Aus für das Autohaus? Hersteller wollen Kosten im Vertrieb einsparen – durch mehr Direktverkauf

Nicht nur Autoindustrie und Zulieferer, auch Autohändler steuern auf harte Zeiten zu, glaubt man einem Bericht in der „Welt am Sonntag“. Demnach wollen die großen Autohersteller BMW, Mercedes und VW in den Online-Direktvertrieb ihrer Produkte einsteigen. Für die Autohändler vor Ort wäre das eine direkte Konkurrenz.
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Vom Citroën-Autohaus zum reinen Online-Verkauf der Autos? Die Händler sind beunruhigt.Foto: iStock
Von 30. September 2019

Die Autoindustrie in Deutschland, von der etwa acht Prozent der Wirtschaftsleistung abhängen (rechnet man die Zulieferer hinzu), droht unter dem Beschuss durch die Politik und Schüleraufmärschen ihre Rolle als Wohlstandsgarant einzubüßen.

Tesla in den USA jetzt schon frei Haus bestellbar

Zulieferer melden Insolvenz an, die Fahrzeugproduktion wird im laufenden Jahr um 12 Prozent geringer ausfallen als im Jahr zuvor, gegenüber 2016 sind es sogar 21 Prozent. Bis 2030 wird, so die „Welt“, mit einem Verlust von mindestens 125 000 Arbeitsplätzen gerechnet.

Die gleiche Zeitung berichtete am Sonntag (29.9.), dass nicht nur auf die Mitarbeiter der Autohersteller und Zulieferer, sondern auch auf die Vertragshändler wesentliche Veränderungen zukommen könnten. Viele könnten am Ende sogar wegfallen. Offiziell gilt dies als Folge der Digitalisierung. Inoffiziell dürften Sparzwänge eine tragende Rolle spielen.

Die deutschen Autohersteller wollen demnach künftig verstärkt Autos über das Internet verkaufen. Der US-amerikanische Elektroauto-Pionier Tesla ermöglicht jetzt schon seinen Kunden, sich ihr Wunschmodell mit allen Extras online zusammenzubauen – und in dieser Form frei Haus liefern zu lassen. In Deutschland bieten einige Hersteller eine Onlinekonfiguration in Eigenregie an, der Kunde muss sich seinen Wagen dennoch im nächstgelegenen Autohaus abholen.

Dass ausgerechnet das Auto – sieht man von Gebrauchtwagenbörsen oder Direktimporteuren ab – in Deutschland kaum online gehandelt wird, widerspricht eigentlich dem Trend in fast allen Lebensbereichen. Von Büchern über Kleidung und Möbel bis hin zu Lebensmitteln, Pharmazeutika oder Finanzdienstleistungen wird auch hier mittlerweile fast alles online angeboten.

Den Neuwagen künftig über Amazon kaufen?

Allerdings unterscheidet sich der Grad der Affinität zum Onlinehandel von Branche zu Branche. Bei beratungs- oder wartungsintensiven Waren und Dienstleistung bevorzugt der Kunde immer noch die persönliche Ansprache. Der Autokauf gilt – zumindest im Bereich des Neuwagenkaufs – bis dato auch eher als ein solcher Bereich. Immerhin gibt es neben der fachkundigen Beratung dort auch die Möglichkeit einer Probefahrt.

Mittlerweile denken aber auch Hersteller wie BMW, VW oder Mercedes daran, ihre Modelle direkt an den Kunden zu verkaufen. Die wesentlichen Vorteile: Feilschen um Rabatte fällt weg, die Gewinnmargen sind höher, gleichzeitig eröffnet sich ein Einsparpotenzial.

Mit einer Verringerung der Komplexität für den Kunden wirbt VW-Vorstand Jürgen Stackmann für einen solchen Schritt:

Entstehen soll eine starke Vereinfachung für den Kunden, mit uns Geschäfte zu machen.“

Das Hauptargument dürften jedoch eher die Kosten sein. Johannes Trenka, Direktvertriebsexperte bei der Unternehmensberatung Accenture, spricht gegenüber der „Welt“ von möglichen Einsparungen bei den Vertriebskosten zwischen acht und 15 Prozent, was sich „bei größeren Vertriebsregionen schnell auf einen jährlichen Milliardenbetrag summieren kann“.

Einbußen beim Service und der Betreuung soll es ohne den Weg zum Fachhändler vor Ort für die Kunden deshalb nicht geben, meint Stackmann: „Der Kunde soll künftig immer, wenn er Kontakt mit Volkswagen aufnehmen will, jemanden vorfinden, der ihn sofort erkennt und ihm weiterhilft.“

Händler vor Ort nicht gänzlich verzichtbar

Dass damit Hersteller beginnen, aktiv ihren eigenen Vertragshändlern das Wasser abzugraben, bleibt diesen nicht verborgen. Wobei die Konkurrenz zwischen Direkt- und Agenturvertrieb auch im Bereich von Versicherungen oder Finanzdienstleistungen kein Novum ist. Immerhin könnte gerade im Automobilvertrieb hier auch eher ein Segmentierungsprozess stattfinden – anders als etwa Lebensversicherungen eignen sich Automobile ja nicht wirklich für einen overkillträchtigen Strukturvertrieb.

VW will, um die Interessen zwischen Hersteller und Händler auszutarieren, demnach auch – ähnlich wie Versicherungen es betreiben – ein Agenturmodell einführen. Der Händler würde demzufolge eine kleinere, aber feste Provision erhalten. Andererseits würden sie auf diese Weise deutlich an unternehmerischer Eigenständigkeit einbüßen. Die Händlerverbände murren zwar, Antje Woltermann vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) übt sich jedoch in Zweckoptimismus:

Wir müssen uns der Diskussion stellen, wie sich Handel und Hersteller einigen können, sodass beide leben können und der Kunde glücklich ist.“

Die Hersteller müssten allerdings bereit sein, auch die Infrastruktur der Händler mitzufinanzieren, da diese nur mit kleinen Vergütungen für den Vertrieb nicht überleben könnten. Immerhin habe auch Elon Musk lernen müssen, dass ein Vertrieb ohne unabhängige Händler, wie er ihn ursprünglich im Sinn gehabt hätte, nicht funktioniere.



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