BAMF-Skandal: Stegner wirft Union ideologische Verweigerung vor
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Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner sieht in einer ideologischen Verweigerungshaltung der Union eine der Ursachen der Probleme des Bundesflüchtlingsamts BAMF.
Stegner sagte der „Heilbronner Stimme“ (Mittwoch): „Das Innenministerium ist seit 13 Jahren schwarz. Genauso finster sind die Verhältnisse im BAMF. Die Union hat seit Jahrzehnten eine ideologische Weigerung, sich mit Migrationsfragen zu beschäftigen. Das BAMF ist von diversen CDU- und CSU-Ministern kaputtgespart worden.“
Der Bundesinnenminister müsse mehrere Konsequenzen ziehen, so Stegner: „Horst Seehofer muss für Aufklärung sorgen und dann die notwendigen Konsequenzen ziehen: organisatorisch, handwerklich und personell.“
BAMF überfordert
Vor der Sondersitzung des Innenausschusses hat der ehemalige Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, die Beschleunigung bei der Bearbeitung der Asylanträge verteidigt.
Gleichzeitig gestand er eine „Überforderung“ ein. Auf Anfrage der „Welt“ erklärte er: Hätte man die Schlagzahl der Behörde nicht erhöht, „würden sich noch immer hunderttausende Anträge im BAMF stapeln.“
Jeder unbearbeitete Antrag würde zudem bedeuten, „dass den Menschen nicht geholfen wird“ und Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse lange auf sich warten müssten. Nach Angaben von Weise gebe es zwei Gründe für die „Überforderung des BAMF“: „Die große Menge an Geflüchteten in sehr kurzer Zeit und ein BAMF, das darauf in keiner Weise eingestellt war.“
Erst das Krisenmanagement in seiner Zeit als Leiter habe „dazu geführt, dass das BAMF überhaupt eine Chance hatte, den Anforderungen gerecht zu werden“. Für die Beschleunigung habe man Fehler in Kauf genommen, bestätigte Weise. „Dass es durch viele neue Mitarbeitende auch zu Fehlern kommen kann, war klar, aber im Rahmen der Risikoabwägung das kleinere Übel“, sagte der Ex-BAMF-Chef. Zugleich verteidigte er seine Behörde gegenüber Kritik aus der Politik. „Es gab eine Zielvereinbarung mit dem Innenministerium und auch eine Übereinstimmung über alle Parteien, dass die Bearbeitung der Asylverfahren Priorität haben muss“, sagte Weise. Er wehrte sich gegen den Begriff „Fließband“ im Zusammenhang mit der Arbeit im BAMF. Dies sei „falsch“ und „auch böswillig“.
Asyl-Affäre: SPD und Grüne erwägen Untersuchungsausschuss
Innenminister Horst Seehofer soll heute im Innenausschuss des Bundestages Auskunft zur Affäre um falsche Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge geben. Den Fragen der Abgeordneten muss sich in dieser Sondersitzung auch die BAMF-Präsidentin Jutta Cordt stellen.
Danach dürfte sich entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird. Nach der FDP und der AfD wollten das auch die Grünen und die SPD nicht mehr ausschließen. Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bremen gegen die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle.
Jutta Cordt soll verantwortlich sein
In der Affäre um die Manipulationen von Asylbescheiden im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat der Personalrat Behördenchefin Jutta Cordt eine Mitverantwortung zugewiesen und die Mitarbeiter in Schutz genommen. In einem offenen Brief, aus dem die „Süddeutsche Zeitung“ (Dienstagsausgabe) zitiert, formuliert der Gesamtpersonalrat scharfe Kritik an internen Abläufen in der Behörde. Für die Misere sei die Führung des Amtes verantwortlich.
Im April war bekannt geworden, dass die Bremer BAMF-Außenstelle zwischen 2013 und 2016 in mindestens 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben soll.
