berufsschulen. In den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt ist der Fachkräftemangel am größten. Hier sind bis zu 20 Prozent der Lehrerstellen unbesetzt. Auch in ländlichen Gebieten ist die Situation oft schwieriger als in städtischen Regionen.
Das exakte Ausmaß des Lehrermangels ist jedoch nach wie vor umstritten. Zwei Drittel der Schulleiter in Deutschland halten den Personalmangel für die größte Herausforderung an ihrer Schule.
Verband wittert „größte Krise seit Gründung der Bundesrepublik“
Die 16 Kultusministerien (KMK) meldeten Anfang des Jahres auf Nachfrage von „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ genau 12.341 unbesetzte Lehrerstellen. Im Jahr 2035 sollte es 25.000 offene Stellen geben. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hält diese Schätzungen jedoch für realitätsfern. Unter Berufung auf eine repräsentative Forsa-Umfrage, die er selbst in Auftrag gab, geht er von 51.200 fehlenden Lehrkräften im Schuljahr 2022/2023 aus.
Der Unterschied in der Schätzung dürfte darauf zurückgehen, dass die KMK auch Schulhelfer wie Eltern und Nichtpädagogen als Lehrkräfte in der Statistik führe. Zudem hätten viele Bundesländer je nach personellem Engpass bereits am Anfang des Schuljahres viele Unterrichtsstunden weggestrichen. Der VBE spricht im Zusammenhang mit dem Bildungsnotstand von „der größten Krise seit Gründung der Bundesrepublik“.
(Mit Material von dpa und dts)
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