Autogipfel: Deutschland will Vorreiter bei fahrerlosen Kraftfahrzeugen werden
Eine Entscheidung über eine mögliche Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor ist auf dem sogenannten „Autogipfel“ am Dienstag ein weiteres Mal vertagt worden.
Bis zum nächsten Treffen im November soll eine „Arbeitsgruppe“ prüfen, welche weiteren Aspekte bei den im Konjunkturpaket vorgesehenen „Zukunftsinvestitionen in die Fahrzeugbranche“ berücksichtigt werden sollten, heißt es im Entwurf eines Abschlussdokuments, das am Dienstag verbreitet wurde. Auch Hilfen für Zulieferer sollen geprüft werden.
Gleichzeitig haben sich Bundesregierung und Autoindustrie hohe Ziele gesteckt: Deutschland solle „das erste Land weltweit sein, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt“, heißt es in dem Ergebnispapier.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), weitere Mitglieder der Bundesregierung, die Ministerpräsidenten der „Auto-Länder“ Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg sowie Manager der deutschen Autobranche und Gewerkschafter hatten am Abend per Videokonferenz debattiert.
Auto-Kaufprämie stößt parteiübergreifend auf Ablehnung
Die neuen Forderungen aus der CSU nach einer Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor stieß bislang parteiübergreifend auf Ablehnung. „Die CDU/CSU hat sich vor der Sommerpause klar gegen eine solche Subvention ausgesprochen“, sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), am Dienstag dem Düsseldorfer „Handelsblatt“. „Es gibt keinen Grund für die Bundesregierung, diese Klarstellung in Frage zu stellen.“
Die Autoindustrie „braucht Unterstützung für Investitionen in moderne Klimaschutztechnologie, sie braucht Unterstützung, um die Arbeitsplätze erhalten zu können“, warb Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter in Berlin für einen staatlichen Transformationsfonds, von dem insbesondere Zulieferbetriebe profitieren sollten. „Was allerdings ein sinnloser Einsatz von Geld wäre, wäre eine Kaufprämie für Verbrenner“, hob er hervor. „Denn das würde bedeuten, in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft zu investieren.“
Eine Kaufprämie wäre „ein Strohfeuer ohne nachhaltigen Arbeitsplatzeffekt“, warnte auch Linken-Parteichef Bernd Riexinger. „Um die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie langfristig zu sichern, brauchen wir Investitionen in einen Umbau hin zu zukunftsfähigen Technologien“, forderte er. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wies darauf hin, dass nicht nur die Autoindustrie unter der Corona-Krise zu leiden habe. Er verlangte statt eines Autogipfels „einen Kindergipfel im Kanzleramt“.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verteidigte dagegen seinen Vorstoß zugunsten einer Kaufprämie. „Ich weiß, es ist vielleicht nicht so en vogue, über den Verbrennungsmotor und die Unterstützung des Verbrennungsmotors zu reden“, sagte er im ARD-„Mittagsmagazin“. Man müsse jedoch „an die vielen hunderttausenden von Arbeitsplätzen denken, an die Familien, die an diesen Jobs dranhängen und an eine Schlüsseltechnologie in Deutschland“.
Die Bundesregierung hatte vor der Sommerpause entschieden, dass es Kaufprämien nur für Elektroautos geben soll. Dies wurde inzwischen umgesetzt.
Handwerksverband: Verbrennungsmotor nicht verteufeln
Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke, hat an die Teilnehmer des Autogipfels im Kanzleramt appelliert, den Verbrennungsmotor nicht vorschnell aufzugeben und einseitig auf nur eine Antriebstechnik zu setzen.
„Es wäre ein Fehler, den Verbrennungsmotor jetzt zu verteufeln und alles auf Elektromobilität zu setzen und vielleicht als Nächstes auf Wasserstoff. Wir müssen die Systeme, die wir haben, effizienter machen“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Es sei sinnvoller, sich die einzelnen Antriebstechniken mit Blick auf die Einsatzbereiche auf Klimaverträglichkeit, Effizienz und Schadstoffe anzusehen und dann ein Gesamtkonzept zu entwickeln. „Entscheidend ist doch, dass sich die effizientesten Systeme durchsetzen“, sagte Schwannecke.
Der Zulieferbereich im Handwerk sei ein wesentlicher Faktor des Automobilstandortes Deutschland. „Wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen und Verlässlichkeit.“ Man brauche eine Technologieoffenheit. „Wir schwenken in Deutschland gern mit einem Absolutheitsanspruch plötzlich um. Aber wir müssen aufpassen, in einem so gravierenden Transformationsprozess nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten“, forderte der ZDH-Vertreter.
Das Handwerk brauche Mobilität zwingend – auf dem Land wie in der Stadt. „Wie sollen Versorgungsfahrzeuge des Handwerks, Installateure und Heizungsbauer ihr Material zu den Kunden bringen? Das geht nicht mit Lastenrädern.“ Da müsse man genau gucken, für welchen Zweck welche Antriebsart die beste ist, sagte der Generalsekretär des ZDH.
FDP dringt auf stärkeren Einsatz synthetischer Kraftstoffe
In der Debatte um klimafreundlichere Mobilität dringt die FDP auf den stärkeren Einsatz synthetischer Kraftstoffe. „Wir müssen es schaffen, die bereits vorhandenen, effizienten Verbrennungsmotoren in den Fahrzeugen klimaneutral zu machen“, erklärte die FDP-Umweltpolitikerin Judith Skudelny am Dienstag in Berlin anlässlich des Automobilgipfels von Regierung und Branchenvertretern am Abend. Sie wandte sich gegen eine zu starke Fokussierung auf den Ausbau der Elektromobilität.
„Wir brauchen ein schnelles und klares Bekenntnis zu synthetischen Kraftstoffen, damit die Automobilindustrie weiß, dass die Elektromobilität aus Sicht der Politik nicht alternativlos ist“, erklärte Skudelny. Sie verwies auf ein vergangene Woche dazu von der FDP-Fraktion beschlossenes Positionspapier.
Darin wird allerdings eingeräumt, dass in Deutschland nicht genügend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen, um synthetische Kraftstoffe in hinreichender Menge klimafreundlich herstellen zu können. Daher sollten diese in Gebieten mit höherer Verfügbarkeit von Wind- oder Solarstrom produziert und dann nach Deutschland importiert werden. Als Vorteile sieht die FDP vor allem, dass bestehende Verbrennungsmotoren und die Tankstelleninfrastruktur weiter genutzt werden könnten.
Experten weisen allerdings darauf hin, dass synthetische Kraftstoffe für Autos bislang nicht zu marktfähigen Kosten herstellbar sind. Auch ist der Wirkungsgrad nach Studien etwas des Wuppertal Instituts insgesamt deutlich niedriger als bei direkter Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom in batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen.
Gleichwohl wird auch dort der Einsatz synthetischer Kraftstoffe dringend empfohlen, allerdings nicht für Autos, sondern etwa für Flugzeuge oder die internationale Seeschifffahrt, wo elektrische Antriebe nicht in Frage kommen. Für Lkw, Fernbusse und Züge sei dagegen die Wasserstoff-Brennstoffzelle synthetischen Kraftstoffen vorzuziehen, hieß es in einer 2019 vom Wuppertal Institut im Auftrag von Greenpeace erstellten Studie. (dts/afp)
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