Viele BAMF-Mitarbeiter hätten „kein Verständnis“, dass es nach Bekanntwerden der Affäre am Willen zur Aufklärung ebenso mangle wie am Willen, nötige Konsequenzen zu ziehen, schreiben Personalratschef Rudolf Scheinost und sein Vize Paul Müller laut „SZ“ in dem Brief. „Diese Auffassung teilen wir.“
Der Personalrat kritisiert, dass die BAMF-Mitarbeiter pauschal dem Verdacht ausgesetzt würden, „im BAMF herrsche Inkompetenz und Willkür“. Dafür verantwortlich seien aber Vorgaben von oben. „Bis heute“ werde der Erledigung von Fällen Vorrang eingeräumt, Qualität werde dem „vollständig untergeordnet“. Dies habe dazu geführt, dass „bewusst“ Einschränkungen in der Rechtsstaatlichkeit beim Bearbeiten der Asylanträge in Kauf genommen würden.
Als Beispiel für den immer noch vorhandenen Druck nennt der Personalrat die Absage von Schulungen: Weil in einer BAMF-Außenstelle „Produktivziele“ nicht erreicht worden seien, seien grundlegende Schulungen abgesagt worden, um mehr Zeit für Entscheidungen zu haben. „Mit anderen Worten: Nur wer ohne Schulung die Produktivziele erfüllt, darf zur Schulung“, schreiben Scheinost und Müller.
Die Amtsleitung habe dies dem Gesamtpersonalrat damit begründet, dass die Verfahrensbeschleunigung Vorrang habe. „So viel aktuell zur pressewirksam verkündeten ‚Qualitätsoffensive'“, kommentieren die Personalratschefs.
Scheinost und Müller appellieren an Cordt, zusammen mit den Beschäftigten einen „Neuanfang“ zu unternehmen. Dafür müssten die Asylverfahren seit 2015 sorgfältig überprüft und die Verantwortlichen für die Unregelmäßigkeiten benannt werden. „Dabei müssen die sogenannten Führungskräfte und nicht die weisungsabhängigen Mitarbeiter des Bundesamtes im Fokus stehen“, fordern die Personalratschefs.
Künftig müsse zudem die Qualität Vorrang haben und nicht „irreale Produktivleistungen“, heißt es laut „SZ“ in dem Brief. „Nur auf diesem Wege wird das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Arbeit unseres Amtes wieder hergestellt“, fügen die Personalvertreter hinzu. Hierzu bedarf es den Mut zur Wahrheit.“
Das BAMF hat auf Anfrage der „SZ“ bis Montagabend keine Stellungnahme zu dem Brief abgegeben.
Am Dienstagnachmittag nehmen Cordt und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Bundestags-Innenausschuss zu der Affäre Stellung. Am Montag hatte Seehofer versprochen, die Angelegenheit „ohne Rücksicht auf Institutionen und Personen“ aufzuklären. Er will zudem bundesweit stichprobenartig Asylbescheide überprüfen lassen.
Ungeschultes Personal soll Pass-Fälschungen erkennen
Ein Insider der Bremer Außenstelle berichtet von gestrichenen Aus- und Fortbildungen in den Jahren 2016 und 2017 – um Asyl-Fälle noch schneller abarbeiten zu können, schreibt die „Bild“ (Dienstagsausgabe).
„So gab es bei uns auch Mitarbeiter, die Pass-Fälschungen erkennen sollten, aber keinerlei Ausbildung dafür bekamen. Es waren ehemalige Post- und Bahn-Mitarbeiter, die überhaupt nicht wussten, was sie da eigentlich prüfen sollten.“
Und: Als die bereits aufgeflogene frühere Leiterin der Bremer Außenstelle 2017 erneut in Bremen eingesetzt wurde, soll sie bei mindestens einer weiteren Mogelei ertappt worden sein. Das Verrückte: „Die Manipulation war unnötig“, berichtet der Insider. „Die betroffene Frau hätte sowieso Asyl bekommen, da ging es um Familien-Asyl.“ Dennoch habe die Frau die zuständige Entscheiderin „schlicht unter Druck gesetzt“. Ihr eigener Zugang zum BAMF-IT-System war nämlich bereits gesperrt.
(dts/dpa/afp)
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